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Medienbericht: Verfassungsschutz soll Neonazi-Trio finanziell unterstützt haben

Medienbericht

Verfassungsschutz soll Neonazi-Trio finanziell unterstützt haben

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    Ankündigungsplakat für einen Vortrag über rechtsextreme Strukturen: Der Thüringer Verfassungsschutz soll erstmals eine direkte Geldzahlung an das Zwickauer Neonazi-Trio eingeräumt haben Foto: Uwe Zucchi dpa
    Ankündigungsplakat für einen Vortrag über rechtsextreme Strukturen: Der Thüringer Verfassungsschutz soll erstmals eine direkte Geldzahlung an das Zwickauer Neonazi-Trio eingeräumt haben Foto: Uwe Zucchi dpa

    Das Zwickauer Neonazi-Trio um Uwe Mundlos, Beate Zschäpe soll vom Verfassungsschutz Thüringen Geld erhalten haben. Wie die Bild am Sonntag berichtet, habe der Thüringer Verfassungsschutz eine Geldzahlung an das Neonazi-Trio aus Zwickau, das für zehn Morde verantwortlich sein soll, eingeräumt. So sollen die drei Neonazis über Mittelsmänner 2000 Mark für gefälschte Pässe erhalten haben. Die Bild am Sonntag schreibt,  dass dies ein Mitarbeiter des  Verfassungsschutzes am 6. Dezember  2011 vor der geheim tagenden Kontrollkommission des Thüringer Landtages berichtet habe.

    Neonazi-Trio brauchte Geld für Pässe

    Die Zwickauer Terrorzelle - Chronologie der Ereignisse

    Freitag, 4. November: Am Vormittag überfallen zwei Männer eine Bank im thüringischen Eisenach und fliehen. Während der Fahndung stoßen Polizisten auf zwei Leichen in einem Wohnmobil. Beamte hatten Hinweise erhalten, dass ein Caravan bei dem Überfall eine Rolle gespielt haben könnte.

    Samstag, 5. November: Ermittler untersuchen die Schusswaffen, die in dem Wohnmobil gefunden wurden.

    Montag, 7. November: Unter den Pistolen im Wohnwagen sind die Dienstwaffen der im April 2007 in Heilbronn getöteten Polizistin Michele Kiesewetter und ihres schwer verletzten Kollegen. Die später identifizierten Männer Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, deren Leichen entdeckt wurden, sollen den Banküberfall begangen haben. Sie sollen zusammen mit einer Frau in einer Wohnung in Zwickau gelebt haben, die wenige Stunden nach dem Banküberfall explodiert war. Nach der Frau, Beate Zschäpe, wird gefahndet.

    Dienstag, 8. November: Die bundesweit gesuchte Beate Zschäpe stellt sich der Polizei in Jena. Spekulationen kommen auf, dass die mutmaßlichen Bankräuber eine Verbindung in die Neonazi-Szene gehabt haben könnten. Sie und die verdächtige Frau sollen in Thüringen als rechtsextreme Bombenbauer in Erscheinung getreten sein.

    Mittwoch, 9. November: Zschäpe sitzt in U-Haft und schweigt. Nach Aussage von Thüringens Innenminister Jörg Geibert hatten die Männer bis 1998 Verbindungen zum rechtsextremen Thüringer Heimatschutz - danach jedoch nicht mehr. Polizei und Staatsanwaltschaft in Sachsen machen die Frau zunächst nur für die Explosion des Wohnhauses in Zwickau verantwortlich.

    Donnerstag, 10. November: In den Trümmern des abgebrannten Hauses in Zwickau werden weitere Schusswaffen gefunden.

    Freitag, 11. November: Es ist die spektakuläre Wende in dem Fall: Unter den Waffen ist die Pistole, mit der zwischen 2000 und 2006 neun Kleinunternehmer erschossen wurden - Türken, ein Grieche und Deutsche mit Migrationshintergrund. Außerdem entdecken Fahnder rechtsextreme Propaganda-Videos. Diese beziehen sich auf eine Gruppierung mit dem Namen Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) und enthalten Bezüge zur Mordserie. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe übernimmt die Ermittlungen.

    Sonntag, 13. November: Die Bundesanwaltschaft geht erstmals ausdrücklich von Rechtsterrorismus aus. Der Bundesgerichtshof erlässt  Haftbefehl gegen Zschäpe wegen des dringenden Tatverdachts «der Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung». In Lauenau bei Hannover wird ein mutmaßlicher Komplize festgenommen. Holger G. soll dem Neonazi-Trio 2007 seinen Führerschein und vor etwa vier Monaten seinen Reisepass zur Verfügung gestellt haben. Die Rolle des Verfassungsschutzes in dem Fall ist unklar. Politiker fragen, warum die Rechtsextremen, die unter Beobachtung standen und schon 1998 in Jena als Bombenbauer auffielen, so lange unbehelligt blieben.

    Montag, 14. November: Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger sagt, die Strukturen des Verfassungsschutzes sollten auf den Prüfstand gestellt werden. Ihre Frage: «Was mich wirklich umtreibt, ist: Gibt es ein fester gefügtes rechtsextremistisches Netzwerk in Deutschland als bisher angenommen wurde?».

    Donnerstag, 17. November: Der hessische Verfassungsschutz dementiert einen Bericht, ein 2006 suspendierter Mitarbeiter habe einen V-Mann beim rechtsextremen Thüringer Heimatschutz geführt. Der Verfassungsschützer war 2006 in einem Internetcafé in Kassel gewesen, kurz bevor dort die tödlichen Schüsse auf den türkischstämmigen Betreiber fielen.

    Freitag, 18. November: Die Terrorzelle ist möglicherweise größer als bisher bekannt. Ermittler haben zwei weitere Personen im Visier. Sie sollen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe unterstützt haben. Nach mehreren Ermittlungspannen in der Vergangenheit wollen Bund und Länder mit besseren Strukturen auf den über Jahre unentdeckten rechtsextremistischen Terror reagieren.

    Dienstag, 29. November: Fahnder nehmen den früheren NPD-Funktionär Ralf W. fest. Er soll ein weiterer mutmaßlicher Unterstützer der terroristischen Vereinigung «Nationalistischer Untergrund» (NSU) sein.

    Nach Aussagen des Verfassungsschützers soll seine Behörde aus abgehörten Telefonaten gewusst haben, dass das Neonazi-Trio Beate Zschäpe, Uwe  Mundlos und Uwe Böhnhardt damals dringend Geld für neue Pässe brauchte. Die Verfassungsschützer hätten darauf gesetzt, mithilfe  der Geldzahlung konkrete Hinweise auf den Aufenthaltsort sowie die  Tarnnamen der Rechtsterroristen zu erhalten. Daher habe der Verfassungsschutz im Jahr 2000 dem NPD-Funktionär Tino Brandt das Geld übergeben, der unter dem Decknamen "Otto" als  V-Mann für die Behörde arbeitete. Brandt sollte das Geld an das seit 1998 gesuchte Neonazi-Trio weiterleiten. Er schaltete dafür einen  weiteren Mittelmann ein. Der Plan sei  jedoch gescheitert.

    Terrorgruppe konnte unerkannt untertauchen

     Zwar habe sich das Trio tatsächlich neue Pässe beschafft. Weil  der Thüringer Verfassungsschutz die Meldeämter in Sachsen nicht eingeweiht hatte, konnte die rechte Terrorgruppe damit jedoch  unerkannt untertauchen. Der Thüringer Verfassungsschutz finanzierte das Neonazi-Trio  indirekt auch durch den Ankauf des antisemitischen Brettspiels  "Pogromly" für jeweils 100 Mark, schreibt die Zeitung weiter.  Mindestens drei Exemplare des Hetz-Spiels, dessen Verkaufserlös an die Terrorzelle floss, habe NPD-Mann Brandt an Mitarbeiter des  Thüringer Verfassungsschutzes verkauft. dapd/afp/AZ  

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