Wer sich tätowieren lassen möchte, könnte in Deutschland bald auf bestimmte Farben verzichten müssen. Hintergrund ist ein drohendes Verbot einzelner Pigmente. Dadurch würden nach Aussage des Bundesverbands Tattoo etwa 66 Prozent der Farben vom Markt verschwinden. Gegen das Verbot geht die Branche mit einer Online-Petition vor – bereits über 120.000 Menschen haben unterschrieben und unterstützen die Tätowierer.
Darunter sind auch Prominente wie Mark Benecke. Seit über 20 Jahren ist der Kölner Kriminalbiologe international auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forensik aktiv. Er hat selbst unzählige Tätowierungen, ist Vorsitzender des Vereins Pro Tattoo. „Für ein mögliches Verbot gibt es keinen biologischen Grund“, sagt Benecke. Er sieht darin eine Art „Verwaltungs-Wirrnis“.
Laut Umfrage hat jeder fünfte Deutsche ein Tattoo
Die Vorgeschichte: Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) wird der Europäischen Kommission vorschlagen, die Farben „Blue 15“ und „Green 5“ mit einer zweijährigen Übergangsphase einzuschränken. Es gebe keine ausreichenden Informationen, die belegen, dass die Verwendung der Pigmente sicher sei. Die Kommission wird im Februar mit den Mitgliedsstaaten das Thema diskutieren. Wie die Pressestelle der ECHA mitteilt, seien diese Pigmente bereits in Kosmetikprodukten verboten. Wenn sie also nicht über kosmetische Produkte auf der Haut erlaubt sind, sollten sie auch nicht unter die Haut gestochen werden. Die Stoffe stünden laut ECHA unter Verdacht, Blasenkrebs zu verursachen.
Nach einer Umfrage der Apotheken Umschau aus dem vergangenen Jahr ist in Deutschland etwa jeder Fünfte tätowiert. Damit habe sich der Anteil der Tätowierten in den vergangenen sieben Jahren verdoppelt. Wie viele Tattoos davon allerdings farbig sind, ist unklar.
Benecke, der 2019 für die Satirepartei „Die Partei“ als Kandidat für die Europawahl angetreten war, hat nach eigener Aussage im Europäischen Parlament nicht einen einzigen Politiker gefunden, der diese Neuregelung beantragt hat oder unterstützt. „Es ist wie in einem Karl-Valentin-Stück oder im Film ,Brazil’ – ein sinnleerer, schief gegangener Verwaltungsakt, von dem keiner mehr weiß, aus welchem Grund er jemals ins System gelangt ist“, sagt Benecke. Und einen Grund dafür gebe es nicht.
Verbot würde blaue und grüne Tätowier-Farbe betreffen
Die Online-Petition hat Jörn Elsenbruch aus Nordrhein-Westfalen, der nach eigenen Angaben 35 Jahre Erfahrung in der Tattoo-Szene hat, ins Leben gerufen. Er fordert: Der Bundestag soll das Vorhaben der ECHA, die Pigmente für die Herstellung von Tätowiermitteln zu verbieten, verhindern oder ablehnen. Tätowierer seien existenziell auf grün und blau angewiesen. Außerdem könne laut Elsenbruch noch keine Bewertung darüber abgegeben werden, ob eine Gefahr vorliege. Dafür fehlten wichtige Punkte. Es gebe beispielsweise noch keine belastbaren Erkenntnisse, wie viel Tätowierfarbe tatsächlich beim Tätowierprozess in den Körper gelange. Durch ein Verbot würde der „Industriezweig wieder in den nicht zu kontrollierenden Untergrund gedrängt werden“.
Das vermutet auch Mark Benecke. Er sagt: „Die Kunden werden einfach ins Ausland, auf den Hinterhof, in den Keller oder sonst wo hin gehen.“ Und er betont: „Es würden ausgerechnet gelb und rot als Farben übrig bleiben. Was willst du mit diesen Farben tätowieren? Die spanische Flagge? Warnschilder?“
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