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Mädchen starb nicht an Erreger von 2011: Ehec-Forscher: "Der Keim ist noch da"

Mädchen starb nicht an Erreger von 2011

Ehec-Forscher: "Der Keim ist noch da"

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    EHEC-Forscher Helge Karch bleibt dem Killer-Keim auf der Spur.
    EHEC-Forscher Helge Karch bleibt dem Killer-Keim auf der Spur. Foto: dpa

    Ein erstes Ergebnis steht fest: Das in Hamburg an den Folgen von Ehec gestorbene sechsjährige Mädchen war nicht am Epidemie-Erreger aus dem Frühsommer 2011 erkrankt. Ein Schnelltest habe keinerlei Übereinstimmung mit dem Erregertyp 0104 ergeben, sagte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) am Dienstag. "Das ist ein sehr beruhigendes Ergebnis." Da es sich aber im aktuellen Fall um eine EHEC-Infektion mit einem schnellen und tragischen Verlauf handele, werde die Suche nach dem Erreger nicht aufgegeben.

    Bisher keine Ehec-Bakterien auf Lebensmitteln gefunden

    Mit Ergebnissen der zeitaufwendigen Untersuchungen wird erst in der kommenden Woche gerechnet. Unklar ist weiter, wie sich die Erstklässlerin ansteckte. Bei mehr als 20 Lebensmittelproben aus dem Haushalt der Familie und aus Geschäften, in denen sie regelmäßig einkauft, konnten bislang keine Ehec-Bakterien nachgewiesen werden. Auch das Essen im Kinderhort wird nicht als Infektionsquelle angesehen. "Wir untersuchen noch mehr Proben. Es kann aber durchaus sein, dass man es nicht mehr zurückverfolgen kann", sagte eine Sprecherin der Gesundheitsbehörde.

    Keime, Kranke und Verluste - EHEC in Zahlen

    Keime, Kranke und Verluste - EHEC 2011 in Zahlen:

    In elf anderen Ländern gab es 2011 laut Weltgesundheitsorganisation EHEC- und Hus-Fälle, bei denen die Patienten eine Verbindungen nach Deutschland hatten.

    Bis zu 40 Blutkonserven am Tag benötigt ein EHEC-Patient bei besonders schwerem Krankheitsverlauf.

    Mindestens 30 Sekunden lang sollte man sich mit Seife nach dem Gang zur Toilette die Hände waschen, um Bakterien zu entfernen.

    Mindestens 10 Minuten bei 70 Grad sollte Rohkost erhitzt werden.

    Im Schnitt 2,6 Kilo Salat, 6,4 Kilo Gurken und 24 Kilo Tomaten aß laut Statistik jeder Deutsche von April 2009 bis März 2010.

    50 Millionen Euro Umsatzeinbußen verbuchten damals deutsche Gemüsebauern laut Bauernverband.

    200 Millionen Euro Verlust pro Woche machten spanische Bauern nach Verbandsangaben als Folge der deutschen Warnung vor ihren Gurken.

    150 Millionen Euro Entschädigung sollten Europas Gemüsebauern nach dem Willen der EU-Kommission erhalten.

    Doch woher kam bereits der Ehec-Keim von 2011? Wie ist er entstanden? Das treibt Helge Karch, Direktor des Instituts für Hygiene an der Uniklinik Münster, und sein Team um. Das hatte im Mai 2011 das Erbgut des Erregers entziffert. Von Anfang Mai bis Anfang Juli waren in Deutschland rund 3800 Menschen an dem Keim erkrankt.

    Auf wichtige Fragen rund um den Ausbruch des tödlichen Keims wissen selbst Experten wie Karch noch keine Antwort. "Bis heute ist unklar, wo der Ausbruchsstamm entstanden ist", sagte der 58-Jährige. "Er könnte aus Afrika stammen, aber auch aus Asien oder woher auch immer."

    Zukünftige Ausbrüche verhindern

    Daten von Forschern über Europas Grenzen hinaus müssten zusammengebracht werden, um das Wissen zu bündeln, erklärte der EHEC-Experte. "Wir müssen alles tun, um zukünftige Ausbrüche zu verhindern."

    Selbst Experten waren im Mai überrascht von der Wucht, mit der sich der Keim ausbreitete. "Ich bin kein Angsthase und beschäftige mich schon lange mit EHEC-Stämmen, aber einen Stamm mit diesem Potenzial hatte es bis dahin nicht gegeben", sagte Karch rückblickend. Für die Forscher war es die Aufgabe ihres Lebens, dem gefährlichen Keim auf den Leib zu rücken. "Wir haben Tag und Nacht daran gearbeitet, den neuen Erregertyp zu identifizieren und einen Test zu entwickeln, um den Stamm spezifisch nachweisen zu können."

    Keinen neuen Ausbruch befürchtet

    Vier Stunden Schlaf mussten den Forschern reichen, denn Patienten bundesweit hofften auf schnelle Ergebnisse. Auch heute sieht Karch die aggressive Gen-Kombination aus zwei Bakterienstämmen namens O104:H4 jede Woche noch in Stuhlproben. "Manche Patienten scheiden den Keim noch aus, andere haben sich neu infiziert." Aber: "Es sieht so aus, als hätte er sich ein bisschen abgeschwächt."

    Dass in naher Zukunft ein neuer großer Ausbruch auf Deutschland zukommt, glaubt Karch nicht. "Aber versprechen kann ich das nicht. Wir müssen wachsam sein und EHEC im Auge behalten." Therapien müssten entwickelt und die Erkrankung früher diagnostiziert werden. "Wenn die Patienten blutigen Durchfall haben, muss man schon an EHEC denken."

    Auch emotional lässt Karch die Zeit um den Ausbruch mehr als sechs Monate danach nicht los. "Mich bewegt das immer noch. Am Tag kann ich mich ganz gut ablenken, aber ich träume noch von dieser Zeit, und von den Fragen, was man machen kann und muss. Das ist eine Zeit, die einem bis zum Lebensende im Gedächtnis bleibt." AZ, dpa

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