Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

München: Häme und Spott für Bettina Wulff und ihr Buch

München

Häme und Spott für Bettina Wulff und ihr Buch

    • |
    Bettina Wulff stößt mit ihrem Buch nicht unbedingt auf ein positives Echo.
    Bettina Wulff stößt mit ihrem Buch nicht unbedingt auf ein positives Echo. Foto: dpa

    Eigentlich wollte Bettina Wulff mit ihrem Buch "Jenseits des Protokolls" ihren Ruf wiederherstellen. Doch der Schuss scheint nach hinten los zu gehen - zumindest beim Internet-Anbieter Amazon. Dort hat

    Beleidigende Tags für Bettina Wulfffs Buch

    Das ist ja noch nichts besonderes, der Tonfall aber ist bemerkenswert harsch. Die Tags genannten Schlagwörter, die Nutzer laut Internetseite mit dem Buch verbanden, waren allesamt negativ bis beleidigend. Unter den Begriffen fanden sich "schamlos", "Geltungssucht", "niveaulos" und Bemerkungen wie "Wer kauft den Mist?".

    Manches wurde gelöscht

    Üble Beschimpfungen, die auch schon den Weg in die Tag-Liste gefunden hatten, wurden von Amazon, wo Wulffs Biografie am Mittwoch auf Platz neun der Buchcharts rangierte, gelöscht. "Wir haben Regeln für die Tag-Nutzung, die beinhalten, dass keine ordinären oder obszönen Ausdrücke, aufhetzende oder böswillige Tags verwendet werden", erklärte eine Amazon-Sprecherin.

    Das ist Bettina Wulff

    Bettina Wulff war die jüngste "First Lady". Mit 36 Jahren zog sie ins Schloss Bellevue.

    Bettina Wulff war einst Pressereferentin bei Continental in Hannover.

    Pfingsten 2006 traf sie erstmals mit Christian Wulff zusammen – es sollte Liebe werden.

    Wenig später gab Christian Wulff bekannt, dass er sich von seiner Frau Christiane nach 18 Ehejahren getrennt hatte.

    Während der Amtszeit ihres Mannes als Bundespräsident zog Bettina Wulff die Fotografen an wie Motten das Licht.

    In geschmackvollen Roben brachte sie bei offiziellen Anlässen mit ihrer unkonventionellen Art frischen Glanz in die oft etwas angestaubten Empfänge.

    Die gebürtige Hannoveranerin umgab ihren Ehemann mit Glamour, den dieser so dringend benötigte.

    Sodass auch frühe Kritiker Wulffs einräumen mussten, Wulff und seine Frau seien ein Paar, das Deutschland würdig in der Welt vertrat.

    Doch dann kam die Kreditaffäre Wulffs.

    Ehefrau Bettina Wulff stärkte ihrem Mann immer den Rücken. Bei seinem Rücktritt zeigte sie sich selbstbewusst und stark.

    Doch im Hintergrund setzten Bettina Wulff die Gerüchte um ihre eigene Person zu.

    Bettina Wulff ist mit ihrem Buch «Jenseits des Protokolls» im September 2012 an die Öffentlichkeit gegangen.

    Anfang 2013 wurde offiziell bekannt: Bettina und Christian Wulff haben sich getrennt.

    Der Kommunikationswissenschaftler Christoph Neuberger von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München hat für die Wucht der Ablehnung, die Bettina Wulff nun im Netz entgegenschlägt, folgenden Erklärungsversuch:  "Die Inszenierung des Ganzen ist schon etwas befremdlich", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. "Ich denke nicht, dass man ihr nicht glaubt, aber es wirkt alles sehr durchchoreografiert."

    Suchbegriffe wie "Rotlichtvergangenheit" oder "Escort"

    Unmittelbar vor der Veröffentlichung ihres Buches hatte die Frau des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff Klagen gegen Fernsehmoderator Günther Jauch und den Google-Konzern eingereicht. Mit der Klage gegen Google soll verhindert werden, dass bei Eingabe ihres Namens automatisch Suchbegriffe wie "Rotlichtvergangenheit" oder "Escort" auftauchten. Auch mit dem Buch wollte die 38-Jährige Verleumdungen über eine Vergangenheit im Rotlicht-Milieu entgegentreten.

    Möglicherweise komme das Buch auch einfach zu früh, sagt Neuberger. Schließlich seien die Wulff-Affäre und der unrühmliche Abgang des Präsidenten den meisten noch sehr deutlich im Gedächtnis. Vorwürfe gegen ihn würden immer noch geprüft. "Und dann kommt da nun der Versuch, das Bild in ein günstigeres Licht zu stellen und vielleicht auch Mitleid zu gewinnen."

    Parallelen zum Fall Guttenberg

    Neuberger sieht Parallelen zu Karl-Theodor von Guttenberg. Der Ex-Verteidigungsminister, der einst über abgeschriebene Passagen in seiner Doktorarbeit stürzte, meldete sich auch bereits kurz nach dem Skandal mit einem Interview-Buch zurück auf dem politischen Parkett. "Das ist taktisch nicht so richtig klug. Ich glaube, dass da noch mehr Gras drüberwachsen muss."

    Chronologie der Affäre Wulff

    25. Oktober 2008: Christian Wulff, damals Ministerpräsident von Niedersachsen, bekommt von der Unternehmergattin Edith Geerkens einen Privatkredit über 500.000 Euro zum Kauf eines Hauses.

    18. Februar 2010: Wulff antwortet auf eine mündliche Anfrage im niedersächsischen Landtag, dass es zwischen ihm und dem Unternehmer Egon Geerkens in den vergangenen zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben habe.

    12. Dezember 2011: Wulff versucht, Bild-Chefredakteur Kai Diekmann zu erreichen, um einen Bericht zur Finanzierung seines Privathauses zu verhindern oder zu verschieben. Auf der Mailbox droht er "Krieg" mit Springer an, falls die Geschichte erscheint.

    13. Dezember: Die "Bild"-Zeitung berichtet erstmals über Wulffs Hauskauf-Finanzierung.

    14. Dezember 2011: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht Wulff ihr Vertrauen aus.

    15. Dezember 2011: Der Bundespräsident bricht sein Schweigen: "Ich erkenne an, dass hier ein falscher Eindruck entstehen konnte. Ich bedauere das", heißt es in einer Mitteilung. In der Sache habe er nichts zu verbergen.

    19. Dezember 2011: Wulffs Anwalt legt Unterlagen zum Kredit und eine Liste mit Urlauben vor, die sein Mandant als Regierungschef bei befreundeten Unternehmern verbracht hat. Zudem wird bekannt, dass der Unternehmer Carsten Maschmeyer 2007 im niedersächsischen Landtagswahlkampf eine Anzeigenkampagne für ein Interview-Buch mit Wulff bezahlt hat.

    20. Dezember 2011: Wulffs Anwalt betont, sein Mandant habe von den Zahlungen nichts gewusst.

    22. Dezember: Der Bundespräsident entschuldigt sich öffentlich für die entstandenen Irritationen. Zugleich entlässt er seinen Sprecher Olaf Glaeseker.

    2. Januar 2012: Bei der Staatsanwaltschaft in Hannover gehen elf weitere Strafanzeigen gegen Wulff ein. Die Zahl der Strafanzeigen gegen Wulff liegt nun bei insgesamt 20.

    4. Januar 2012: Wulff gibt ARD und ZDF ein Interview, in dem er den Anruf bei Diekmann als «schweren Fehler» bezeichnet und volle Transparenz bei allen Fragen ankündigt. Am Folgetag veröffentlicht sein Anwalt aber nur eine zusammenfassende Stellungnahme.

    19. Januar 2012: Wegen Korruptionsverdachts lässt die Staatsanwaltschaft Haus und Büros von Wulffs entlassenem Sprecher Olaf Glaeseker durchsuchen. Die Fahnder verschaffen sich auch Zugang zu Räumlichkeiten des Eventmanagers Manfred Schmidt, der zu Wulffs Zeit in Niedersachsen enge Kontakte zur Staatskanzlei in Hannover gehabt haben soll.

    16. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Immunität des Bundespräsidenten aufzuheben, um gegen ihn ermitteln zu können.

    17. Februar 2012: Christian Wulff tritt zurück.

    18. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft nimmt die Ermittlungen gegen Wulff wegen des Verdachts der Vorteilsnahme, bzw. Vorteilsgewährung auf.

    29. Februar 2012: Das Bundespräsidialamt teilt mit, dass Christian Wulff den Ehrensold bekomme - jährlich rund 200.000 Euro bis an sein Lebensende.

    9. März 2012: Wulff wird mit dem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr in Berlin verabschiedet. Die Feier wird von Protest begleitet.

    9. Oktober 2012: Die Flitterwochen des damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff und dessen Frau Bettina im italienischen Haus eines Versicherungsmanagers rechtfertigen keine Ermittlungen wegen Vorteilsnahme im Amt. Das teilt die Staatsanwaltschaft Hannover mit.

    9. April 2013: Wulff lehnt ein Angebot der Staatsanwaltschaft ab, die Korruptionsermittlungen gegen Zahlung von 20 000 Euro einzustellen.

    12. April 2013: Die Staatsanwaltschaft Hannover erhebt gegen Wulff Anklage. Auch der Filmmanager David Groenewold wird angeklagt.

    14. November 2013: Der Prozess gegen Wulff wegen Vorteilsnahme beginnt. Es geht um rund 700 Euro, die Groenewold für Wulff gezahlt haben soll - angeblich, damit dieser sich im Gegenzug für ein Filmprojekt Groenewolds engagiert.

    9. Dezember: Der Prozess gegen Wulffs ehemaligen Pressesprecher, Olaf Glaeseker, beginnt ebenfalls in Hannover. Glaeseker geht auf Distanz zu seinem ehemaligen Chef.

    19. Dezember: Der Richter Frank Rosenow regt an, den Wulff-Prozess im Januar einzustellen. Der Grund: Mangelnde strafrechtliche Relevanz der Vorwürfe. Wulff selbst ist aber gegen die Einstellung des Verfahrens.

    27. Februar 2014: Christian Wulff wird in seinem Korruptionsprozess freigesprochen und damit vom Vorwurf der Vorteilsannahme entlastet. (dpa)

    Der Riva Verlag in München, der Wulffs Buch auf den Markt gebracht hat, zeigte sich vom Tonfall der Kritik überrascht. "So in dem Ausmaß hat es das noch nie gegeben", sagte eine Verlagssprecherin. "In dem Maße war das nicht abzusehen." Allerdings seien Shitstorms im Internet ja nichts Ungewöhnliches. "Das Internet ist ja dazu da, dass die Leute ihre Meinung sagen." Pläne, gegen die Kommentare vorzugehen, gebe es nicht.

    Ob der ganze Rummel um das Buch der ehemaligen First Lady auch den Verkauf ankurbeln wird, lässt sich bislang noch nicht absehen, erste Zahlen sollen nach Angaben des Riva-Verlages frühestens in der kommenden Woche vorliegen. Die Buchhandels-Kette Hugendubel, die "Jenseits des Protokolls" schon am Wochenende in den Verkauf gebracht hatte, beobachtete zunächst allerdings ein eher gedämpftes Interesse. Viele Kunden blätterten zwar in dem Buch, bislang sei aber eine eher überschaubare Menge über den Ladentisch gegangen. Ein Sprecher sagte: "Da ist noch Luft nach oben." dpa/AZ

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden