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Medien: Streit um Kriegsfoto: Facebook stellt Bild aus dem Vietnamkrieg wieder online

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Streit um Kriegsfoto: Facebook stellt Bild aus dem Vietnamkrieg wieder online

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    Nick Ut wurde für die Aufnahme, die Facebook blockierte, mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.
    Nick Ut wurde für die Aufnahme, die Facebook blockierte, mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Foto:  Le Quang Nhat/Archiv (dpa)

    Facebook stellt nach massiver Kritik den Zeitungsbericht mit einem berühmten Foto aus dem Vietnam-Krieg wieder online. Obwohl auf dem Bild ein unbekleidetes Kind zu sehen sei, erkenne das Online-Netzwerk die historische Bedeutung des Fotos an, hieß es am Freitag in einer Facebook-Stellungnahme beim Technologieblog "Recode". 

    Das Bild zeigt ein kleines vietnamesisches Mädchen, das nach einer Napalm-Attacke nackt über eine Straße läuft. Facebook hatte einen Bericht der größten norwegischen Zeitung "Aftenposten" mit dem Foto gelöscht und verwies zur Begründung auf das Verbot von Kinderpornografie.

    Politiker kritisierten Facebook scharf

    Der Chefredakteur der betroffenen norwegischen Zeitung "Aftenposten" warf dem weltgrößten Online-Netzwerk Zensur und Machtmissbrauch vor. Bei der Aufnahme handelt es sich um das historische Foto eines kleines Mädchen, das nach einer Napalm-Attacke nackt über eine Straße läuft. Facebook verweist zur Begründung auf das Verbot von Kinderpornografie. Auch aus der Bundesregierung kam Kritik.

    "Strafbare Inhalte sollten aus dem Netz verschwinden, nicht Fotos, die die ganze Welt bewegen", sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) der "Bild"-Zeitung (Samstagausgabe). "Wenn solche Fotos gelöscht werden, trifft es genau die Falschen."

    "Ich finde, dass Sie Ihre Macht missbrauchen, und ich tue mich schwer damit zu glauben, dass Sie das gründlich durchdacht haben", schrieb "Aftenposten"-Chefredakteur Espen Egil Hansen am Freitag in einem offenen Brief an Facebook-Chef Mark Zuckerberg. Er sei "verärgert, enttäuscht" und besorgt darüber, dass "das wichtigste Medium der Welt Freiheit einschränkt anstatt zu versuchen, sie auszuweiten, und dass das gelegentlich auf eine autoritäre Weise passiert".

    Norwegische Ministerpräsidentin stellt sich hinter die Zeitung

    Facebook erklärte in einer Reaktion am Freitag, es sei schwierig, bei Fotografien mit nackten Kindern einen Unterschied zu machen und die Veröffentlichung in einem Fall zu erlauben und in einem anderen nicht. "Wir versuchen, die richtige Balance zu finden zwischen der Möglichkeit für Menschen, sich auszudrücken, und einer sicheren und respektvollen Umgebung für unsere globale Gemeinschaft. Unsere Lösungen werden nicht immer perfekt sein, aber wir werden versuchen, unsere Regeln und die Art, wie wir sie anwenden, zu verbessern."

    Die norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg veröffentlichte am Freitag das Vietnam-Bild aus Solidarität ebenfalls auf ihrer Facebookseite und kommentierte, das Unternehmen "ziehe die falschen Schlussfolgerungen, wenn es solche Fotos zensiert". Kurz darauf war das Bild von Solbergs Facebook-Seite wieder verschwunden. Wer das Foto entfernt hat, war zunächst unklar.

    Die Aufforderung an die größte norwegische Zeitung, das Bild zu entfernen, sei am Mittwochmorgen in einer E-Mail vom Hamburger Facebook-Büro gekommen, erklärte der "Aftenposten"-Chefredakteur. "Weniger als 24 Stunden, nachdem die E-Mail abgeschickt worden war, und bevor ich Zeit hatte, zu antworten, sind Sie selbst eingeschritten und haben den Artikel und das Bild von der Facebookseite von "Aftenposten" entfernt", schrieb Egil Hansen.

    Facebook immer wieder wegen umstrittener Zensur in den Schlagzeilen

    In dem Artikel auf der Facebook-Seite hatte die Zeitung über den norwegischen Autor Tom Egeland berichtet, den das soziale Netzwerk vor einigen Wochen blockiert hatte, nachdem er sieben berühmte Kriegsfotos auf seiner Facebook-Seite gepostet hatte, darunter auch das mit dem nackten Mädchen.

    Es ist nicht das erste Mal, dass Facebook Fotos oder Abbildungen von Kunstwerken entfernt, weil sie gegen Richtlinien des Online-Netzwerks zur Abbildung von Nacktheit oder Gewalt verstießen. 2011 etwa sperrte das Unternehmen das Profil eines französischen Lehrers, der eine Abbildung eines Gemäldes von Gustave Courbet auf seine Pinnwand hochgeladen hatte. Das Werk "Der Ursprung der Welt" zeigt den Unterkörper einer nackten Frau mit gespreizten Schenkeln.

    Im vergangenen Juli hielt die Freundin des Afroamerikaners Philando Castile im US-Bundesstaat Minnesota live bei Facebook das Geschehen fest, nachdem dieser von einem Polizisten angeschossen worden war. Castile starb später. Das Video verschwand, erschien nach kurzer Zeit aber wieder. Zuckerberg betonte später dazu, dass bei Facebook Platz für unbequeme Inhalte von gesellschaftlicher Bedeutung sei: "Die Bilder, die wir diese Woche gesehen haben, sind grausam und herzzerreißend, und sie beleuchten die Angst, mit der Millionen Mitglieder unserer Gemeinschaft jeden Tag leben."

    DJV-Chef: Facebook entscheidet nicht über Medienethik

    Da für immer mehr Menschen Online-Netzwerke zu einer zentralen Nachrichtenquelle werden, gibt es unter anderem in der Medienbranche große Sorgen, das Informationen sie nur noch gefiltert erreichen, sei es durch Software-Algorithmen oder Facebook-Mitarbeiter, die mit der Einhaltung der Regeln betraut sind.

    Der Chef des Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall, verurteilte am Freitag das Vorgehen des Online-Netzwerks: "Welche Inhalte eine Zeitung veröffentlicht, muss die Entscheidung der Redaktion bleiben." Alles andere sei ein Eingriff in die Pressefreiheit. Facebook habe weder die Aufgabe noch die Kompetenz, medienethische Weichenstellungen vorzunehmen. Zudem müsse man von dem Unternehmen so viel Medienkompetenz erwarten dürfen, dass eine Unterscheidung zwischen einem zeitgeschichtlichen Dokument und Kinderpornografie vorgenommen werde, erklärte der DJV-Vorsitzende.

    "Es geht nicht an, dass wir uns nach Moralvorgaben aus Silicon Valley richten müssen", twitterte auch Mathias Müller von Blumencron, Chefredakteur Digitale Medien der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und sprach von einem "Sündenfall von Facebook".

    In den USA hatte es jüngst Vorwürfe gegeben, Facebook-Mitarbeiter hätten bei der Auswahl von Nachrichten-Trends in den USA News zu konservativen Politikern unterdrückt. Das Online-Netzwerk wies dies nach einer Überprüfung zurück, schränkte aber den Einfluss von Menschen auf die Trend-Auswahl drastisch ein. dpa

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