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Lindenstraße: Aus für die Lindenstraße: Warum die Serie zum Kult wurde

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Aus für die Lindenstraße: Warum die Serie zum Kult wurde

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    Das waren noch Zeiten in der Lindenstraße. In der Familie Beimer ging es oft hoch her. Mutter Beimer 1986 mit ihrem Hansemann, der Tochter Marion sowie den Söhnen Benny und Klausi (von links nach rechts).
    Das waren noch Zeiten in der Lindenstraße. In der Familie Beimer ging es oft hoch her. Mutter Beimer 1986 mit ihrem Hansemann, der Tochter Marion sowie den Söhnen Benny und Klausi (von links nach rechts). Foto: dpa

    Erinnern Sie sich noch? 1985 führt die Schweiz die Autobahnmaut ein, Martin Bangemann wird auf dem Parteitag in Saarbrücken als Nachfolger von Hans-Dietrich Genscher zum neuen Bundesvorsitzenden der FDP gewählt und Modern Talking dudelt erstmals „Chery, Chery Lady“. Als TV-Junkie weiß man außerdem vielleicht: Das Erste führt am 8. Dezember mit der Serie „Die Lindenstraße“ ein neues Format ein.

    Sie wurde zum Kult, weil sie sozusagen einen Schlüssellochblick in deutsche Wohnzimmer bot. Realistisch, problembezogen und aktuell. Und sie wird jetzt, nach über 30 Jahren, eingestellt. Weil sich die Fernsehprogrammkonferenz der ARD mehrheitlich gegen eine Verlängerung des Produktionsvertrags ausgesprochen. Im März 2020 soll der letzte Serienteil ausgestrahlt werden.

    Für die Fans, die in den vergangenen Jahren zugegebenermaßen immer weniger wurden, dürfte das Ende zu regelrechten Entzugserscheinungen führen. Mutter Beimer und ihr Hansemann, der ja in der Serie seit Jahrzehnten mit einer anderen liiert war, gehörten für viele zum Fernsehsonntag wie die „Sportschau“ oder der „Tatort“.

    Lindenstraße wirkte aus der Zeit gefallen

    Irgendwie wirkte die „Lindenstraße“ zwar bildästhetisch aus der Zeit gefallen, auch wenn der Erfinder und Produzent der Serie, Hans W. Geißendörfer, zuletzt durch neue Charaktere jugendlichere Zielgruppen ansprechen wollte. Hans und Helga Beimer wiederum wohnten gefühlt schon immer in der „Lindenstraße“. Die Frankfurter Allgemeine schrieb kurz vor dem Serientod Hansemanns am 2. September: „Ein Paar, das in seiner sozialdemokratischen Biederkeit dem christdemokratischen Spitzenduo Hannelore und Helmut Kohl gar nicht unähnlich war.“

    Gespielt wurde Hans Beimer von Joachim Hermann Luger, der einen biederen Ehemann und Vater dreier Kinder aus ihm machte. Der sich irgendwann frauentechnisch aber neu orientierte. Helga Beimer, verkörpert von Marie-Luise Marjan, hat als Mutter der Nation ihren Mann trotzdem nie ganz aufgegeben. Sie war eine Glucke, eine gleichzeitig schwache wie starke Frau, Die beiden waren die zentrale Achse, um die sich die Serie drehte.

    Die „Lindenstraße“ bot Schwarzbrot statt Schwarzwald. Und ihre Bewohner sahen nicht aus wie Sascha Hehn, sondern eben wie Hans Beimer, schrieb die FAZvor Wochen. Der war kein Arzt, sondern ein Sozialarbeiter, der seine Helga in der Serie schon 1968 geheiratet hatte. Aber Ärzte gab es in der „Lindenstraße“ natürlich auch. Von Carsten Flöter, Sohn des rollstuhlfahrenden Arztes Dr. Dreßler, lernten wir Deutsche, dass Schwulsein etwas ganz Normales ist. Viele Jahre führt der Allgemeinmediziner erfolgreich seine Arztpraxis in der Münchener Lindenstraße.

    Die Schauspieler Georg Uecker (in der Serie Dr. Carsten Flöter) und Alexa Maria Surholt (Sarah Marquardt) bei einem Fototermin zur Fernsehserie.
    Die Schauspieler Georg Uecker (in der Serie Dr. Carsten Flöter) und Alexa Maria Surholt (Sarah Marquardt) bei einem Fototermin zur Fernsehserie. Foto: Henning Kaiser, dpa (Archiv)

    Lindenstraße: Spötter sprachen von "Sozialkitsch"

    Es gäbe so viel zu erzählen, kleine und große Dramen: Hochzeit und Scheidung, Geburt und Tod, Krankheit, Behinderung, Arbeitslosigkeit, Vatermord, Verwerfungen durch Krieg und politischen Extremismus. Dass zuweilen auf recht pädagogische Weise versucht wurde, zum Nachdenken über aktuelle politische Themen anzuregen, rief freilich auch immer wieder Spötter auf den Plan, die die „Lindenstraße „Sozialkitsch“ nannten.

    Ob man sie deswegen gleich ganz abschalten musste? In Zeiten der Quotendiktatur im Fernsehen hatte man im Grunde seit Jahren darauf gewartet.

    Ob die Sparzwang-Begründung der Sender-Verantwortlichen alle Zuschauer überzeugt, darf bezweifelt werden. Brancheninformationen zufolge kostet eine Folge „Lindenstraße“ knapp 190.000 Euro, aufs Jahr gerechnet wären dies etwa acht Millionen Euro. Für Sportrechte gibt die ARD hingegen 250 Millionen Euro im Jahr aus – die Gesamtsumme für die Sportberichterstattung im Ersten, in den Dritten Programmen und in den Digitalkanälen lag 2014 und 2015 sogar bei je 366 Millionen Euro. Davon hätte man Deutschlands langjährigste Serie noch 46 Jahre lang produzieren können. Kurz nach Bekanntgabe des „Aus“ machte sich in den Sozialen Netzwerken Protest gegen die Entscheidung bemerkbar.

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