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Missbrauch: Wie der Missbrauchsskandal auf der katholischen Kirche lastet

Missbrauch

Wie der Missbrauchsskandal auf der katholischen Kirche lastet

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    Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche hat ein immenses Ausmaß angenommen.
    Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche hat ein immenses Ausmaß angenommen. Foto: Uwe Zucchi, dpa (Symbolbild)

    Es geschah in jedem zweiten Fall beim Beschuldigten zuhause, in den meisten anderen in öffentlichen Kirchenräumen wie dem Beichtstuhl oder der Sakristei. Es geschah häufig im Zusammenhang mit der Beichte, vor oder nach dem Ministranten-Unterricht. Es sind Fälle aus den Jahren 1946 bis 2014 – und jedes zweite der 3677 von sexuellem Missbrauch durch Geistliche betroffenen Kinder war unter 14 Jahre alt.

    Es sind Zahlen, die schockieren. Und Zahlen, die die deutschen Bischöfe erst am Dienstag vorstellen wollten. Doch Journalisten von Zeit und Spiegel machten ihnen einen Strich durch die Rechnung, indem sie über die Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz (MHG-Studie)“ detailliert vorab berichteten.

    Bischöfe wollten Deutungshoheit über Missbrauchsstudie behalten

    Die Bischöfe hatten die Studie in Auftrag gegeben und finanziert – und wollten auch die Deutungshoheit über sie behalten. Genau das wollte die Zeit verhindern. Sie begründete die Veröffentlichung erster Ergebnisse der durchgesickerten Studie zum großen Ärger der Bischöfe damit, dass sie nicht allein der Kirche die Deutungshoheit überlassen wolle – die habe schließlich die Verbrechen vertuscht. Seitdem tobt der Kampf um die Ergebnisse der Studie, die offiziell am Dienstag um 13.15 Uhr im Rahmen der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda, vorgestellt wird. So schreibt der Bestseller-Autor Manfred Lütz in einer elfseitigen Stellungnahme „zum so genannten MHG-Forschungsprojekt“, die auf den 22. September datiert und unserer Redaktion vorliegt, von einer „mangelhaften Studie“. Er sei befremdet „vom unwissenschaftlichen Stil weiter Passagen“, kritisiert der Chefarzt eines katholischen Krankenhauses in Köln und langjährige Berater der Kirche. „Wer über Verhältnisse in der katholischen Kirche wissenschaftlich arbeitet, muss besonders darauf achten, nur als wissenschaftliche Ergebnisse auszugeben, was sich mit Daten seriös belegen lässt. Das ist in der MHG-Studie leider spektakulär misslungen“, wirft er den Wissenschaftlern der Universitäten Mannheim, Heidelberg und Gießen vor. „Offensichtlich ist man der Versuchung erlegen, eine Studie mit schwacher Datenbasis dadurch öffentlich zu platzieren, dass man – ohne Datenbasis – die üblichen kirchenkritischen Themen raunend oder dezidiert anspricht, was sofort für öffentliche Aufmerksamkeit sorgt.“

    Forscher stießen im Missbrauchsskandal auf Aktenmanipulation

    Die Forscher hatten die Personal- und Handakten von bundesweit 38.156 Geistlichen ausgewertet, ohne direkt auf diese zugreifen zu dürfen. Bei 1670 Priestern, Ordensmännern und Diakonen fanden sie Hinweise auf Missbrauchstaten – das sind etwa vier Prozent aller Geistlichen aus dem erfassten Zeitraum. Für die Untersuchung wurden verschiedene Forschungsmethoden angewendet mit dem erklärten Ziel, die Studienergebnisse müssten „wissenschaftlich unangreifbar sein“.

    Die Forscher stießen auf Vertuschung („eindeutige Hinweise auf Aktenmanipulation“) und eine Institution, die die Täter schützte. Nur gegen 566 Beschuldigte leitete die Kirche ein kirchenrechtliches Verfahren ein; 154 dieser Verfahren gingen ohne Strafe oder Sanktion zu Ende. In ihrer Studie äußern sich die Forscher zudem zum Zölibat, der priesterlichen Ehelosigkeit, und zum Thema Homosexualität. Beides stelle an sich keine Risikofaktoren für sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen dar. Der Zölibat jedoch könne Priesteramtsanwärtern mit „einer unreifen und abgewehrten homosexuellen Neigung als Lösung innerpsychischer Probleme scheinen“ – und damit letztlich Übergriffe begünstigen.

    Der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa will sich am Dienstag äußern 

    Und die Bischöfe? Manche von ihnen haben sich in den vergangenen Tagen bereits geäußert, am Sonntag etwa der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt. „Was wir durch die Studie erfahren, ist beschämend für unsere Kirche und darf weder entschuldigt noch beschönigt werden“, erklärte er. Er werde durch „einen Tag des Fastens meine Solidarität mit den Opfern ausdrücken“. Ipolts Vorgänger, der jetzige Augsburger Bischof Konrad Zdarsa, will sich nach Informationen unserer Zeitung am Dienstag äußern.

    Bereits am Montag, zum Auftakt der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz, sagte deren Vorsitzender, der Münchner Kardinal Reinhard Marx: Die katholische Kirche stehe an einem Wendepunkt. „Wir müssen viel weiter gehen: hinhören, verstehen, Konsequenzen ziehen.“

    Das hätte sich auch Alexandra W. gewünscht, die 2013 einen hochrangigen Geistlichen der Diözese Würzburg des Missbrauchs beschuldigte. Er soll sie 1988 im Exerzitienheim Himmelspforten in

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