Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Nizza: Nizza-Attentäter Bouhlel: Vater dreier Kinder, aggressiv, vorbestraft

Nizza

Nizza-Attentäter Bouhlel: Vater dreier Kinder, aggressiv, vorbestraft

    • |
    Die französische Polizei hat das Bild von einem Ausweis Lahouaiej-Bouhlels veröffentlicht.
    Die französische Polizei hat das Bild von einem Ausweis Lahouaiej-Bouhlels veröffentlicht. Foto: AFP PHOTO / FRENCH POLICE SOURCE

    Nach dem Anschlag in Nizza mit mehr als 80 Toten wurde schnell der Täter identifiziert, den die Polizei erschossen hatte. Es handelt sich um den 31-jährigen Mohamed Lahouaiej-Bouhlel. Seine Papiere lagen in dem Lastwagen, mit dem er die Menschen an der Promenade in

    Nach Angaben seines Vaters litt der Attentäter unter Depressionen. Mit Religion habe sein Sohn nichts zu tun gehabt, sagte Mohamed Mondher Lahouaiej-Bouhlel der Nachrichtenagentur AFP in der Stadt Msaken im Osten Tunesiens. Sein Sohn habe von 2002 bis 2004 "Probleme" gehabt, die zu einem "Nervenzusammenbruch" geführt hätten. Er sei dann "wütend" geworden, habe geschrien und Sachen kaputt gemacht, berichtete der Vater.

    Vater über Bouhlel: Er hatte keine Verbindungen zur Religion

    Die Familie habe Mohamed Lahouaiej-Bouhlel zu einem Arzt gebracht, der ihm Medikamente gegen Depressionen verschrieben habe, berichtete der Vater. Sein Sohn sei "immer allein, immer deprimiert" gewesen, habe aber nicht darüber sprechen wollen. Seit sein Sohn nach Frankreich ausgewandert sei, habe die Familie fast keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt, sagte der weißhaarige Mann vor seinem Haus in Msaken nahe der Hafenstadt Sousse. "Als er nach Frankreich gegangen ist, haben wir nichts mehr von ihm gehört", sagte er. Wann genau sein Sohn auswanderte, konnte er aber nicht sagen. Der Vater betonte, dass sein Sohn "keine Verbindungen zur Religion" gehabt habe. "Er hat nicht gebetet, er hat nicht gefastet, er hat Alkohol und sogar Drogen genommen", sagte Mohamed Mondher Lahouaiej-Bouhlel. Auch die Familie sei "entsetzt" über die Geschehnisse in Nizza.

    Mohamed Lahouaiej-Bouhlel ist ein Franzose tunesischer Herkunft. Er war am 31. Januar 1985 in Msaken am Rand der tunesischen Stadt Sousse geboren. Laut der Zeitung "La Presse" war er im Jahr 2005 nach Frankreich gekommen. Dort heiratete Bouhlel eine Franko-Tunesierin aus Nizza. Anwohner berichten der Nachrichtenagentur AFP, dass das Paar drei Kinder hatte. Gemeinsam lebte das Ehepaar, das stets westlich gekleidet war und nicht als religiös galt, in der zwölften Etage eines Wohnblocks in einem Vorort im Norden von Nizza.

    Nachbarn beschreiben Bouhlel als teilweise sehr aggressiv

    Der Attentäter von Nizza wird von seinen Nachbarn als schweigsam und gewalttätig beschrieben, doch galt der Vater dreier Kinder nicht als Islamist. Weder den Geheimdiensten noch seinen Bekannten war Mohamed Lahouaiej-Bouhlel als Anhänger des radikalen Islamismus bekannt. "Er unterwarf sich nicht Gott, ich habe ihn niemals in der Moschee gesehen", versicherte ein Besucher des Restaurants neben der örtlichen Moschee. Drei praktizierende bärtige Muslime bestätigten dies. Andere Bewohner des Viertels sagten, Lahouaiej-Bouhlel habe regelmäßig Bier getrunken. Auch Staatsanwalt François Molins sagte, der junge Mann sei den Geheimdiensten nicht als Islamist bekannt gewesen und nicht als Gefährder geführt worden.

    Dafür war er aber laut Molins Polizei und Justiz seit 2010 wegen zahlreicher Drohungen, Gewalttaten, Diebstähle und Sachbeschädigung bekannt. Erst im März wurde Lahouaiej-Bouhlel, der als Lieferant arbeitete, zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt wegen eines gewaltsamen Streits nach einem Verkehrsunfall im Januar. Nachbarn berichteten zudem, dass er teilweise sehr aggressiv gewesen sei und seine Frau misshandelt habe.

    In diesem Haus in Nizza hatte Bouhlel seine Wohnung.
    In diesem Haus in Nizza hatte Bouhlel seine Wohnung. Foto: Imago Stock&people

    Ein Nachbar sagte sogar, er vermute weniger politische Motive hinter der Tat als psychische Probleme. "Ich glaube überhaupt nicht an ein Problem der Radikalisierung, ich glaube eher, dass das eine Frage der Psychiatrie ist", sagte der Nachbar. Nach einem gewaltsamen Streit habe seine Frau die Scheidung beantragt. "Er hatte Krisen. Als er sich von seiner Frau trennte, defäkierte er überall hin, stach auf den Teddy seiner Tochter mit einem Messer ein und schlitzte die Matratzen auf."

    Der Pförtner des Wohnblocks, in dem der Attentäter bis zu seinem Auszug vor 18 Monaten infolge der Trennung von seiner Frau lebte, sagte, Lahouaiej-Bouhlel sei ihm wegen der "sehr heftigen Streits mit seiner Frau" bekannt gewesen. Diese wurde als eher schüchtern und freundlich beschrieben. Laut den Nachbarn brachte sie nach der Trennung von Lahouaiej-Bouhlel ihr drittes Kind zur Welt. Am Freitag wurde sie von der Polizei zur Befragung mitgenommen.

    Andere Nachbarn berichtete, der Mann sei verschlossen und schweigsam gewesen. Im Aufzug habe er nie ein Wort gesagt und im Flur nie gegrüßt. Nach der Trennung von seiner Frau zog er in ein vierstöckiges Wohnhaus im Osten von Nizza. Was ihn zu dem Angriff auf der Strandpromenade brachte, bei dem mindestens 84 Menschen getötet wurden, ist weiter unklar. Den 19 Tonnen schweren Kühlwagen hatte er am 11. Juli angemietet. Das Fahrzeug hätte am 13. Juli zurückgegeben werden sollen.

    Welches Motiv hatte der Täter von Nizza?

    Zu den vielen Fragen nach dem Anschlag von Nizza gehört auch die nach dem Motiv. Mohamed Lahouaiej-Bouhlel war zuvor schon wegen Gewalttaten bei der Polizei bekannt. Der 31-Jährige sei im März laut dem Pariser Staatsanwalt François Molins wegen Bedrohung, Gewalt, Diebstahls und Sachbeschädigung zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Den Geheimdiensten war er aber nicht bekannt. Er sei nicht als möglicher Gefährder geführt worden, sagte

    Es ist also weiterhin unklar, ob es sich bei dem Anschlag um Terror mit islamistischen Hintergrund handelt. Auf Twitter gibt es Berichte, dass der Täter "Allahu akbar" (Allah ist der Größte) gerufen haben soll - dafür gibt es aber keine Bestätigung.

    Was war das Motiv von Mohamed Lahouaiej-Bouhlel?
    Was war das Motiv von Mohamed Lahouaiej-Bouhlel? Foto: AFP PHOTO / FRENCH POLICE SOURCE

    Wie die Ermittler berichten, ist der Täter mit äußerster Brutalität vorgegangen. Er lenkte den Lastwagen in die Menschenmenge, die beim französischen Nationalfeiertag nach dem Feuerwerk auf dem Strandboulevard Promenade des Anglais versammelt war. Nach zwei Kilometern wechselte er die Richtung - wohl um möglichst viele Menschen zu töten. Außerdem schoss er mehrmals, bevor er von der Polizei getötet werden konnte.

    Anschlag in Nizza: Hatte Mohamed Lahouaiej-Bouhlel Komplizen?

    Der Franko-Tunesier saß alleine in dem Lastwagen. Ob Mohamed Lahouaiej-Bouhlel bei der Vorbereitung Komplizen hatte, ist noch unbekannt. Laut Innenministerium in Frankreich gab es in mehreren Städten Polizeieinsätze. Bislang wurden aber keine Hintermänner gefunden. Es könnte sich daher um einen Einzeltäter gehandelt haben. Im Lastwagen wurden sein Führerschein und andere persönliche Dokumente gefunden. Außerdem wurden mehrere Schusswaffen und Gewehrattrappen sowie eine nicht funktionsfähige Granate entdeckt. AZ, dpa/afp

    Chronologie des Terrors in Frankreich

    7. Januar 2015: Beim Attentat auf das Satiremagazin «Charlie Hebdo» sterben in Paris zwölf Menschen. Zu dem Anschlag bekennt sich ein Ableger der Terrororganisation Al-Kaida. Ein dritter Täter erschießt eine Polizistin und nimmt in einem jüdischen Supermarkt Geiseln, von denen er vier erschießt, bevor er selbst von der Polizei getötet wird. Er hatte sich zuvor zur Terrormiliz IS bekannt.

    19. April: Nach der Ermordung einer Frau in Villejuif bei Paris wird ein Student festgenommen. Der 24-Jährige mit Kontakt nach Syrien soll mit einem Waffenarsenal aus Kalaschnikow-Sturmgewehren, Pistolen und Revolver Anschläge auf Kirchen geplant haben.

    26. Juni: Ein 35-jähriger Islamist wird überwältigt, als er in einem Industriegas-Werk in Saint-Quentin-Fallavier bei Lyon eine Explosion verursachen wollte. Er hatte zuvor seinen Arbeitgeber enthauptet und den Kopf mit zwei Islamistenflaggen auf den Fabrikzaun gesteckt.

    21. August: Ein 25-jähriger Islamist wird im Thalys-Schnellzug Brüssel-Paris bei einem Anschlagversuch mit einem Schnellfeuergewehr von Fahrgästen überwältigt. Zwei Zuginsassen werden verletzt.

    13. November: Bei einer koordinierten Anschlagsserie in Paris töten IS-Extremisten 130 Menschen. In der Konzerthalle «Bataclan» richten sie ein Massaker an, Bars und Restaurants werden beschossen, am Stade de France sprengen sich während des Fußball-Länderspiels Frankreich-Deutschland drei Selbstmordattentäter in die Luft.

    18. November: Bei einem Anti-Terror-Einsatz in Saint-Denis bei Paris nimmt die Polizei sieben mutmaßliche Komplizen der Attentäter fest. Drei weitere Verdächtige kommen ums Leben, wie sich später herausstellt - einer ist der gesuchte Abaaoud.

    7. Januar 2016: Am Jahrestag der Anschläge auf «Charlie Hebdo» schießen Polizisten vor einem Pariser Kommissariat einen Mann nieder. Er war mit einem Messer bewaffnet und trug die Attrappe einer Sprengstoffweste.

    24. März 2016: Ermittler nehmen einen 34-jährigen Franzosen fest und finden in einer von ihm angemieteten Wohnung im Pariser Vorort Argenteuil ein großes Waffenarsenal, unter anderem mit fünf Kalaschnikow-Sturmgewehren, einer Maschinenpistole und Sprengstoff. Nach Ansicht der Ermittler gehörte der Festgenommene zu einem Terrornetzwerk, das kurz vor einem schweren Anschlag stand.

    14. Juni 2016: Ein Mann ersticht in Magnanville im westlichen Umland von Paris einen Polizisten und verschanzt sich in dessen Haus, wo später auch die Lebensgefährtin des Opfers tot aufgefunden wird. Die Polizei stürmt das Gebäude und erschießt den Täter, der sich zuvor zum IS bekannt hatte. Vor dem Hintergrund der laufenden Fußball-EM hatten zahlreiche Behörden immer wieder vor der hohen Terrorgefahr in Frankreich gewarnt.

    14. Juli 2016: Bei einem Anschlag am französischen Nationalfeiertag sind in der Hafenstadt Nizza mindestens 80 Menschen getötet worden. Zahlreiche weitere wurden verletzt, als ein Lastwagen durch eine feiernde Menschenmenge raste. (dpa)

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden