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Neonazi-Morde: GSG 9 nimmt weiteren Terror-Verdächtigen fest

Neonazi-Morde

GSG 9 nimmt weiteren Terror-Verdächtigen fest

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    Ein Screenshot zeigt einen Ausschnitt eines Videos des Nationalsozialistischen Unterundes (NSU). In dem Film, in dem auch eine Szene vorkommt, bei der die Trickfilmfigur "Paulchen Panther" und einem Polizisten eine Pistole an den Kopf hält, bekennt sich die Terrorgruppe zu verschiedenen Morden der vergangenen Jahre. Ein weiterer mutmaßlicher Neonazi-Terrorist ist festgenommen worden.  Andre E. soll im Jahr 2007 den «menschenverachtenden Propagandafilm» hergestellt haben.
    Ein Screenshot zeigt einen Ausschnitt eines Videos des Nationalsozialistischen Unterundes (NSU). In dem Film, in dem auch eine Szene vorkommt, bei der die Trickfilmfigur "Paulchen Panther" und einem Polizisten eine Pistole an den Kopf hält, bekennt sich die Terrorgruppe zu verschiedenen Morden der vergangenen Jahre. Ein weiterer mutmaßlicher Neonazi-Terrorist ist festgenommen worden. Andre E. soll im Jahr 2007 den «menschenverachtenden Propagandafilm» hergestellt haben.

    Die Zahl der Unterstützer um das Terror-Trio Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos wird größer. Einen weiteren mutmaßlichen Unterstützer der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) hat die Bundesanwaltschaft nun festnehmen lassen. Wie die Behörde in Karlsruhe mitteilte, nahmen Beamte der Anti-Terror-Einheit GSG 9 Andre E´am Donnerstagmorgen fest. Der 32-Jährige hatte sich zu diesem Zeitpunkt  im Landkreis Potsdam-Mittelmark aufgehalten. Zugleich durchsuchten Beamte  drei Wohnungen am Festnahmeort sowie in Dresden und Jena. Auch die  Wohnung von E. in Zwickau wurde durchsucht. Weitere Einzelheiten  teilte die Bundesanwaltschaft zunächst nicht mit.

    Andre E. soll Propagandafilm erstellt haben

    Andre E. wird dringend verdächtigt, den  Propagandafilm der Terrorzelle hergestellt zu haben. Mit diesem menschenverachtenden Film hat sich die NSU zu den  Morden an neun Migranten und der Polizistin Michèle Kiesewetter  in Heilbronn bekannt. Der Film enthalte zudem Sequenzen aus der öffentlichen  Berichterstattung über die beiden Sprengstoffanschläge in Köln, die  auf eine Urheberschaft des NSU schließen lassen.

    Verdächtiger soll Terror-Trio unterstützt haben

    Die Zwickauer Terrorzelle - Chronologie der Ereignisse

    Freitag, 4. November: Am Vormittag überfallen zwei Männer eine Bank im thüringischen Eisenach und fliehen. Während der Fahndung stoßen Polizisten auf zwei Leichen in einem Wohnmobil. Beamte hatten Hinweise erhalten, dass ein Caravan bei dem Überfall eine Rolle gespielt haben könnte.

    Samstag, 5. November: Ermittler untersuchen die Schusswaffen, die in dem Wohnmobil gefunden wurden.

    Montag, 7. November: Unter den Pistolen im Wohnwagen sind die Dienstwaffen der im April 2007 in Heilbronn getöteten Polizistin Michele Kiesewetter und ihres schwer verletzten Kollegen. Die später identifizierten Männer Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, deren Leichen entdeckt wurden, sollen den Banküberfall begangen haben. Sie sollen zusammen mit einer Frau in einer Wohnung in Zwickau gelebt haben, die wenige Stunden nach dem Banküberfall explodiert war. Nach der Frau, Beate Zschäpe, wird gefahndet.

    Dienstag, 8. November: Die bundesweit gesuchte Beate Zschäpe stellt sich der Polizei in Jena. Spekulationen kommen auf, dass die mutmaßlichen Bankräuber eine Verbindung in die Neonazi-Szene gehabt haben könnten. Sie und die verdächtige Frau sollen in Thüringen als rechtsextreme Bombenbauer in Erscheinung getreten sein.

    Mittwoch, 9. November: Zschäpe sitzt in U-Haft und schweigt. Nach Aussage von Thüringens Innenminister Jörg Geibert hatten die Männer bis 1998 Verbindungen zum rechtsextremen Thüringer Heimatschutz - danach jedoch nicht mehr. Polizei und Staatsanwaltschaft in Sachsen machen die Frau zunächst nur für die Explosion des Wohnhauses in Zwickau verantwortlich.

    Donnerstag, 10. November: In den Trümmern des abgebrannten Hauses in Zwickau werden weitere Schusswaffen gefunden.

    Freitag, 11. November: Es ist die spektakuläre Wende in dem Fall: Unter den Waffen ist die Pistole, mit der zwischen 2000 und 2006 neun Kleinunternehmer erschossen wurden - Türken, ein Grieche und Deutsche mit Migrationshintergrund. Außerdem entdecken Fahnder rechtsextreme Propaganda-Videos. Diese beziehen sich auf eine Gruppierung mit dem Namen Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) und enthalten Bezüge zur Mordserie. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe übernimmt die Ermittlungen.

    Sonntag, 13. November: Die Bundesanwaltschaft geht erstmals ausdrücklich von Rechtsterrorismus aus. Der Bundesgerichtshof erlässt  Haftbefehl gegen Zschäpe wegen des dringenden Tatverdachts «der Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung». In Lauenau bei Hannover wird ein mutmaßlicher Komplize festgenommen. Holger G. soll dem Neonazi-Trio 2007 seinen Führerschein und vor etwa vier Monaten seinen Reisepass zur Verfügung gestellt haben. Die Rolle des Verfassungsschutzes in dem Fall ist unklar. Politiker fragen, warum die Rechtsextremen, die unter Beobachtung standen und schon 1998 in Jena als Bombenbauer auffielen, so lange unbehelligt blieben.

    Montag, 14. November: Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger sagt, die Strukturen des Verfassungsschutzes sollten auf den Prüfstand gestellt werden. Ihre Frage: «Was mich wirklich umtreibt, ist: Gibt es ein fester gefügtes rechtsextremistisches Netzwerk in Deutschland als bisher angenommen wurde?».

    Donnerstag, 17. November: Der hessische Verfassungsschutz dementiert einen Bericht, ein 2006 suspendierter Mitarbeiter habe einen V-Mann beim rechtsextremen Thüringer Heimatschutz geführt. Der Verfassungsschützer war 2006 in einem Internetcafé in Kassel gewesen, kurz bevor dort die tödlichen Schüsse auf den türkischstämmigen Betreiber fielen.

    Freitag, 18. November: Die Terrorzelle ist möglicherweise größer als bisher bekannt. Ermittler haben zwei weitere Personen im Visier. Sie sollen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe unterstützt haben. Nach mehreren Ermittlungspannen in der Vergangenheit wollen Bund und Länder mit besseren Strukturen auf den über Jahre unentdeckten rechtsextremistischen Terror reagieren.

    Dienstag, 29. November: Fahnder nehmen den früheren NPD-Funktionär Ralf W. fest. Er soll ein weiterer mutmaßlicher Unterstützer der terroristischen Vereinigung «Nationalistischer Untergrund» (NSU) sein.

    Der Verdächtige Andre E. soll außerdem im Mai 2009 laut Bundesanwaltschaft den  NSU-Mitgliedern Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe ermöglicht  haben, auf ihn und seine Ehefrau ausgestellte Ermäßigungskarten der  Deutschen Bahn AG zu nutzen. Zu der 1998 untergetauchten Zwickauer  Terrorzelle gehörte neben Böhnhardt und Zschäpe auch der  Rechtsextremist Uwe Mundlos.

    Die Zelle soll für die bundesweite Mordserie an den neun  Migranten zwischen 2000 und 2006 verantwortlich sein und zudem 2007  die Polizistin in Heilbronn erschossen haben. Außerdem soll die  Gruppe 2001 und 2004 zwei Sprengstoffanschläge in Köln verübt  haben, bei denen insgesamt 23 Menschen verletzt wurden.

    Kannte die ermordete Polizistin die Täter?

    Unterdessen ist wieder unklar, ob die ermordete Polizistin Michèle Kiesewetter in einer direkten Beziehung zu dem Neonazi-Trio stand. Diesen Eindruck hatte der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, Anfang der Woche im Innenausschuss des Bundestags erweckt, als er von der Möglichkeit einer Beziehungstat sprach. Das BKA erklärte inzwischen jedoch, die aus Thüringen stammende und in Heilbronn erschossene Beamtin habe nicht gegenüber dem Vereinslokal gewohnt, das von der rechten Szene für Treffen genutzt wurde. Sie sei lediglich unweit davon zur Schule gegangen. "Der BKA-Präsident hat zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass die Polizeibeamtin in rechtsextremen Kreisen verkehrt hat oder der rechtsextremen Szene angehörte", teilte das BKA weiter mit.

    SPD-Politiker fordert Rücktritt von Innenminister Friedrich

    Angesichts der täglich neuen Enthüllungen sieht der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz den Bundesinnenminister überfordert. "Er ist dieser Herausforderung nicht gewachsen", sagte Wiefelspütz dem "Kölner Stadtanzeiger" (Donnerstag). Friedrich mache den Eindruck, als ob er unter Schockstarre stehe. "Der Mann ist an der falschen Stelle." Im fehle es "an der Fähigkeit, die richtigen Worte und die richtigen Gesten zu finden".

    Der FDP-Innenexperte Hartfrid Wolff wies die SPD-Kritik zurück. Die SPD versuche mit Nebelkerzen von der eigenen Verantwortung abzulenken, sagte er am Donnerstag in Berlin. Schließlich seien die Sozialdemokraten zum Zeitpunkt der rechtsextremen Mordserie im Bund Regierungspartei gewesen. Otto Schily war zu dem Zeitpunkt SPD-Bundesinnenminister.

    Die Festnahme von Andre E. könnte die Debatte um ein NPD-Verbot weiter befeuern. So soll dessen Zwillingsbruder Mitglied in der umstrittenen Partei sein. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warnte allerdings davor, allein auf ein NPD-Verbot zu setzen. Nötig sei ein umfassendes Paket im Kampf gegen rechten Terror. "Was wir erfahren haben in den letzten 20 Jahren ist, dass die braune Brut dort gedeiht, wo niemand dem Ausländerhass kompromisslos widerspricht", sagte er der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. "Wir müssen uns vor der Illusion schützen, ein Verbot allein sei die Lösung." afp/dpa/AZ

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