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Mordanschlag: Wie Star-Journalist Peter R. de Vries zu einem furchtlosen Fahnder wurde

Mordanschlag

Wie Star-Journalist Peter R. de Vries zu einem furchtlosen Fahnder wurde

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    Peter R. de Vries, niederländischer Kriminalreporter, im vergangenen März auf dem Weg zu einem Gerichtsprozess.
    Peter R. de Vries, niederländischer Kriminalreporter, im vergangenen März auf dem Weg zu einem Gerichtsprozess. Foto: Robin van Lonkhuijsen/ANP, dpa

    In seiner niederländischen Heimat ist er nichts weniger als eine Institution. Fast 500 Mordfällen sei er während seiner beruflichen Laufbahn nachgegangen, erzählte Peter R. de Vries selbst vor kurzem. Wie zynisch, dass ihn die Kugeln des noch unbekannten Attentäters am Dienstagabend trafen, als der 64-Jährige gerade ein Fernsehstudio in Amsterdam verließ.

    Schon in jungen Jahren, mit 22, nach Schule und Militärdienst, begann de Vries bei der Boulevard-Zeitung De Telegraaf als Reporter, wurde ein Jahr später nach Amsterdam versetzt und begegnete dort dem Milieu, dem er nicht mehr entkommen konnte und wollte: der Organisierten Kriminalität. Als er 1987 die Wochenzeitung Aktueel als Chefredakteur übernahm, machte er daraus ein Kriminalmagazin, das beispielsweise 100.000 Gulden auf Hinweise im Fall des verschwundenen Mädchens Nymphe Poolman aussetzte. Es war der erste von vielen weiteren Grenzüberschreitungen, die de Vries in seinem Leben als Reporter, Fahnder und Autor bewusst beging, weil ihn das Ergebnis mehr interessierte als die Zuständigkeiten von Polizei und anderen staatlichen Stellen.

    Als de Vries 1991 seine Festanstellung aufgab und von da an frei für das Algemeen Dagblatt und die Wochenzeitung Panorama zu schreiben begann, war er bereits bekannt. Das Übrige tat seine TV-Sendung „Peter R. de Vries, Kriminalreporter“, die 1995 begann und bis zu ihrer Einstellung 2012 in mehr als 470 Folgen ausgestrahlt wurde. Sie wird zwar gerne mit dem deutschen Pendant „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ verglichen, aber das ist falsch.

    De Vries gab sich nicht mit Spielszenen von Verbrechen zufrieden, er begab sich mit versteckter Kamera auf die Spur von mutmaßlichen Tätern in realen Fällen. „Die einzige Voraussetzung für den Triumph des Bösen ist, dass gute Menschen nichts tun“, zitierte de Vries dazu etwas pathetisch den Schriftsteller Edmund Burke. Er ergänzte: Wenn er nichts tue, könne er nicht mehr in den Spiegel sehen.

    Peter R. de Vries hat schwere Kopfverletzungen erlitten

    Nun ringt er mit dem Tod. „Peter kämpft noch immer um sein Leben“, sagte am Donnerstag Peter van der Vorst, Chef des TV-Senders RTL, für den der Reporter arbeitete. De Vries hatte schwere Kopfverletzungen erlitten. Ihn einfach nur als preisgekrönten Investigativjournalisten zu bezeichnen, würde ihm nicht gerecht. Seine Popularität verdankt er seiner Aura als furchtloser Kämpfer gegen das Verbrechen. Opfer und Angehörige sehen in ihm den letzten Strohhalm, um Gerechtigkeit und Gewissheit zu bekommen. Er gibt nicht auf, wenn es einmal nicht weitergeht.

    Einen seiner ungeklärten Fälle recherchierte er 20 Jahre lang, ehe er den Täter identifizieren konnte. In einem anderen Fall sorgte er mit 44 Fernsehsendungen für die Wiederaufnahme eines berüchtigten Mordfalles – und am Ende für den Freispruch von zwei unschuldig Verurteilten. Andererseits kritisierten Ermittler und Staatsanwaltschaften, er baue zu den Familien der Opfer, den Eltern, den Hinterbliebenen zu oft eine übergroße Nähe auf, die keine professionelle Distanz mehr zulasse.

    Noch immer legen Menschen Blumen und Bilder des angeschossenen Kriminalreporters Peter R. de Vries am Tatort nieder.
    Noch immer legen Menschen Blumen und Bilder des angeschossenen Kriminalreporters Peter R. de Vries am Tatort nieder. Foto: Peter Dejong/AP, dpa

    De Vries wusste das, sah darin aber kein Problem, sondern sich selbst als Zufluchtsort für die oft verzweifelten Menschen. Erst vor zwei Wochen gründete er eine Stiftung mit dem Namen „De Gouden Tip“ (Der goldene Tipp). Es war zum einen der Versuch, Angehörigen eine Anlaufstelle zu geben. Aber vor allem wollte er rund eine Million Euro an Spenden sammeln, die derjenige bekommen sollte, der Hinweise zur Aufklärung des Schicksals von Tanja Groen geben kann. Die junge Frau war 1993 verschwunden.

    International Furore machte de Vries 1987 mit seinem Bestseller über die Entführung des Bierbrauers Freddy Heineken. Und dann mit seinen Reportagen zum Fall von Nathalee Halloway. Die junge Amerikanerin war 2005 auf der niederländischen Karibikinsel Aruba verschwunden und vermutlich von einem Niederländer getötet worden. De Vries gewann für seine Reportagen 2008 einen internationalen Emmy. Zuletzt hatte er noch als wichtiger Zeuge gegen den Schwerkriminellen Willem-Holleeder, einen der Heineken-Entführer, ausgesagt.

    Kritiker bezeichnen den Journalisten de Vries als zu ungestüm

    Seine Kritiker bezeichneten ihn oft als zu fanatisch und ungestüm, ja auch arrogant. Vielleicht, so mutmaßen seine Anhänger in den Niederlanden, ärgern sich die Gegner auch nur über den Erfolg. Der hat nicht zuletzt damit zu tun, dass de Vries schon in jungen Jahren tat, was Journalisten üblicherweise nicht tun: Er bastelte an seiner Eigenmarke. Früh bezog er seinen zweiten Vornamen Rudolf in Form eines Initials in seinen Namenszug ein. Er wollte sich unterscheidbar machen. Denn immerhin fanden Namensforscher im Oranje-Staat heraus, dass „de Vries“ der dritthäufigste Familienname ist. Peter R. de Vries nannte diesen Schachzug einmal „den besten Marktingfund der Geschichte: Hat nichts gekostet und die Rendite ist enorm.“

    De Vries hatte Personenschutz abgelehnt. „Das gehört zum Berufsrisiko“, sagte er erst kürzlich in einem Interview. Er wolle frei leben und sich nicht von Angst beherrschen lassen. Und: Er werde nicht lockerlassen.

    Der Anschlag auf den verheirateten Vater zweier erwachsener Kinder gilt nicht nur einem unkonventionellen Journalisten und erfolgreichen Fahnder. Er meint auch das Symbol, das de Vries für die Niederländer verkörpert: Er ist ein aufrechter Kämpfer und ein Vorbild – für mehr Mut und Zivilcourage seines Berufsstandes, aber eben auch der Gesellschaft. (mit dpa)

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