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Medien: Natascha Kampusch und ihr Albtraum von 3096 Tagen

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Natascha Kampusch und ihr Albtraum von 3096 Tagen

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    Natascha Kampusch bei der Filmpremiere von "3096 Tage".
    Natascha Kampusch bei der Filmpremiere von "3096 Tage". Foto: Herbert Neubauer, dpa

    Ist die blonde junge Frau ein Opfer der Medienwelt? Oder weiß die überraschend selbstsicher, aber auch irgendwie rätselhaft auftretende Natascha Kampusch genau, was sie tut? Angesichts ihres dramatischen Schicksals scheint die 25-jährige Wienerin sehr professionell mit der Geschichte ihrer dramatischen Entführung umzugehen.

    Eine öffentliche Aufarbeitung

    Am Montagabend war in Wien Premiere des Kinofilms "3096 Tage" nach dem gleichnamigen Buch, am Donnerstag soll er in die deutschen Kinos kommen. Die Geschichte des von dem Entführer Wolfgang Priklopil in einem engen Kellerverlies gefangen gehaltenen Mädchens hatte weltweite Aufmerksamkeit ausgelöst.

    "Ich hatte das Gefühl, selbst wenn es mir gelingen würde, kein Interview zu geben, würden die Paparazzi Fotos schießen und es würden dann Artikel zu dem Thema erscheinen, die jeglicher Authentizität entbehren", sagt sie unlängst in der Talkshow bei Günther Jauch. Diese öffentliche Aufarbeitung des Geschehens ist sicherlich ungewöhnlich, auch mutig, manche empfinden das Vorgehen als geschmacklos. Für Krimiautoren, die die psychologische Komponente bevorzugen, wäre der an sich tragische Fall ein gefundenes Fressen.

    Forennutzer gehen hart ins Gericht

    Der Hass, der Kampusch vor allem in ihrer Heimat Österreich entgegenschlägt, ist indes nur schwer nachzuvollziehen. Schon 2006, kurz nach der Flucht aus dem winzigen Kellerverlies, in dem Wolfgang Priklopil sie achteinhalb Jahre gefangen hielt, kursierten merkwürdigerweise die ersten Verschwörungstheorien: Zu gefasst wirkte die damals 18-Jährige für viele bei ihrem ersten Fernsehinterview, zu wenig erfüllte sie das Klischee des gebrochenen Opfers.

    "I hab von Anfang an gesagt, dass die Kampusch nicht die ganze Wahrheit sagt!", orakelt beispielsweise ein Nutzer im Online-Forum der Boulevardzeitung Österreich. "Liebe natascha, bitte tu mir einen gefallen, verabschiede dich von der öffentlichkeit, das ist ja schon peinlich wie du dich immer wieder an die öffentlichkeit drängelst", heißt es bei Facebook.

    Der Fall Natascha Kampusch

    Die Entführung der Wienerin Natascha Kampusch gehört zu den spektakulärsten Kriminalfällen Österreichs und sorgte weltweit für Aufsehen.

    Der Nachrichtentechniker Wolfgang Priklopil kidnappte am 2. März 1998 die damals Zehnjährige auf dem Weg zur Schule, weil er sich nach Vermutung der Polizei eine ideale Gefährtin erziehen wollte.

    Er hielt das Mädchen achteinhalb Jahre in einem fünf Quadratmeter kleinen Kellerverlies unter seinem Haus im österreichischen Strasshof gefangen und misshandelte es.

    Am 23. August 2006 gelang der jungen Frau aus eigener Kraft die Flucht. Der Entführer brachte sich am selben Tag um.

    Das Medieninteresse an Kampusch war riesig. Rund zwei Wochen nach ihrer spektakulären Flucht gab sie im Fernsehen ein großes Interview.

    Ihr 2010 erschienenes Buch „3096 Tage“ führte monatelang die Bestsellerlisten an.

    2013 lief die Verfilmung ihres Buches "3096 Tage" in den deutschen Kinos an.

    2013: Das internationale Expertenteam bestätigt, dass Priklopil «mit hoher Wahrscheinlichkeit» keine Mithelfer hatte und Einzeltäter war.

    Februar 2016: Die Wiener Polizei prüft nach einer Anzeige die Todesumstände des Entführers erneut.

    März 2016: Es wird bekannt, dass Priklopil sein Opfer während der Gefangenschaft gefilmt hatte. Die Ermittler stufen das mehrstündige Videomaterial als nicht relevant ein.

    Juni 2016: Kampusch verliert vor dem Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung gegen das Buch «Der Entführungsfall Natascha Kampusch - Die ganze beschämende Wahrheit». Die Wienerin betrachtete die Schilderung des Videomaterials von Priklopil als Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts.

    August 2016: Zum zehnten Jahrestag ihrer Flucht bringt Kampusch ihr zweites Buch «Natasche Kampusch: 10 Jahre Freiheit» heraus.

    Die auf internationalen Erfolg schielende Verfilmung, noch von dem inzwischen verstorbenen Produzenten Bernd Eichinger gestartet, zeigt auch, dass Kampusch von Priklopil missbraucht wurde. Worüber die junge Frau zuvor nie gesprochen hatte. Aber sie hat die Szene zugelassen. Der Film der Regisseurin Sherry Horman ("Wüstenblume") verwischt die Wiener Komponente und damit Authentizität durch seine internationalen Darsteller.

    Heute sei nicht mehr Priklopil, sondern die Öffentlichkeit der selbst ernannte Wärter über Kampuschs Leben, schreibt die Tiroler Tageszeitung. Doch man dürfe der jungen Frau nicht verwehren, die Geschichte ihres Lebens zu erzählen: "Und sie muss es wohl auch. Um zu sich zu finden. Wen’s stört, der soll weghören." mit dpa

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