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"Luna frisst oder stirbt"
30.10.2021

Am Sonntag wird das Frankfurter "Tatort"-Team zum Lesekreis: Zum Abschalten!

Von Daniel Wirsching

Ein Frankfurter "Tatort", der kurz nach der Frankfurter Buchmesse im Literaturbetrieb spielt? Warum nicht? Darum nicht: Janneke und Brix kommen in der langweiligen Geschichte über Statistenrollen nicht hinaus.

Egal wie es anfängt, für mich endet es immer gleich. Genau hier. Friss oder stirb“, sagt Jungautorin Luise Nathan (Jana McKinnon) in eine Kamera während der Vorstellung ihres Debütromans. „Luna frisst oder stirbt“ heißt der, und ist eine Sensation. Wie die 19-Jährige, die noch zu den derbsten Schimpfwörtern bezaubernd lächelt. In einem TV-Beitrag wird ihr Buch als „Kampfansage“ bezeichnet. Es erzähle aus dem harten Leben des Teenagers Luna. Jungautorin Luise Nathan – die im Unterschied zu ihrer Freundin Nellie Kunze (Lena Urzendowsky) keineswegs aus prekären Verhältnissen stammt – erhebe ihre Stimme gegen die Chancenungleichheit.

Sie selbst sagt: „Wenn ich’s so schwer hätte wie Luna, vielleicht würde ich dann auch am Abgrund stehen und mir die Frage stellen, ob ich springe.“ Nach der Buchpremieren-Party entdeckt man sie tot unter einer Mainbrücke. Ist sie gesprungen, ein Suizid?, ist die erste Frage, die sich stellt. Später dreht sich alles um eine andere Frage: Wie viel Luna steckte eigentlich in Luise – und ihrer Freundin Nellie?

Der Frankfurter „Tatort“ ist langweilig. Vor allem wegen seiner Figuren. Die bleiben flach und klischeehaft

Der „Tatort“ aus Frankfurt am Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten spielt also, kurz nach der Frankfurter Buchmesse, im Literaturbetrieb. Liegt ja nahe, warum nicht? Und der „Tatort“-Kritiker, ein früherer Germanistikstudent, denkt sofort an den Frankfurter Johann Wolfgang Goethe und dessen Werk „Dichtung und Wahrheit“. Doch zum Glück gibt es keine offensichtlichen Anklänge. Das Ermittlerteam jedenfalls wird zum Lesekreis: Aus Luises Buch erfährt es, welch abgestandene Idee, was geschah.

Wer will, kann diesen „Tatort“ für sein einigermaßen überraschendes Ende gut finden. Oder für seine in die Ermittlungshandlung einigermaßen kunstvoll eingewobenen „Visionen“ der Kommissare, die Szenen aus Luises Roman „lebendig“ werden lassen. Oder für Lena Urzendowsky, die Nellie einigermaßen eindringlich darstellt.

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Foto: Bettina Müller, HR, ARD, dpa
Foto: Bettina Müller, HR, ARD, dpa

Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) fragen sich: Warum musste Luise sterben? Und das fragen die Frankfurter Ermittler auch deren Freundin Nellie (Lena Urzendowsky) in einer Szene der "Tatort"-Folge "Luna frisst oder stirbt".

Aber im Grunde ist dieser „Tatort“ – langweilig. Vor allem wegen seiner Figuren. Die bleiben flach und klischeehaft (ein weinerlicher Lektor im Rollkragenpullover; ein Verleger, dessen wirtschaftliche Existenz an einem einzigen Buch hängt). Am ärgerlichsten sind die Ermittler Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch). Ihre hölzernen Dialoge reichen kaum über Ermittlerfiguren-Standardsätze („Ich müsste mir dann Luises Zimmer ansehen“, „Das hohe Spurenaufkommen deutet auf eine Affekttat hin“) hinaus. Ihre Mimik ist sparsam, ihre Bewegungen sind irritierend langsam und ihre Sprechpausen sind quälend lange: zwei Hauptdarsteller, die agieren wie Statisten.

Ein „Tatort“ aus dem Literaturbetrieb aus Frankfurt kurz nach der Buchmesse – warum nicht? Darum nicht.

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