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Nach Amnestie: Pussy Riot-Musikerin: "Russland ist ein einziges Straflager"

Nach Amnestie

Pussy Riot-Musikerin: "Russland ist ein einziges Straflager"

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    Maria Aljochina von der Punkband Pussy Riot ist in Freiheit.
    Maria Aljochina von der Punkband Pussy Riot ist in Freiheit. Foto: Maxim Shipenkov/Archiv (dpa)

    Nach fast zwei Jahren hinter Gittern sind die Musikerinnen der russischen Punkband Pussy Riot wieder frei. Drei Tage nach der überraschenden Begnadigung von Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski konnten Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina am Montag das Gefängnis verlassen.

    Regierungskritikerinnen von Pussy Riot geben sich kämpferisch

    Die Regierungskritikerinnen zeigten sich nach ihrer Freilassung kämpferisch: Alechina bezeichnete das Amnestiegesetz, von dem die beiden Frauen profitierten, als "PR-Trick", Tolokonnikowa bezeichnete Russland als ein einziges "Straflager". Aljochina und Tolokonnikowa waren nach einer Protestaktion gegen den heutigen russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale im Februar 2012 zusammen mit ihrer Bandkollegin Jekaterina Samuzewitsch festgenommen und wegen "Rowdytums" zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Samuzewitsch kam später auf Bewährung frei. Das harte Vorgehen gegen die Musikerinnen war international als politisch motiviert kritisiert worden. Prominente wie Madonna, Yoko Ono und Aung San Suu Kyi setzten sich für ihre Freilassung ein.

    Aljochina bezeichnet Begnadigung als PR-Trick

    Pussy Riot - Chronologie der Ereignisse

    21. Februar 2012: Fünf vermummte Mitglieder der Band Pussy Riot stimmen in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale ein «Punk-Gebet» an und flehen die Jungfrau Maria an, den damaligen Ministerpräsidenten Wladimir Putin zu verjagen. Sie werden von Sicherheitskräften abgeführt.

    5. März 2012: Ein Gericht ordnet Untersuchungshaft für Maria Alechina und Nadeschda Tolokonnikowa an, wenig später wird ihre Bandkollegin Jekaterina Samuzewitsch festgenommen.

    22. April 2012: Der Moskauer Patriarch Kirill hält vor der Kathedrale einen Gottesdienst mit tausenden Gläubigen. Er beschuldigt Pussy Riot, die Reliquien in der Kirche entweiht zu haben.

    20. Juli 2012: Beginn des Prozesses gegen die drei inhaftierten Bandmitglieder wegen «Rowdytums» und «Aufrufs zum religiösen Hass». Ihnen drohen bis zu sieben Jahre Haft in einem Straflager.

    7. August 2012: US-Popstar Madonna fordert während eines Konzerts in Moskau die Freilassung der Pussy-Riot-Musikerinnen. Internationale Stars wie Sting und Paul McCartney schließen sich dem Aufruf an.

    17. August 2012: Die drei angeklagten Musikerinnen werden zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt. Der Schuldspruch wird weltweit von Protesten begleitet.

    10. Oktober 2012: Im Berufungsverfahren wird die Haftstrafe gegen Alechina und Tolokonnikowa bestätigt. Samuzewitschs Strafe wird in eine Bewährungsstrafe umgewandelt, sie kommt auf freien Fuß.

    24. Oktober 2012: Die beiden inhaftierten Pussy-Riot-Mitglieder werden in Straflager gebracht. Tolokonnikowa wird in die Region Mordowien etwa 500 Kilometer östlich von Moskau verlegt, Alechina wird in die Region Perm im Ural überführt.

    16. November 2012: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellt während der deutsch-russischen Regierungskonsultationen in Moskau die Härte des Urteils gegen die jungen Musikerinnen in Frage. Putin weist dies zurück und wirft einer der Sängerinnen antisemitische Tendenzen vor.

    21. Februar 2013: Am Jahrestag des «Punk-Gebets» werden zwei mit Strumpfmasken maskierte Frauen festgenommen, die in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale an die Protestaktion erinnern wollen.

    20. März 2013: Ein Gericht in Moskau lehnt die zweite Berufung der beiden Inhaftierten ab.

    22. Mai 2013: Alechina tritt für elf Tage in einen Hungerstreik.

    22. Juli 2013: Mehr als 100 Musiker, unter ihnen Madonna, Adele, Elton John und Bryan Adams, fordern die Freilassung der Aktivistinnen.

    24./26. Juli 2013: Alechina und Tolokonnikowa scheitern auch in zweiter Instanz mit ihrem Antrag auf vorzeitige Haftentlassung.

    23. September 2013: Tolokonnikowa verweigert aus Protest gegen die Haftbedingungen in ihrem Straflager die Nahrungsaufnahme. Nach acht Tagen beendet sie ihren Hungerstreik. Später wird sie in ein Lager nach Sibirien verlegt.

    12 . Dezember 2013: Der Oberste Gerichtshof ordnet die Überprüfung der Urteile gegen die Musikerinnen der Punkband an.

    18. Dezember 2013: Die russische Duma verabschiedet ein vom Kreml eingebrachtes Amnestiegesetz für Häftlinge, die zu weniger als fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Erwähnt werden in dem Gesetzestext insbesondere Frauen mit Kindern, Minderjährige und Ältere sowie der Tatbestand des «Rowdytums». Alechina und Tolkonnikowa haben beide ein kleines Kind.

    23. Dezember 2013: Tolokonnikowa und Alechina werden aus der Haft entlassen.

    18. Februar 2014: Die Sängerinnen Tolokonnikowa und Alechina werden am Rande der Olympischen Winterspiele in Sotschi festgenommen. Sie sollen angeblich in einem Hotel geklaut haben.

    Hellwach und kämpferisch verlässt die kremlkritische Aktivistin Maria Aljochina das Straflager. Sie werde sich weiter engagieren in Russland, sagt die 25-Jährige, als sie am Montag in Nischny Nowgorod an der Wolga aus der Haft kommt. Als Erstes traf sie sich mit Menschenrechtlern vom "Komitee gegen Folter". Künftig will sich Aljochina für bessere Haftbedingungen in ihrer Heimat einsetzen. Außerdem bezeichnete sie ihre Begnadigung als "PR-Trick".

    Aljochina würde ihr umstrittenes Punk-Gebet gegen Putin wiederholen

    Lieber hätte sie ihre Haft bis Anfang März abgesessen, sagt die 25-Jährige noch einmal, statt nun im Zuge der Amnestie von Kremlchef Wladimir Putin vorzeitig auf freien Fuß zu kommen. Ihr umstrittenes Punk-Gebet gegen Putin und seine "unheilige Allianz" mit der Kirche würde sie auch wiederholen und dann bis zum Ende singen, meint sie kess.

    "Aljochina ist natürlich sehr cool und geschäftig im guten Sinne des Wortes", schreibt der Moskauer Oppositionsführer Alexej Nawalny bei Twitter. Die begeisterte Dichterin, die eigentlich Journalistin werden wollte, war über ihr Engagement im Umweltschutz zur Putin-Gegnerin geworden. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte sie als politische Gefangene anerkannt.

    Nun will Aljochina, die am 6. Juni 1988 geboren wurde, auch bald wieder zu ihrem Sohn Filipp (6) zurückkehren, der bei den Großeltern auf seine Mutter wartet. Über ihre Mitarbeit bei Pussy Riot sagt sie: "Wir haben unterschiedliche Ansichten, aber in einer Sache sind wir uns einig: Wir lehnen Autoritarismus und die Herrschaft von Wladimir Putin ab."

    Pussy Riot fordern Änderungen am Strafvollzugssystem

    Um das Land von innen heraus zu verändern, müsse auch das Strafvollzugssytem geändert werden. Beide Frauen kündigten an, sich künftig vor allem für die Rechte von Gefangenen einsetzen zu wollen. "Das Härteste im Gefängnis war zu sehen, wie die Menschen einfach aufgeben", sagte Alechina. Tolokonnikowa sagte, die Zeit im Straflager sei für sie keine "verlorene Zeit" gewesen. Sie habe den russischen Strafvollzug, den sie als "totalitäre Maschine" bezeichnete, von Innen gesehen und sei durch diese Erfahrung "gewachsen". AFP/AZ

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