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Nordrhein-Westfalen: Prozess gegen Heilpraktiker: Drei Krebspatienten getötet?

Nordrhein-Westfalen

Prozess gegen Heilpraktiker: Drei Krebspatienten getötet?

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    Der Heilpraktiker Klaus R. (l) und seine Anwältin Ursula Bissa stehen vor Prozess-Beginn im Landgericht Krefeld. Der 61-Jährige ist wegen fahrlässiger Tötung in drei Fällen und Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz angeklagt.
    Der Heilpraktiker Klaus R. (l) und seine Anwältin Ursula Bissa stehen vor Prozess-Beginn im Landgericht Krefeld. Der 61-Jährige ist wegen fahrlässiger Tötung in drei Fällen und Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz angeklagt. Foto: Henning Kaiser (dpa)

    Die Vorwürfe sind dramatisch: Mit einer ungeeigneten Waage soll ein Heilpraktiker Medikamente für Krebspatienten angemischt haben. An den Folgen einer Überdosis starben drei von ihnen. Nun wird dem 61-Jährigen aus dem niederrheinischen Moers der Prozess gemacht. Am Landgericht in Krefeld behauptete der Mann am Freitag: "Ich habe ein gutes Gefühl, dass ich richtig und sauber gearbeitet habe." Er ist wegen fahrlässiger Tötung in drei Fällen und fahrlässigen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz in vier Fällen angeklagt.

    Zum Prozessauftakt bedauerte der Angeklagte die Todesfälle. Er könne aber keinen Fehler an seiner Methode zum Anmischen der Medikamente sehen, sagte er. Er habe auf die gleiche Art Wochen und Monate vorher Patienten behandelt. Nie zuvor sei dabei etwas schiefgegangen, sagte der Deutsche. Er habe seither schlaflose Nächte, er wolle selbst eine Erklärung für den Tod der drei Menschen.

    Laut Anklage hat er seinen schwerkranken Patienten im Rahmen einer alternativen Krebstherapie Ende Juli 2016 durch einen Fehler beim Abwiegen eine erheblich überdosierte Infusionslösung verabreicht. Demnach hatte er eine ungeeignete Waage benutzt und den Wirkstoff um das Drei- bis Sechsfache zu hoch dosiert. Zwei Frauen und ein Mann starben innerhalb weniger Tage nach der Behandlung. Bei einer vierten Patientin war die Therapie nach der ersten Infusion abgebrochen worden.

    Angeklagter beteuert richtige Vorgehensweise bei Medikamentenherstellung

    Der Heilpraktiker hatte Krebspatienten mit dem Wirkstoff 3-Bromopyruvat (3-BP) behandelt. Dieser war 2016 nicht als Arzneimittel zugelassen worden, eine Anwendung wurde aber nicht grundsätzlich verboten. Der Stoff wird eingesetzt, um Krebszellen absterben zu lassen. Allerdings kann bereits eine geringe Überdosierung des Stoffs tödliche Nebenwirkungen auslösen, so die Staatsanwaltschaft. Insgesamt hatten die Ermittler rund 70 Todesfälle untersucht. Die Praxis in Brüggen im deutsch-niederländischen Grenzgebiet wurde vor allem von niederländischen Patienten aufgesucht.

    Der Angeklagte erklärte, er habe jede Infusion immer direkt vor der Gabe vorbereitet. Mit einem kleinen Dosierlöffel habe er das Pulver aus einer großen Flasche geholt und abgewogen. Wochen und Monate sei er genau gleich vorgegangen. Als die drei Patienten Ende Juli 2016 nach der Behandlung am selben Tag Beschwerden hatten, sei es das erste Mal gewesen, dass etwas nicht nach Plan gelaufen sei.

    Auf die Frage des Vorsitzenden Richters, ob er sich auch mal nur auf sein Augenmaß verlassen habe, die Waage nicht genutzt habe, antwortete der 61-Jährige: "Ich habe die Waage benutzt, ausnahmslos." Die neue Waage habe er im April 2016 gekauft. Sie sei hygienischer zu verwenden gewesen als die alte. Laut Staatsanwaltschaft war sie aber nicht geeicht. Der Hersteller gebe in der Bedienungsanleitung an, dass das Abwiegen von Kleinstmengen damit nicht möglich sei.

    Flaschen mit Wirkstoff möglicherweise chemisch verdorben

    Ein Aspekt, der bei der Verhandlung lange diskutiert wird: Erst am Tag vor der Behandlung der drei später gestorbenen Patienten habe er neue Flaschen mit 3-BP geliefert bekommen: Pulver in vier Flaschen - nicht wie bis dahin aus Glas, sondern Plastik. Könnte der Wirkstoff chemisch verdorben worden sein? Kann schon das Pulver allein schädlich gewesen sein? In einem E-Mail-Verkehr mit seinem Lieferanten äußerte der Mann schon am betreffenden Juli-Tag diese Bedenken. Die Flaschen habe er aber noch an diesem Abend entsorgt. "Ich wollte sie nicht weiter für Patienten verwenden, nachdem es diesen drei so schlecht ging", sagte er, "dass ich sie weggeworfen habe, bereue ich heute zutiefst".

    Das Gericht hat für den Prozess bis Ende Juni zehn Verhandlungstage angesetzt.  Beim nächsten Termin am 5. April soll der Angeklagte im Gerichtssaal vormachen, wie er sonst immer das Medikament angemischt hat. Für spätere Termine sind auch Zeugen wie die Angehörigen der Opfer geladen. Eine vierte Patientin, bei der die Behandlung rechtzeitig abgebrochen wurde, sei in einer schlechten gesundheitlichen Verfassung und könne nicht teilnehmen, erklärte der Richter.

    Stiftung Patientenschutz fordert deutschlandweite Standards für Heilpraktiker nach Tod von Krebspatienten

    Die Stiftung Patientenschutz mahnte eine Reform der Heilpraktiker-Ausbildung an. Nach wie vor fehle es an bundesweit einheitlichen Standards für diesen Beruf. So könnten Patienten kaum zwischen einem seriösen Anbieter und einem Scharlatan unterscheiden. "Es darf nicht sein, dass es in Deutschland weiterhin einfacher ist, Heilpraktiker zu werden als Krankenpfleger", so Stiftungsvorstand Eugen Brysch.

    Heilpraktiker ist in Deutschland eine geschützte Berufsbezeichnung. Sie gilt für Menschen, die mit staatlicher Erlaubnis Heilkunde ausüben dürfen. Sie unterliegen dabei dem deutschen Heilpraktikergesetz von 1939, das zuletzt 2016 geändert worden war. Vom Arzt unterscheidet den Heilpraktiker, dass eine bestimmte Ausbildung nicht vorgeschrieben ist und dass er weniger Befugnisse hat. So darf ein Heilpraktiker zum Beispiel keine Medikamente verschreiben oder Geburtshilfe leisten.

    Nach Angaben des Bundes Deutscher Heilpraktiker arbeiten in Deutschland etwa 47 000 Menschen als Heilpraktiker, die täglich 128 000 Menschen behandeln. Heilpraktiker müssen mindestens 25 Jahre alt sein. Sie werden vom Gesundheitsamt überprüft. Ihre Methoden sind vielseitig und umstritten, ihre Wirkung ist wissenschaftlich meist nicht belegt. In der Regel werden sie von den Krankenkassen nicht bezahlt. (dpa)

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