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Meinung: Das Papst-Amt wird sich verändern

Meinung

Das Papst-Amt wird sich verändern

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    Der Rücktritt von Papst Benedikt XVI. wird sich auf die Zukunft des Papstamtes auswirken.
    Der Rücktritt von Papst Benedikt XVI. wird sich auf die Zukunft des Papstamtes auswirken. Foto: dpa

    Sein Vorgänger Johannes Paul II. hatte einen Rücktritt stets abgelehnt. Der polnische Papst zeigte in seinen letzten Lebensjahren der Welt ohne Scheu sein fortschreitendes Leiden. Bis ihm die Stimme versagte, hielt er sich treu im Amt und wurde als charismatischer Mystiker zu einer Ikone konsequenter Nachfolge Christi.

    Papst Benedikt XVI. indes hielt es nach sorgfältiger Gewissensprüfung nicht für verantwortbar, bei stark abnehmenden körperlichen und geistigen Kräften das Leitungsamt weiterhin auszuüben. Er, der brillante Theologe, wog mit nüchterner Rationalität ab, welchen Steuermann das in den Stürmen der Gegenwart hin- und hergeworfene Schifflein Petri braucht.

    Ein Zeichen gegen den Personenkult

    Der Stellvertreter Christi auf Erden – diesen Titel trägt der Papst nach wie vor – definierte sein einzigartiges Papstamt letztlich als eine Dienstleistung auf Zeit.

    Mit seiner Entscheidung hat Benedikt ein klares Zeichen gegen jeden Personenkult gesetzt. Gerade das Papsttum wurde – begünstigt durch die Auslandsreisen, den Audienzenrummel und vor allem die Weltjugendtage – auf die Sympathie für die Person reduziert. Der Papst sollte einer „zum Anfassen“ sein.

    Zugleich aber wie jeder Superstar ein der Alltäglichkeit Entrückter. Die alte sakrale Überhöhung, im Ersten Vatikanischen Konzil 1870 mit der Definition der päpstlichen Unfehlbarkeit auf die Spitze getrieben, verband sich mit globalisierter medialer Präsenz.

    Altersgebrechen machen auch vor einem Papst nicht Halt

    Eine wichtige Wegmarke hat Benedikt mit seinem angekündigten Rücktritt auch für eine alternde Gesellschaft gesetzt. Eine steigende Lebenserwartung bleibt nicht ohne Folgen. Wenn es keine Seltenheit mehr ist, dass die Menschen 80, 85 und 90 Jahre alt werden, wächst das Risiko, an körperlichen Altersgebrechen zu leiden – oder der Demenz zu verfallen. Benedikt wollte im Papstamt nicht als ein Greis ausharren, den andere gürten und führen, wohin er nicht will (Johannesevangelium 21,18).

    Von Marktl nach München: Papstorte in Bayern

    In Marktl am Inn ist er geboren, in Freising machte er seine ersten wissenschaftlichen Schritte, in München-Freising war er Erzbischof: Papst Benedikt XVI. ist fest verwurzelt in seiner bayerischen Heimat.

    Marktl: In der Stadt am Inn ist Joseph Ratzinger am 16. April 1927 als Sohn des Gendarmeriemeisters Joseph und seiner Frau Maria geboren worden. Nach seiner Wahl zum Papst kommt großer Rummel in Marktl auf, von der Papst-Torte bis zum Papst-Bier sind dort viele Souvenirs zu kaufen. Bei seinem Bayern-Besuch 2006 stattet Benedikt XVI. seiner Taufkirche St. Oswald einen Besuch ab.

    Traunstein: Hier besucht er das Studienseminar St. Michael. Die Familie hat im nahen Hufnagel ein Haus bezogen. Später wird Ratzinger Traunstein als seine Heimatstadt bezeichnen, da die Eltern zuvor oft umgezogen sind. Im Zweiten Weltkrieg wird Ratzinger als Flakhelfer eingezogen und gerät kurzzeitig in US-Gefangenschaft, bleibt aber unverletzt. Nach dem Krieg legt er in Traunstein sein Abitur ab.

    Freising: In der geschichtsträchtigen Domstadt beginnt Ratzinger 1946 ein Theologiestudium. Sein Ziel ist es, Priester zu werden. Schon als Student gilt er als außergewöhnlich begabt. 1951 wird er zusammen mit seinem Bruder Georg zum Priester geweiht. In seiner Promotion geht es um den Kirchenlehrer Augustinus. An der philosophisch-theologischen Hochschule Freising lehrt er von 1957 an Dogmatik, ehe er an die Uni Bonn wechselt.

    Regensburg: 1969 erhält Ratzinger einen Ruf nach Regensburg. An der jungen Universität lehrt er Dogmatik und Dogmengeschichte. Im Vorort Pentling hat lässt er sich ein Haus bauen. Seine Eltern und seine Schwester Maria sind auf dem Pentlinger Friedhof begraben. Sein Bruder Georg, einst Leiter der Regensburger Domspatzen, lebt in Regensburg.

    München: Joseph Ratzinger verbringt einen Teil seines Theologiestudiums in München, später arbeitet er als Kaplan in zwei Pfarreien der Landeshauptstadt. 1977 muss der mittlerweile renommierte Professor den Hörsaal verlassen und auf einem Bischofsstuhl Platz nehmen: Er wird zum Erzbischof von München-Freising ernannt. Fünf Jahre später folgt der Ruf nach Rom, Kardinal Ratzinger wird Präfekt der Glaubenskongregation.

    Im Papstamt wie in jedem höchsten Führungsamt wird ein Machtvakuum sogleich von anderen Kräften besetzt. Dann schlägt die Stunde der sogenannten Vertrauten. Nach ihrem eigenen Willen kontrollieren sie den Zugang zum Chef, der Schonung braucht.

    Vertraute des Papstes waren nicht mehr vertrauenswürdig

    Sie behaupten, genau zu wissen, wie der Alte zu entscheiden gedenkt. So erstarkt ein Küchenkabinett. Dem eigentlichen Chef wird mehr und mehr die Realität verschleiert, weil ihm ungefilterte Informationen vorenthalten werden.

    Papst Benedikt: Stationen seines Lebens

    Joseph Aloisius Ratzinger wird am 16. April (Karsamstag) des Jahres 1927 in Markl (Oberbayern) geboren.

    Ratzinger wächst mit seinen beiden Geschwistern Georg und Maria in einem religiös geprägten Elternhaus auf.

    Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wird Joseph Ratzinger 1945 als Flakhelfer eingezogen.

    Ratzinger studiert von 1946 bis 1951 Philosophie und Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Freising und an der Universität München.

    1951 wird Joseph Ratzinger im Freisinger Mariendom zum Priester geweiht. Als Priester leitete er 30 Jahre die Regensburger Domspatzen.

    Ratzinger habilitiert 1957 in München über "Die Geschichtstheologie des heiligen Bonaventura". Ab 1959 ist er Professor in Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg.

    1977 beruft Papst Paul VI. Ratzinger zum Erzbischof von München und Freising. Er wählt als bischöfliches Motto "Mitarbeiter der Wahrheit".

    Papst Johannes Paul II. betraut ihn 1981 mit der Leitung der Römischen Glaubenskongregation, durch die er sich den Ruf eines Hardliners erwirbt.

    Nach dem Tod des Papstes Johannes Paul II zelebriert Ratzinger 2005 die Totenmesse für den Verstorbenen und leitet das Konklave zur Wahl eines neuen Papstes.

    Ratzinger wird nach nur 26 Stunden im vierten Wahlgang zum 265. Papst gewählt. Er trägt fortan den Namen Benedikt XVI.

    2013 tritt er nach acht Jahren im Amt freiwillig von seinem Pontifikat zurück - ein bisher einmaliger Vorgang. Benedikt wohnt fortan zurückgezogen in einem Kloster im Vatikan.

    2020 besucht Ratzinger seinen schwer erkrankten Bruder in Regensburg. Dieser stirbt kurz darauf.

    Mit der römischen Kurie war es in den vergangenen Monaten nicht zum Besten bestellt. Die Vatileaks-Affäre erweckte den Eindruck, es gehe im Vatikan drunter und drüber. Ein Machtkampf soll unter den Kardinälen entbrannt sein, es herrschte Verrat. Nicht einmal seinem Kammerdiener, der massenhaft Dokumente vom päpstlichen Schreibtisch kopierte, konnte Benedikt vertrauen.

    Wie wird sich Benedikt nach seinem Rücktritt verhalten?

    Seine Entscheidung zum Rücktritt wird auch große theologische Auswirkungen haben. Bemerkenswert sind Benedikts Freiheit und Kühnheit, forthin als emeritierter Papst weiterzuleben. Seine künftige Stellung innerhalb der katholischen Hierarchie stellt Kirchenrechtler vor Herausforderungen. Darf sich der Papst a. D. zu Wort melden? Muss er seinen Nachfolger um Erlaubnis fragen?

    Darf er überhaupt in der Öffentlichkeit noch auftreten? Der einzige historische Bezugsfall eines freiwilligen Papst-Rücktrittes von Coelestin V. endete damit, dass ihn sein Nachfolger sofort aus dem Verkehr zog und in Haft nahm. Unmöglich scheint der Gedanke, ein Alt-Papst würde wieder eine bürgerliche Existenz führen.

    Nachfolger müssen sich stets selbst prüfen

    Die Entscheidung zum Rücktritt als Papst ist auch die Entscheidung zu einem zukünftigen Leben in absoluter Zurückgezogenheit.

    Allen seinen Nachfolgern gibt Papst Benedikt XVI. auf, sich ständig selbst zu befragen, ob sie den Anforderungen des Petrusdienstes noch gerecht werden. Die Funktionalität des Leitungsamtes rückt in den Vordergrund. Die Vorstellung, die Papstwahl verwandle einen Kardinal unwiderruflich in eine übermenschliche Lichtgestalt, geht mit Benedikts Rücktritt sicher zu Ende. Das Papsttum steht auf einer neuen Geschäftsgrundlage.

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