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Nach dem Erdbeben in der Türkei: Hoffen und Warten vor den Trümmerhaufen

Nach dem Erdbeben in der Türkei

Hoffen und Warten vor den Trümmerhaufen

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    Nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei werden noch immer Menschen in den Trümmern vermutet. Bewohnern der zerstörten Stadt Ercis steht das Entsetzen ins Gesicht geschrieben.
    Nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei werden noch immer Menschen in den Trümmern vermutet. Bewohnern der zerstörten Stadt Ercis steht das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Foto: dpa

    Mehr als acht Stunden lang lag der neunjährige Oguz Isler unter den Trümmern des Wohnhauses, eingeklemmt unter einer Tür, bewegungsunfähig. Dann wurde der Junge endlich entdeckt und nach weiteren bangen Stunden gerettet. Doch am Dienstagmorgen ist er wieder da, vor dem Trümmerhaufen, dem er entronnen ist. In der Morgenkälte steht Oguz da und hofft und wartet, etwas über seine Eltern und die anderen Familienangehörigen zu erfahren, die immer noch darunter liegen.

    Mindestens 366 Tote und 1300 Verletzte

    Tausende Menschen im Osten der Türkei verbrachten nach dem schweren Erdbeben mit mindestens 366 Toten und 1300 Verletzten bereits die zweite Nacht bei Temperaturen nahe am Gefrierpunkt im Freien, in Autos und Zelten. Sie trauen sich nicht nach Hause, andauernd gibt es Nachbeben. Auf der Suche nach Überlebenden arbeiteten sich Rettungsmannschaften in den Städten Ercis und Van weiter durch die Trümmer vor. Fünf Menschen konnten am Dienstagmorgen lebend aus dem Schutt gerettet werden, wie die Nachrichtenagentur Dogan berichtet. Doch noch mehr wurden nur noch tot geborgen. Am schwersten betroffen ist Ercis, die Stadt mit 75.000 Einwohnern nahe der Grenze zum Iran. Hier stürzten rund 80 Gebäude in sich zusammen.

    Still wartet Oguz mit Verwandten vor dem Trümmerberg, der einmal ein fünfstöckiges Wohnhaus war. Hier war seine Tante zuhause. Türkische Rettungstrupps in grell orangefarbenen Anzügen und Helfer der aserbaidschanischen Streitkräfte in Tarnanzügen wühlen sich mit Baggern, Pickeln und Schaufeln durch den Schutt. Sie suchen nach Oguz' Mutter, nach seinem Vater, nach den anderen Familienmitgliedern, die noch da drinnen sind. Der Junge schaut zu. "Die sollten mehr Leute hierher schicken", sagt er.

    Immer, wenn sich eine neue Lücke auftut, schnüffeln Suchhunde nach möglicherweise Überlebenden. Die Hunde zeigten drei oder vier Menschen an dieser Stelle unter den Trümmern an, erklärt der Sanitäter Mehmet Ali Hekimoglu. Doch ob die noch am Leben sind, weiß niemand.

    Die zehn stärksten Erdbeben der Geschichte

    Das Erdbeben von Valdivia in Chile vom 22. Mai 1960 forderte 1655 Tote und erreichte eine Stärke von 9,5. Damit gilt es als das heftigste Beben aller Zeiten.

    Am 27. März 1964 kam es in Alaska zum sogenannten Karfreitagsbeben. Die ausgelöste Tsunamiwelle soll eine Höhe von 67 Metern erreicht haben.

    Noch im Gedächtnis aller: Der Tsunami im Indischen Ozean, ausgelöst durch einen Erdstoß der Stärke 9,1 am 26. Dezember 2004. 230.00 Menschen kamen ums Leben, 1,7 Millionen Küstenbewohner wurden obdachlos.

    Die Katastrophe von Japan vom 11. März 2011 hat Auswirkungen bis heute. Mehr als 12.000 Menschen werden noch immer vermisst, um die 13.000 Tote sind zu beklagen und das leckgeschlagene Atomkraftwerk von Fukushima dürfte die Menschheit noch Jahrhunderte beschäftigen. Seismologen haben die Stärke mit 9,0 bestimmt.

    Mit ebenfalls 9,0 auf der Momenten Magnitude rangiert das Erdbeben von Kamtschatka in Russland aus dem Jahr 1952 am 4. November auf Platz 5.

    In Maule in Chile wackelte die Erde am 27. Februar 2010 mit 8,8 auf der Momenten-Magnitude. 342 Menschen starben.

    Das siebtstärkste gemessene Erdbeben der Geschichte fand am 31. Januar 1906 in Ecuador statt. Die Stärke lag bei 8,8.

    Die Naturkatastrophe auf den Rat Islands von Alaska am 4. Februar 1965 hatte eine Stärke von 8,7. Platz 8.

    Am 28. März 2005 haben Seismologen beim Beben von Sumatra 8,6 gemessen. Es gab mehr als 1000 Tote.

    Platz 10 belegt der Erdstoß im Grenzgebiet zwischen China und Indien aus dem Jahr 1950. Am 15. August wurde eine Stärke auf der Momenten Magnitude von 8,6 gemessen.

    Als die Erde bebte und sie aus dem Haus zu flüchten versuchten, schafften es Oguz, seine 16-jährige Schwester Ela und die zwölf Jahre alte Cousine Irem gerade bis ins Treppenhaus im dritten Stock. Eine Metalltür fiel über den Jungen. "Ich bin hingefallen, mit dem Gesicht auf den Boden. Als ich den Kopf bewegen wollte, stieß ich gegen die Tür", schildert er das Schreckliche. "Ich versuchte rauszukommen und schaffte es, mit den Fäusten ein Loch in die Wand zu hauen. Aber ich konnte meinen Körper nicht vom Fleck bewegen. Die Wand ist ganz leicht zerbröckelt, als ich dagegen geschlagen habe."

    "Wir haben dann gerufen: 'Hilfe! Hier sind wir!'" erzählt Oguz. "Nach ein paar Stunden haben sie uns dann gefunden, nach vielleicht achteinhalb Stunden haben sie mich rausgeholt. Ich war in Ordnung, aber ich fühlte mich ganz schlecht, ganz allein." Inzwischen hat sich der Junge wieder ein bisschen gefangen; auch Schwester Ela und Cousine Irem wurden gerettet. "Ich habe immer noch Kopfweh", sagt Oguz, "aber der Arzt sagt, es geht mir gut."dapd/AZ

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