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Mordprozess: Nach 39 Verhandlungstagen gegen Oscar Pistorius zählen nur Indizien

Mordprozess

Nach 39 Verhandlungstagen gegen Oscar Pistorius zählen nur Indizien

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    Der Mordprozess gegen Oscar Pistoriusgeht dem Ende entgegen.
    Der Mordprozess gegen Oscar Pistoriusgeht dem Ende entgegen. Foto: Alon Skuy / Pool (dpa)

    Im Mordprozess gegen den Paralympics-Star Oscar Pistorius hat die Verteidigung in ihrem Schlussplädoyer zahlreichen Argumenten der Staatsanwaltschaft widersprochen. Barry Roux, der Rechtsanwalt des südafrikanischen Leichtathleten, legte dem Gericht nochmals dar, dass Pistorius seine Freundin Reeva Steenkamp in der Nacht zum Valentinstag 2013 irrtümlich getötet habe. Roux´ Vortrag war für Pistorius die allerletzte Gelegenheit, Richterin Thokozile Masipa von seiner Unschuld zu überzeugen.

    Oscar Pistorius habe einen Einbrecher vermutet

    Der Fall Pistorius - eine Chronologie

    14. Februar 2013: Steenkamps Leiche wird in Pistorius' Wohnung gefunden. Der Sportler hatte die 29-Jährige durch die geschlossene Toilettentür mit vier Schüssen aus einer seiner Schusswaffen getötet. Er wird festgenommen.

    15. Februar 2013: Bei einem ersten Gerichtstermin, bei dem Pistorius Mord an seiner Freundin zur Last gelegt wird, bestreitet er den Mordvorwurf.

    19. Februar 2013: Pistorius macht geltend, er habe hinter der Toilettentür einen Einbrecher vermutet und "furchtbare Angst" gehabt.

    22. Februar 2013: Pistorius wird gegen eine Kaution von umgerechnet 75.000 Euro freigelassen.

    März 2014: Zum Prozessauftakt sagt eine Zeugin aus, sie habe in der Tatnacht "schreckliche Schreie" einer Frau und Schüsse gehört. Pistorius übergibt sich bei der Verlesung des Autopsieberichts.

    April 2014: Pistorius beginnt seine Aussage mit einer Entschuldigung bei Steenkamps Familie. Immer wieder bricht er im Kreuzverhör in Tränen aus und verwickelt sich auch in Widersprüche.

    30. Juni 2014: Nach sechswöchiger Pause, in der sich Pistorius psychiatrischen Untersuchungen unterziehen muss, erklären drei Psychiater und ein Psychologe, dass der Angeklagte zur Tatzeit voll schuldfähig war.

    11. September 2014: Richterin Thokozile Masipa spricht Pistorius von den Vorwürfen des Mordes und des Totschlages frei.

    12. September 2014: Pistorius wird wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässigen Waffengebrauchs in einem Fall schuldig gesprochen.

    21. Oktober 2014: Das Strafmaß wird verkündet: maximal fünf Jahre Gefängnis. Pistorius muss seine Haft sofort antreten.

    10. Dezember 2014: Die Berufung wird zugelassen.

    19. Oktober 2015: Pistorius wird auf Bewährung und unter Auflagen vorzeitig aus der Haft in den Hausarrest entlassen.

    3. November 2015: Im Berufungsverfahren fordert die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen Mordes

    3. Dezember 2015: Pistorius wird wegen Mordes schuldig gesprochen, der Fall wird an die Vorinstanz zurückverwiesen.

    3. März 2016: Das Verfassungsgericht weist eine Beschwerde des Sportlers gegen den Schuldspruch zurück.

    6. Juli 2016: Pistorius wird zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Er tritt seine Strafe sofort an. Sowohl Anklage als auch Verteidigung können Berufung gegen das Strafmaß einlegen.

    Weil er im Februar 2013 im Badezimmer einen Einbrecher vermutete, habe Pistorius in Panik durch die Tür geschossen, so die Linie der Verteidigung. Eine Psychiaterin hatte ihm bereits während des Verfahrens eine "intensive Angststörung" bescheinigt. Dafür sollen vor allem die hohe Kriminalitätsrate in Südafrika in Verbindung mit der Behinderung des unterschenkelamputierten Angeklagten verantwortlich sein.

    "Er wird ständig daran erinnert, dass er keine Beine hat. Er kann nicht wegrennen", erklärte Roux. "Er hat sich bewaffnet und ist zum Bad gegangen. Er wusste, dass es eventuell nötig werden könnte, zu schießen. Er hatte Angst." Bei den Schüssen habe es sich um Selbstverteidigung gehandelt.

    Rechtsanwalt Roux: "Totschlag, nicht Mord"

    Roux räumte ein, dass sein Mandant bereit sei, die Verantwortung für einige der Vorwürfe zu übernehmen. Er gestehe zu, dass Pistorius im ersten Anklagepunkt - dem der Fahrlässigkeit - durchaus schuldig sein könnte. "Aber in diesem Prozess hätte es um Totschlag gehen sollen und nicht um Mord", betonte er.

    Staatsanwalt Gerrie Nel hatte hingegen Pistorius am Donnerstag in seiner Schlussrede der Lüge bezichtigt und erklärt, der Sportler habe die Wahrheit bei seinen Aussagen stets zu seinen Gunsten verdreht. Er habe einen vorsätzlichen Mord begangen und müssen in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen werden.

    Pistorius muss im schlimmsten Fall mit 25 Jahren Haft rechnen

    Stimmt Masipa dem zu, drohen Pistorius mindestens 25 Jahre Haft. Aber auch eine Verurteilung wegen Totschlags könnte eine Gefängnisstrafe von 15 Jahren bedeuten.

    Roux kritisierte am Freitag vor allem die "schlampige Arbeit" der Ermittler, die Beweismaterial verfälscht und manipuliert hätten. Die Polizisten hätten "keinen Respekt für den Tatort gezeigt". Auch widersprach er Nels Angaben, nach denen die Beziehung des Paares von Streitigkeiten geprägt gewesen sei. Nel hatte mehrere WhatsApp-Nachrichten vorgelesen, die angeblich belegen sollten, dass Pistorius und Steenkamp Probleme hatten. "Man muss mit diesen WhatsApp-Nachrichten zwischen jungen Leuten vorsichtig sein", sagte Roux. "Nach dem 7. Februar waren die Nachrichten wieder liebevoll - sie hatten sich schnell wieder vertragen."

    Unklar bleibt, was wirklich in Pistorius´ Villa passierte

    Bis Ende August will Richterin Masipa ihr Urteil fällen. Dabei muss sie sich vor allem auf Indizien verlassen: Auch 39 Prozesstage und 36 Zeugenverhöre konnten letztlich nicht klären, was in der Tatnacht in Pistorius' Villa in Pretoria tatsächlich geschah. (dpa)

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