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Olympischen Spiele: London: Die Welt in einer Stadt

Olympischen Spiele

London: Die Welt in einer Stadt

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    In London freuen sich die Menschen auf die Olympischen Sommerspiele.
    In London freuen sich die Menschen auf die Olympischen Sommerspiele. Foto: dpa

    Jede Olympia-Stadt hat ihren eigenen Groove. Was London zum Schwingen bringt, darüber kann man sich trefflich streiten. Eines aber ist klar: Wenn Gäste aus der ganzen Welt Ende Juli für die Olympischen Spiele eintreffen, dann werden sie sich hier auf kuriose Art sofort zu Hause fühlen. Denn

    Der Liebling der Briten heißt „Chicken Masala“

    Wer hierher reist und Lust auf „Fish and Chips“ mitbringt, muss lange suchen oder flexibel sein. Frittierter Flunder wird in Imbisstuben kaum noch serviert. Chicken Masala heißt mittlerweile das Leib- und Magengericht der Briten. Der Aufstieg des indischen Klassikers ist bezeichnend – für Londons radikale Internationalität und, zugegeben, auch dafür, dass das Essen in England endlich besser wird. Doch der Duft von Kardamom, Kumin und Kurkuma im Little India der Brick  Lane ist nur der bekannteste, aber längst nicht der einzige Bote der Multikultigesellschaft.

    Jeder dritte Londoner, so stellten britische Volkszähler fest, ist außerhalb Großbritanniens geboren worden. Damit haben 2,2 Millionen Großstädter ihre Wurzeln in anderen Nationen. Dazu kommen viele mehr, die sich nicht an der Zählung beteiligt haben und/oder in der zweiten und dritten Generation hier leben. 300 Sprachen werden in London gesprochen, 50 ethnische „Communities“ mit je über 10 000 Landsleuten verteilen sich in der Stadt. Jede Metropole der Welt mag ihr Chinatown haben, London aber kann sich damit rühmen, dass 70 verschiedene Nationen in der Metropole zum „Probieren“ einladen.

    Miniversion von Paris

    Ganz im Westen, in Kensington, hat sich die größte Diaspora Frankreichs zusammengefunden. Zwischen Croissants, Cafés und Delikatessenläden ist eine Miniversion von Paris entstanden. US-Amerikaner sind dem Charme und der Küche der Franzosen dicht auf den Fersen: Sie schlagen am liebsten in der Nachbarschaft ihr Quartier auf. Weiter südwestlich läuft man in New Malden durch Little Korea, in Southall haben sich Inder mit dem größten Tempel außerhalb des Subkontinents ein Stückchen Heimat auf die Insel geholt. 27 000 Portugiesen wohnen in Stockwell und 250 000 Türken auf Londons längster Straße „Green Lanes“.

    Die Olympia-Bezirke im Osten sind Londons ältester Schmelztiegel. Newham und Tower Hamlets etwa, zwei Gegenden, die jeder Besucher auf dem Weg ins neue Stadion quert, beherbergen den größten Anteil muslimischer Bewohner im Königreich. Die meisten von ihnen stammen aus Bangladesch, einer Provinz des alten britischen Empires, mit dem das Königreich heute im Commonwealth-Bund  freundschaftliche Verbindungen pflegt. Für die Bürger von Ex-Kolonien hat das einen entscheidenden Vorteil: Sie dürfen leichter als viele andere Nationalitäten nach Großbritannien einwandern.

    Überbleibsel aus der Zeit jüdischer Einwanderung

    Seit den erfolgreichen Seefahrer-Tagen der Engländer hat Einwanderung Tradition im East End. Gute Matrosen, die sich mit den Gefahren ferner Ozeane auskannten, waren gefragt. Afrikaner und Inder schlugen deshalb Quartier nahe der Docks auf, von wo aus Schiffe zu Rohstoff-Touren in die ganze Welt ablegten. Flüchtlinge wie Iren oder Hugenotten zogen nach Spitalfields, um Stoffe zu weben. Opium und Tee wurden nebenan in der Chinatown bei Limehouse gehandelt. Erst nach den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg zog die chinesische Community aus dem Osten der Stadt nach Soho. Viele andere sind geblieben: Die Bäckerei „Beigel Bake“ in der Brick  Lane etwa ist ein markantes Überbleibsel aus der Zeit jüdischer Einwanderung des frühen 19. Jahrhunderts.

    Eine Viertelstunde vom Olympia-Gelände entfernt, in Stamford Hill, wohnen heute zehntausende Muslime und orthodoxe Juden Tür an Tür. Ihre Gemeinden wachsen weiter – wohl auch, weil hier in London gelingt, was anderswo auf der Welt scheitert: Die Atmosphäre ist friedlich, die Nachbarschaftlichkeit funktioniert  – obwohl hier kein Miteinander, sondern nur ein Nebeneinander gepflegt wird.

    Die Krämernation Großbritannien hat natürlich auch das Potenzial von „ethnischem Chic“ für sich entdeckt. Die vielen Einwanderer-Subzentren wie Little Istanbul oder Little Paris lassen sich hervorragend als Destinationen für Gourmets und Touristen vermarkten. Sie gelten nicht als „Parallelwelten“, sondern als rentables Business. Umgekehrt funktioniert das genauso gut: Briten stellen sich auf Einwanderer als immer zahlungskräftigere Kunden ein. So bieten manche Restaurants im neuen Einkaufszentrum Westfield am Olympia-Stadion spezielle Gerichte für die große Nachbarschaft der Muslime an.

    Auch die Deutschen vermarkten ihre Spezialitäten

    Auch die Deutschen haben den Kultfaktor ihrer heimischen Spezialitäten erkannt. Anders als Inder oder Kariber dominieren die 40 000 Teutonen zwar kein ganzes Viertel mit Schnitzelbuden. Doch die frischen Brote vom „Backhaus“ in Richmond sind stadtbekannt. Und die vielen Engländer, die gutes Bier schätzen, haben die drei deutschen Pubs „Zeitgeist“, „Katzenjammers“ und „Bavarian Beerhouse“ im Süden der Stadt für sich entdeckt.

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