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Nachruf auf Vicco von Bülow: Das Lachen überließ Loriot höflich seinen Zuschauern

Nachruf auf Vicco von Bülow

Das Lachen überließ Loriot höflich seinen Zuschauern

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    ARCHIV - Vicco von Bülow alias Loriot isst in einer Szene Eis (Foto von 1974). Deutschlands berühmtester Humorist ist tot. Der Künstler, der mit bürgerlichem Namen Vicco von Bülow hieß, starb am Montagabend (22.08.2011) in Ammerland am Starnberger See an Altersschwäche, wie der Diogenes Verlag am Dienstag mitteilte. Loriot wurde 87 Jahre alt. dpa/lby (zu dpa 0484 vom 23.08.2011) +++(c) dpa - Bildfunk+++
    ARCHIV - Vicco von Bülow alias Loriot isst in einer Szene Eis (Foto von 1974). Deutschlands berühmtester Humorist ist tot. Der Künstler, der mit bürgerlichem Namen Vicco von Bülow hieß, starb am Montagabend (22.08.2011) in Ammerland am Starnberger See an Altersschwäche, wie der Diogenes Verlag am Dienstag mitteilte. Loriot wurde 87 Jahre alt. dpa/lby (zu dpa 0484 vom 23.08.2011) +++(c) dpa - Bildfunk+++ Foto: dpa

    Augsburg Jeder, der schon einmal einen Witz erzählt hat, weiß, dass das oberste Gebot dabei ist, ernst zu bleiben. Jede noch so gute Pointe verpufft, wenn der Erzähler zu früh loslacht. Wie kein anderer machte sich Loriot dieses Wissen um den Humor zu eigen. „Es wird in keinem meiner Filme irgendwo gelacht, nirgendwo. Lachen sollen die Zuschauer“, sagte er. Mit seinen Sketchen hat

    Loriot war ein Humorist alter Schule. Seinen Witz stellte er in den Dienst des Publikums. Im Gegensatz zu den Comedians der Gegenwart sah man ihn nie über sich lachen. Das überließ

    Sein Humor kam nicht mit der Brechstange daher

    Überhaupt trug die Zusammenarbeit mit Evelyn Hamann pralle Früchte bis hin zu den beiden Spielfilmen: die Mutter-Abnabelungs-Komödie „Ödipussi“ („Sag nicht immer Pussi zu mir!“) und die Rentner-Komödie „Pappa ante Portas“, in der Loriot als frischer Ruheständler seiner Frau beim Einkauf behilflich sein will und aus Kostengründen – noch ganz der Einkaufsdirektor der Deutschen Röhren AG – den Senf gleich palettenweise ordert.

    Loriots Humor kam nicht mit der Brechstange daher. Er war ein guter Beobachter bundesdeutscher Befindlichkeit und spießte das Spießige mit dem Florett auf. Er nutzte das Nachkriegsdeutschland mit seinen miefigen Interieurs, den dunklen Eichenholzverkleidungen und der grimmigen Lebenslust für seine humoristischen Volten. Und er schaffte es mit diesen Sketchen doch auch, zeitlos zu bleiben, weil er nicht nur dem Zeitgeist den Puls fühlte. „Ich zeige ja allzu menschliche Dinge, die wirklich jedem passieren und einen großen Wiedererkennungswert haben“, sagte er selbst über seine Art zu unterhalten.

    Unaufgeregt wirkte Loriot in seinen Sketchen. Das fällt einem vor allem heute auf, wo Witze den Zuschauern förmlich eingeprügelt werden. Und er konnte zwischen den Filmchen auf diesem Sofa im Maßanzug auch unglaublich seriös wirken. Ein geborener Schauspieler, der sich fürs Komische entschieden hat, und das in voller Konsequenz: „Das Komische ist man selber; man richtet sich auf sich selbst aus. Wer glaubt, Humor bestehe darin, sich über andere Leute lustig zu machen, hat den Humor nicht verstanden. Um komisch zu sein, muss man vor allem sich selbst zur Disposition stellen.“ Ihm gelang es sogar, sich neun Wochen lang an der Spitze der deutschen Hitparade zu halten. „Ich wünsch’ mir ne kleine Miezekatze“, sang er 1972 als Zeichentrickfigur Wum. Später bebilderte der Hund zusammen mit Wendelin im ZDF „Thööööölkes“ Großen Preis.

    Vicco von Bülow alias "Loriot"

    Bernhard Victor (Vicco) Christoph Carl von Bülow wurde am 12. November 1923 geboren.

    Der Künstlername "Loriot" geht auf das Wappentier der von Bülows zurück, einen Pirol, auf französisch "Loriot".

    Das Geheimnis seines Erfolges beschrieb der Humorist einmal ohne einen Anflug von Humor so: «Das Herstellen von Komik ist schwere Arbeit. Es ist Quälerei. Da kommt es auf Rhythmus und Genauigkeit an.»

    Berühmt geworden war er in den späten 1960er Jahren.

    1967 moderierte er zum ersten Mal die Sendung «Cartoon» für die ARD. In den 70er Jahren folgte die Serie «Loriots sauberer Bildschirm» mit Cartoons und Sketchen an der Seite von Evelyn Hamann.

    Einige von Loriots Sketchen sind legendär: Die berühmteste Szene mit Loriot und Evelyn Hamann war der«Nudel-Sketch» im Restaurant: Als Fräulein Hildegard starrte Hamann gebannt und mit todernster Miene auf das Stück Pasta, das hartnäckig im Gesicht ihres Gegenübers klebte. Doch der achtete nicht auf ihreHinweise und suchte stattdessen das intensive Gespräch mit ihr: «Bitte sagen Sie jetzt nichts, Hildegard».

    Jedes Jahr zu Weihnachten wieder wird der Sketch einer Bescherung bei Familie Hoppenstedt im Fernsehen ausgestrahlt. Der Sohn bekommt ein Papp-Kraftwerk, die Mutter (Evelyn Hamann) eine Trockenhaube und Opa (Loriot) ist dauernd am motzen: "Früher war mehr Lametta". Dazu ertönt durchdringende Marschmusik.

    Unvergessen sind auch die beiden "Herren im Bad" ("Die Ente bleibt draußen!"), das "Jodeldiplom" oder das lakonische "Ach was!".

    Doch schon vor seinem 85. Geburtstag hatte sich "Loriot" vom Fernsehen verabschiedet. 2006 befand er: Für seine Komik sei dort kein Platz mehr.

    Zu kurzatmig sei das Fernsehen geworden: «Bei einer solchen Schlagzahl kann man einfach keine komische Qualität erreichen.»

    Von Bülow war jedoch nicht nur Schauspieler, sondern auch Karikaturist, Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner.

    Vicco von Bülow lebte am Starnberger See. Er war verheiratet, hatte zwei Töchter und zwei Enkelkinder.

    Loriot verstand es meisterhaft, Dialoge zu schreiben, in denen Irrtümer und Missverständnisse für skurrile Wendungen sorgten. Alltägliche Situationen endeten bei ihm in der Groteske, sodass der Zuschauer am Schluss nicht nur über den Sketch lachte, sondern gleichzeitig auch über sich. Das hatte etwas Reinigendes, etwas Kathartisches, wie es in der antiken Tragödienlehre heißt. Allerdings wurmte es Loriot, dass die schwere Kost im Vergleich zur leichten so viel höher im Ansehen der Deutschen stand. „Der Tragöde ist ganz oben“, sagte er einmal.

    Wie vielseitig Vicco von Bülow war, zeigten auch seine Ausflüge ins seriöse Opernfach. 1986 brachte er in Stuttgart seine Version von Flotows komischer Oper „Martha“ ins Theater, wobei er nicht nur für die Inszenierung, sondern auch für die Kostüme und die Bühne verantwortlich war. Das künstlerische Multitalent inszenierte zwei Jahre später für die Ludwigsburger Schlossfestspiele Webers „Der Freischütz“.

    Dieses musikalische Interesse kann auch familiengeschichtlich begründet werden. Loriot war ein entfernter Verwandter von Hans von Bülow. Dieser war der erste Ehemann von Cosima Liszt, die später die zweite Frau von Richard Wagner wurde und dessen Erbe verwaltete.

    Die beispiellose Karriere von Vicco von Bülow verlief allerdings alles andere als geradlinig. Eher diktierte der Zufall anfangs die Umstände. Geboren wurde er 1923 in Brandenburg an der Havel. Er stammte aus einer preußischen Adelsfamilie. Der Vater zog mit der Familie 1938 aber nach Stuttgart, wo Vicco von Bülow drei Jahre später sein Notabitur machte. In dieser Zeit schon zeigte sich bei ihm ein Faible für die Kunst, als Statist lernte er die Oper und das Schauspiel von innen kennen. Aber er folgte erst einmal der Familientradition, entschied sich für eine Offizierslaufbahn und war drei Jahre lang an der Ostfront im Einsatz.

    In den ersten Jahren war er hauptsächlich Zeichner

    Sein Vater riet ihm nach dem Krieg, Malerei und Grafik zu studieren. Nach dem Studium in Hamburg erfand er seine Knollennasenmännchen, die er als Cartoonist schließlich auch bei der Zeitschrift Stern unterbrachte. Seitdem nannte sich Vicco von Bülow Loriot – die französische Bezeichnung für das Wappentier seiner Familie, den Pirol. Zwei kleinere Filmrollen – 1959 in Bernhard Wickis „Die Brücke“, 1962 in Andrew Martons „Der längste Tag“ – änderten erst einmal nichts daran, dass Loriot hauptsächlich Zeichner war. Zum Fernsehen kam er erst in den späten 1960er Jahren.

    Gerade dort entfaltete er eine ungemeine Breitenwirkung, die sich gestern auch darin zeigte, wie viele Menschen sich von seinem Tod betroffen zeigten. Von Bundespräsident Christian Wulff („Wir haben durch Loriot lachen gelernt“) über den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer („Genaue Beobachtung seiner Mitmenschen und Situationen, Sprachwitz und pointensichere Inszenierung, Gespür für Situationskomik mit Niveau, all dies zeichnete das Multitalent Loriot aus“) bis hin zu Comedian Mario Barth, der sagte: „Er war in meinen Augen schon zu Lebzeiten eine Legende.“ Das war er mit Sicherheit.

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