Er traf Norwegen mitten ins Herz: Anders Breivik hat die unfassbaren Attentate vom vergangenen Sommer bereits gestanden. Den Prozess will er nutzen, um für seine Ideologie zu werben. Die wichtigste Frage bleibt: Ist der 33-Jährige schuldfähig oder aber doch geisteskrank?
Anwalt: Breivik würde das selbe noch einmal tun
Er würde es wieder tun. Anders Behring Breivik gibt zu, 77 Menschen kaltblütig ermordet zu haben. Für Norwegen die schlimmste Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg - ein unfassbares Massaker, das dem Land im vergangenen Sommer den Atem raubte. Doch der 33 Jahre alte Islamhasser bereue nichts, sagt sein Anwalt Geir Lippestad. "Könnte er wählen, würde er das selbe noch einmal tun." Ab 16. April steht Breivik wegen Terrorismus und Mordes vor Gericht.
Für viele Norweger ist der 22. Juli längst genauso zum Stichtag geworden, wie 9/11 - die Terroranschläge vom 11. September 2001 - für die Amerikaner. Breivik traf mitten ins Herz der Hauptstadt: Im sommerlich trägen Osloer Regierungsviertel explodierte eine gewaltige Bombe - acht Menschen tot, Hunderte verletzt, Bilder wie im Krieg.
Während Oslo schockgelähmt war, verwandelte sich die idyllische Fjordinsel Utøya zur tödlichen Falle für politisch engagierte Jugendliche. Als Polizist verkleidet habe Breivik sie im Feriencamp der sozialdemokratischen Jugend gezielt erschossen, sagen die Staatsanwälte Inga Bejer Engh und Svein Holden. Allein 52 junge Sozialdemokraten starben an Kopfschüssen, 17 weitere an anderen Verletzungen. Die Anklageschrift listet jedes Todesopfer mit Fundort und Verletzung auf.
Zweites Gutachten bezeichnet Breivik als zurechnungsfähig
Beide Verbrechen seien als Terrorakte zu werten, sind die Staatsanwälte überzeugt. "Der Angeklagte hat ein sehr ernstes Verbrechen in einem noch nie dagewesenen Ausmaß in der heutigen Zeit in unserem Land begangen", schreiben sie. Gefordert wird die Höchststrafe von 21 Jahren Haft oder die Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt.
Die wichtigste Frage bleibt: Ist Breivik ein kühl kalkulierender Mörder oder ein ideologisch verwirrter Wahnsinniger? In einem ersten Gutachten hatten Psychologen ihn als nicht schuldfähig eingestuft, als geisteskrank. Ein zweites Gutachten bezeichnete ihn am Dienstag als "nicht psychotisch", er sei zum Zeitpunkt der Tat voll zurechnungsfähig gewesen. Jetzt muss das Gericht entscheiden, ob Breivik bei einer Verurteilung Gefängnis oder Psychiatrie erwartet.
Anders Breivik fordert Nominierung für einen Kriegsorden
Zehn Wochen lang soll Breivik vor Gericht stehen, das Urteil rechtzeitig vor dem ersten Jahrestag des Attentats fallen. 46 Überlebende des Utøya-Blutbades sollen aussagen. Sie freue sich nicht darauf, fühle sich aber verpflichtet, sagte die 18-jährige Marte Fevang Smith der Zeitung "Dagbladet". "Ich muss erzählen, was die anderen nicht mehr können." Die Verteidiger wollen rund 40 Zeugen aufrufen, unter anderem Experten für politische Ideologien und Islamisten.
Auch Breivik selbst darf eine Woche lang über seine ideologischen Motive sprechen. "Wir wollen versuchen, seine Erklärung auf das zu begrenzen, was relevant für den Prozess ist", kündigt Ankläger Holden an. Bei einer Anhörung hatte Breivik seine sofortige Freilassung und die Nominierung für einen Kriegsorden verlangt. Er habe "in Notwehr im Namen meines Volkes, meiner Kultur und meines Landes gehandelt".
Prozess: Breivik wird mit schusssicherem Glas vor möglichen Racheakten geschützt
Medien erwarten den größten Prozess in der Geschichte Norwegens. Breiviks Opfer stammten aus dem ganzen Land. Für ihre Angehörigen wird der Prozess in zahlreichen Gerichtsgebäuden live übertragen. Der Osloer Gerichtssaal wurde für den Besucher- und Medienansturm umgebaut - unter anderem mit einer schusssicheren Glasscheibe, die Breivik vor möglichen Racheakten schützen soll.
Der Islamhasser soll nie wieder einem Menschen schaden können, hat sich die Regierung zum Ziel gesetzt. Sie will ein Hochsicherheits- Krankenhaus bauen. Der Nachrichtenagentur NTB zufolge könnte es hinter den Mauern des Gefängnisses öffnen, in dem Breivik derzeit sitzt. Hier könnte der mutmaßliche Massenmörder - auch wenn das Gericht ihn für unzurechnungsfähig halten sollte - für den Rest seines Lebens eingesperrt bleiben. dpa