Die Prinzessinnen Anna und Elsa wohnen in der Stadt Arendelle, die genauso aussieht, wie eine Disney-Prinzessinnen-Stadt eben auszusehen hat: Hübsche Häuschen drängen sich malerisch an einen Berghang, gleichzeitig liegt der Ort direkt in einer Bucht und wird von hübschen jungen Prinzen mit Segelschiffen angesteuert. Diese Kulisse im Film „Die Eiskönigin“ („Frozen“) ist der oberösterreichischen Gemeinde Hallstatt nachempfunden – dieses Gerücht kursiert zumindest im Internet. Und was dort auftaucht und oft genug geteilt wird, kann stimmen oder nicht, aber auf jeden Fall ist es in aller Munde.
Nun könnte man meinen, dass der 780-Einwohner-Gemeinde Hallstatt die Verbindung mit dem finanziell erfolgreichsten Animationsfilm aller Zeiten nützlich sein könnte, egal ob wahr oder angedichtet. Denn Filmtouristen bringen bekanntlich Geld mit. Doch gerade Touristen hat Hallstatt schon mehr als genug – viel mehr, als den Einwohnern lieb ist.
8000 Touristen besuchen Hallstatt an einem Tag
Vor allem asiatische Urlauber sind es, die in Hallstatt die Straßen verstopfen: Bis zu 80 Reisebusse fahren an einem einzigen Tag in die Gemeinde. An manchen Tagen drängen 8000 fremde Menschen durch den kleinen Ort, im Jahr sind es über eine Million. Einige Reisegruppen haben gerade genug Zeit, um sich zu den wichtigsten Attraktionen und Aussichtspunkten durchzukämpfen. Dort machen sie ein paar Urlaubsbilder und Selfies, dann fährt ihr Bus weiter. Nur ein kleiner Teil der Gäste bleibt über Nacht.
Für den Touristenrummel hat die Gemeinde nicht selbst gesorgt: Eine südkoreanische Fernsehserie, in der ein jugendliches Paar seine Flitterwochen in Hallstatt verbringt, machte den Ort bekannt. Außerdem fand die Minengesellschaft China Minmetals den Anblick so hinreißend – oder profitversprechend –, dass sie Hallstatt kurzerhand in der chinesischen Provinz Guangdong nachbaute, und zwar inklusive Kirchturm, Dorfplatz und sogar mit einem See. Nur spiegelverkehrt.
Wie sich Hallstatt gegen den Andrang wehren will
Dass der Ort vielen Asiaten offenbar als Inbegriff österreichischer Gemütlichkeit gilt, kann man ihnen nicht verdenken: Das sich im See spiegelnde Unesco-Weltkulturerbe wirkt tatsächlich wie gemalt. Das Leben dort ist für die Einwohner allerdings nicht besonders idyllisch, denn die seit dem Jahr 2010 stetig ansteigende Touristenflut macht ihnen zunehmend zu schaffen. Dieses Jahr plant die Gemeinde Gegenmaßnahmen und will unter anderem maximal 50 Busse pro Tag einlassen.
Doch zurück zur „Eiskönigin“: Deren erster Teil hatte 2013 Premiere in deutschen Kinos. Schon damals liefen die Prinzessinnen-Schwestern Elsa und Anna durch Arendelle, doch erst irgendwann nach Erscheinen des zweiten Films im November 2019 tauchte die Behauptung auf, Hallstatt sei der Prototyp für die Stadt im Film. Wer es in die Welt gesetzt hat, ist nach wie vor unklar; in den ungezählten Posts, Online-Artikeln und Videobeiträgen ist nur ominös von einem Gerücht die Rede. Häufig wird dieses Detail auch gerne mal ausgespart und Tratsch als Fakt präsentiert – wer sich bei Disney angeblich von Hallstatt inspirieren ließ, weiß niemand.
Sieht "Frozen"-Stadt wirklich aus wie Hallstatt?
Hallstatts Bürgermeister Alexander Scheutz sagt im Gespräch mit unserer Redaktion, dass die Geschichte vermutlich zuerst von chinesischen Medien verbreitetet worden sei. „Wenn ich mit Einwohnern darüber gesprochen habe, die den Film gesehen haben, haben sie gesagt, dass sich die Orte kein bisschen ähnlich sehen“, stellt er klar. In vielen Artikeln war auch zu lesen, der Tourismusboom in Hallstatt liege nicht zuletzt am großen Erfolg des Disney-Films. Stern.de titelte gar mit der Zeile: „’Frozen’-Fans überrennen kleines Bergdorf“.
Danach gefragt, berichtet Scheutz, dass nicht mehr Touristen kämen als gewöhnlich, seit das Gerücht umgehe. Und er habe auch nicht auffällig viele Eltern mit jungen Disney-Fans im Schlepptau gesehen. „Es wird sich zeigen, ob sich die Menschen hier im Fasching verstärkt als Eiskönigin verkleiden“, scherzt der Bürgermeister. Dass Hallstatt Vorbild für Arendelle war, scheint demnach frei erfunden zu sein. Fakt ist: „Frozen“ hat keinen neuen Hallstatt-Hype ausgelöst.
Vorerst bekommt der malerische Ort übrigens eine kleine Verschnaufpause vom ganz großen Touristenandrang: Wegen des Coronavirus haben bereits einige Chinesen ihren Urlaub storniert. Sie dürfen ihr Land derzeit nicht verlassen.
Wir möchten wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.
Lesen Sie auch:
- Wie Instagram die Einsamkeit dieser Orte zerstört hat
- Hallstatt wäre so schön - wenn die Touristen nicht wären
- "Die Eiskönigin 2" stellt weltweiten Kassenrekord auf