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Nachruf: Maximilian Schell: Ein Träumer auf der Suche

Nachruf

Maximilian Schell: Ein Träumer auf der Suche

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    Die amerikanische Schauspielerin Joan Crawford überreicht im April 1962 den Oscar für den besten Darsteller an Maximilian Schell.
    Die amerikanische Schauspielerin Joan Crawford überreicht im April 1962 den Oscar für den besten Darsteller an Maximilian Schell. Foto: Upi

    The show must go on – nur kurz schien am Samstagabend die Live-Sendung „Goldene Kamera“ den Atem anzuhalten, als Hape Kerkeling in seine launige Moderation bei der Auszeichnung der Besten 2013 die „traurige Nachricht“ einschob: „Heute Morgen ist einer unserer größten Schauspieler gestorben, Maximilian Schell.“ Nach einem Moment des Gedenkens wurde die Gala fortgesetzt. Maximilian Schell, der in der Nacht zum Samstag 83-jährig nach einer Rückenoperation überraschend im Innsbrucker Klinikum starb, hätte womöglich in fatalistischer Gelassenheit sein O.k. gegeben. Oder nicht ...?

    Der Schauspieler, der mit seiner Oscar-gekrönten Rolle in „Das Urteil von Nürnberg“ 1962 zu Weltruhm gekommen war, hielt das Bild, das die Welt, Kollegen, Bewunderer und Freunde sich von ihm machten, immer in der Schwebe. Er verstand es wie kein anderer deutschsprachiger internationaler Star, eine elegante, eine – das abgenutzte Wort hätte man für ihn erfinden müssen – „coole“ Oberfläche seiner Images zu polieren, gleichzeitig aber brodelnde Tiefen ahnen zu lassen.

    Maximilian Schell: In Wien geboren, Abitur in der Schweiz

    Das hat eine biografische Vorgeschichte, die aber nicht alles erklärt. Der Sohn des Schweizer Schriftstellers Hermann Ferdinand Schell und der österreichischen Schauspielerin Noé von Nordberg kam 1930 in Wien zur Welt; nach dem „Anschluss“ Österreichs an Hitlers NS-Deutschland siedelte die Familie in die Schweiz über. Dort machte er Abitur, errang erste schauspielerische Meriten, debütierte mit 23 Jahren am Theater in Basel, studierte Schauspielerei, Kunstgeschichte, Germanistik.

    Er durchlief zielstrebig Theaterbühnen in Essen, Lübeck, München, Berlin, hatte die geradezu unverfrorene Unbesorgtheit, nach London zu gehen, am Royal Court Theatre den Oberst Redl in Osbornes „A Patriot for Me“ zu spielen. Da war der Schritt, sein Glück in New York, dann in Hollywood zu suchen, nicht mehr weit.

    Kann man das mit verbissenem Ehrgeiz erzwingen? Maximilian Schell schien es einfach geschehen zu lassen. Als seine Autobiografie „Ich fliege über dunkle Täler“ 2012 herauskam, betonte er mit ungerührtem Gleichmut in einem Interview, dass ihm wichtig war, „Geld zu verdienen“.

    Oscar für Rolle im "Urteil von Nürnberg"

    Dieser blendend aussehende junge Mann mit den tief schimmernden dunklen Augen, der mit seinem österreichisch-schweizerisch leicht gefärbt-rollenden Englisch eine unbelastete Figur des deutschen Kulturraums nach dem Krieg darstellte, profitierte von dieser Unabhängigkeit. So konnte er im „Urteil von Nürnberg“, im Kreis der Weltstars Spencer Tracy, Marlene Dietrich, Montgomery Clift, mit vehementer emotionaler Tiefenschärfe den Verteidiger eines angeklagten NS-Schergen voll ausspielen – dieser Oscar in einer derartigen Hauptrolle, einer der wenigen deutschsprachigen Hollywood-Triumphe, ist immer noch ein Phänomen. Schell war damit 1962 auch der erste deutschsprachige Schauspieler nach dem Zweiten Weltkrieg, dem diese Ehre zuteilwurde.

    Seine grenzüberschreitende Schweizer-österreichisch-deutsche Herkunft verinnerlichte Schell in allen Lebensbereichen. Er genoss mehr seine äußere „Heimatlosigkeit“, als dass er unter ihr litt. Sie war seinem latent brodelnden künstlerischen Potenzial angemessen. Er ahnte wohl immer gern, dass man seine in vielen Facetten schimmernde Aura, seine imponierende Erscheinung mit charismatischem Bart und weißem Schal, bewunderte. Er konnte es sich leisten, nach seiner Lebensbilanz gefragt, zu sagen, „Ich bin ja nichts geworden“ – er, der alles erreicht hat!

    Bewegendes Porträt seiner demenzkranken Schwester

    Internationale Schauspielerfolge? Er sah sich als Universalist, als Romantiker und Träumer. So erkannte ihn auch Marlene Dietrich, der er 1984 eine hinreißend präzise Dokumentation widmete. Und das bewegende Porträt seiner an Demenz erkrankten Schwester Maria Schell, die selbst ein Star war, gehört zu den „uncoolsten“ Schöpfungen des Phänomens Maximilian Schell. Er drehte es 2002 drei Jahre vor ihrem Tod auf der verschneiten Kärntner Alm, seit 200 Jahren im Familienbesitz.

    Dort sah man ihn zuletzt öfter in Filmreportagen – als eine im Schneegewimmel der von ihm so geschätzten Einsamkeit verschwimmende Figur. „Die Alm ist einer meiner Ankerpunkte“, hat Schell einmal gesagt. Hier hat er seine Kindheit verbracht, hier hat er in den Jahren vor ihrem Tod seine ältere Schwester Maria gepflegt.

    Furore machte Schell auch mit seinem Privatleben. So fand eine drei Jahre dauernde Liaison mit Soraya, der Gattin des letzten Schahs von Persien, große mediale Aufmerksamkeit. 1986 heiratete er die russische Schauspielerin Natalja Andreitschenko. Vier Jahre später wurde ihre gemeinsame Tochter Nastassja Schell geboren. 2013 dann, am 20. August, heiratete er noch einmal: die 47 Jahre jüngere Iva Mihanovic – eine Opernsängerin aus Neu-Ulm.

    Maximilian Schell: Hitchcock als Vorbild

    Glänzende Erscheinung, brodelnde Tiefe – die Spannweite seiner Schauspielstationen ist weit: Gustaf Gründgens holte ihn 1959 als Hamlet ans Hamburger Deutsche Theater; 1978 bis 1982 war er Salzburger Jedermann; er tauchte aber seit 1961 ebenso in Hollywood-Produktionen auf mit Kollegen wie Marlon Brando, dem vom ihm vergötterten kongenialen Montgomery Clift, Judy Garland, Peter Ustinov. Er drehte als Regisseur Filme in Europa, in Deutschland. Als Regisseur! Maximilian Schell.

    Der sagte: „Ich hätte gern noch viel mehr gedreht. Wen ich da am meisten bewundere, das ist Hitchcock. Der hat immer Geldgeber gefunden.“

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