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Kunstraub: Grünes Gewölbe: Polizei veröffentlicht Überwachungsvideo

Kunstraub

Grünes Gewölbe: Polizei veröffentlicht Überwachungsvideo

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    Das Juwelenzimmer im Historischen Grünen Gewölbe im Dresdner Schloss der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden SKD.
    Das Juwelenzimmer im Historischen Grünen Gewölbe im Dresdner Schloss der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden SKD. Foto: Sebastian Kahnert, dpa

    Bestürzung, Kopfschütteln, ungläubige Gesichter: Vor den Türen des Dresdner Residenzschlosses stehen am Montagmorgen zahlreiche Besucher vor verschlossenen Türen. Ein Schild am Eingang weist darauf hin, dass das Museum aus "organisatorischen Gründen" geschlossen bleibt. 

    Die Nachricht ist ein Schock: Es gab einen spektakulären Kunstraub in Dresdens weltberühmter Schatzkammer - dem Grünen Gewölbe. Drei Juwelengarnituren ließen die unbekannten Diebe aus der Schmucksammlung mitgehen. Stücke von unschätzbarem Wert. 

    Ministerpräsident Kretschmer bestürzt über Einbruch in Grünem Gewölbe

    "Es ist bedrückend, dass man in solche Einrichtungen überhaupt einbrechen kann", sagt der 77 Jahre alte Holger Heidrich, ein Kunstliebhaber mit Jahreskarte für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), sichtbar fassungslos. Er habe immer geglaubt, die Kunstschätze seien "bombensicher", so Heidrich.  

    Wie konnten die Diebe in das Residenzschloss eindringen? So sicher sind die Schätze im Grünen Gewölbe, das Juwelen, Diamanten und andere wertvolle Kunstschätze beherbergt, offenbar nicht: Die Polizei berichtet von Aufzeichnungen der Überwachungskamera, die im Juwelenzimmer zwei Einbrecher zeigt. Offenbar konnten die Diebe am Montagmorgen gegen 05.00 Uhr durch ein Fenster Richtung Schlossplatz einsteigen, haben dafür das Gitter durchtrennt und ein Fenster mit Sicherheitsglas eingeschlagen. Zielsicher seien sie auf eine Vitrine zugegangen und hätten diese zertrümmert. Die mit Panzerglas geschützte Vitrine hielt den Werkzeugen der Räuber nicht stand.

    Zwei Wachleute, die in der Zentrale Dienst haben, beobachten die Täter während der Tat über Monitore. Nach den Vorgaben dürfen sie nicht selbst eingreifen, sondern müssen die Polizei informieren. Die nimmt eine Minute vor 5 Uhr am Morgen den Notruf entgegen. Fünf Minuten später ist der erste Funkstreifenwagen vor Ort, die Täter aber schon auf und davon - offenkundig wieder durch das Fenster. 

    Die Polizei geht davon aus, dass ein Fluchtfahrzeug bereitstand. Fest steht, dass es zu diesem Zeitpunkt stockdunkel am Dresdner Schloss war. Da kurz zuvor ein Elektroverteiler nahe des Schlosses brannte, ist das Straßenlicht aus. Die Polizei untersucht, ob es einen Zusammenhang gibt, die Täter womöglich gezielt vorgingen, um unbemerkt in das Schloss zu kommen. Und dann ist da noch die Frage, wie viel Insiderwissen die Täter hatten. Im Internetauftritt der SKD gibt es auch einen virtuellen Rundgang durch das Grüne Gewölbe. 

    Grünes Gewölbe: Stromzufuhr war am Morgen unterbrochen

    Spektakuläre Diebstähle aus Museen

    Der Einbruch ins Dresdener Grüne Gewölbe reiht sich ein in eine Liste spektakulärer Diebstähle aus Museen: Berlin, März 2017: Aus dem Bode-Museum auf der Museumsinsel stehlen Einbrecher eine 100 Kilogramm schwere Goldmünze im Wert von 3,75 Millionen Euro. Seit Januar 2019 stehen mehrere Männer vor Gericht. Die Polizei nimmt an, dass die Münze eingeschmolzen wurde.

    Verona, November 2015: Bewaffnete rauben aus dem Museum Castelvecchio 17 Renaissance- und Barockgemälde im Wert von geschätzt etwa 15 Millionen Euro. Die Bilder etwa von Tintoretto und Peter Paul Rubens tauchen wieder auf. Die Täter müssen bis zu rund 10 Jahre in Haft.

    Zürich, Februar 2008: Bewaffnete Männer rauben vier Ölgemälde im Wert von 180 Millionen Schweizer Franken aus der Sammlung Bührle, darunter Werke von Claude Monet und Vincent van Gogh. Vier Jahr später sind alle Bilder wieder da. Die Täter kommen bis zu sieben Jahre in Haft.

    Oslo, August 2004: Bewaffnete überfallen das Munch-Museum und rauben eine Version des Gemäldes «Der Schrei» und das Werk «Madonna». Schätzwert: insgesamt 90 Millionen Euro. Beide Gemälde tauchen wieder auf, die Diebe müssen für mehrere Jahre ins Gefängnis.

    Berlin, April 2002: Neun Gemälde bekannter Expressionisten im Wert von rund 3,6 Millionen Euro verschwinden aus dem Brücke-Museum. Wenige Wochen später werden die Bilder von Künstlern wie Emil Nolde oder Max Pechstein sichergestellt. Die Täter wurden zu Gefängnisstrafen von bis zu fünfeinhalb Jahren verurteilt.

    Frankfurt, Juli 1994: Diebe überwältigen nachts den Sicherheitsdienst der Kunsthalle Schirn und stehlen drei Bilder von William Turner und Caspar David Friedrich. Versicherungswert: 70 Millionen D-Mark. Jahre später tauchen die Bilder wieder auf. Die Täter kommen bis zu elf Jahre in Haft, die Hintermänner bleiben unbekannt.

    Gotha, Dezember 1979: Bei einem bis heute unaufgeklärten Kunstraub werden aus Schloss Friedenstein fünf Gemälde mit einem damaligen Wert von 4,5 Millionen D-Mark gestohlen - etwa von Jan Brueghel dem Älteren und Hans Holbein. Die Straftat ist mittlerweile verjährt. (dpa)

    Bisher sind die Täter auf der Flucht. Der Einbruch wirft auch Fragen nach dem Sicherheitskonzept auf. 

    Das Juwelenzimmer gilt als der prachtvollste Raum des Grünen Gewölbes. Täfelungen, Spiegel, Türbekrönungen mit Kurhut und Königskrone, Pilaster und Marmorfußboden wurden nach historischen Quellen rekonstruiert. In vier Hightech-Vitrinen liegen verschiedene Kostbarkeiten mit Brillanten, Diamanten, Smaragden, Rubinen und Saphiren - darunter der weltgrößte blaue Stein dieser Art. Im Juwelenzimmer befinden sich auch die "Juwelen der Königin": drei Meter Diamanten und Brillanten auf tiefdunkelblauer indischer Rohseide.

    Der Direktor des Grünen Gewölbes, Dirk Syndram, bezeichnet die gestohlenen Juwelen als eine "Art Weltkulturerbe". Es gebe nirgendwo in Europa eine Juwelengarnitur in dieser Form und Qualität, die Diamanten seien im 18. Jahrhundert geschliffen worden. In vier Vitrinen waren insgesamt zehn Garnituren ausgestellt, eine Vitrine mit drei Garnituren wurden ausgeraubt. Zunächst konnten Syndram und Kollegen selbst den Schaden gar nicht in Augenschein nehmen. Erst sollte die Spurensicherung ihre Arbeit verrichten. 

    August der Starke ließ die Schatzkammer anlegen

    Der Schock sitzt tief: Mitarbeitern der Staatlichen Kunstsammlungen stehen am Montag die Tränen in den Augen. "Das ist wie in einem schlechten Film. Ich hätte nie gedacht, dass sich so etwas mal erleben muss", sagt eine Mitarbeiterin. Betroffenheit auch in Gesichtern derjenigen, die wenig später das Unerklärbare erklären müssen. 

    "Ich brauche ihnen nicht zu sagen, wie schockiert wir sind, auch von dieser Brutalität des Einbruchs", sagt SKD-Generaldirektorin Marion Ackermann. Es handle sich um einen "unschätzbaren kunsthistorischen und kulturhistorischen Wert". August der Starke habe sich ja immer im Wettbewerb befunden mit Ludwig dem XIV. Mit solchen Garnituren habe er den Sonnenkönig hinter sich lassen wollen. Die besondere Bedeutung liege darin, dass die Garnituren als Ensembles erhalten blieben. Ackermann spricht von Sachsens Staatsschatz des 18. Jahrhunderts. 

    Innenminister Roland Wöller (CDU) spricht von einem bitteren Tag für das kulturelle Erbe in Sachsen, Regierungschef Michael Kretschmer (

    Blick ins Grüne Gewölbe im Dresdner Schloss.
    Blick ins Grüne Gewölbe im Dresdner Schloss. Foto: Sebastian Kahnert, dpa

    Der Grüne Diamant wird in New York ausgestellt

    Das Historische Grüne Gewölbe ist eines der weltberühmten Museen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und ein barockes Gesamtkunstwerk. In den im Zweiten Weltkrieg zerstörten und prachtvoll rekonstruierten Räumen des Residenzschlosses sind rund 3000 Schmuckstücke und andere Meisterwerke aus Gold, Silber, Edelsteinen und Elfenbein zu sehen. Das 1723 bis 1729 eingerichtete Prunkstück der Kunstsammlung des legendären Kurfürst-Königs August der Starke (1670-1733) gilt als eine der reichsten Schatzkammern Europas.

    Deshalb verwundert es, dass Diebe mit mechanischen Werkzeugen vergleichsweise ungehindert in die Räume eindringen konnten. Ackermann muss sich den Fragen stellen. "Wir sind auf dem Stand gewesen, das ist das, was man tun kann", beschreibt sie die Sicherheitsvorkehrungen. In allen Museen der Welt sei es so, dass Menschenleben vor allem anderen gehen würden. Deshalb hätten die Wachleute zuerst die Polizei informieren und nicht selbst nachsehen müssen. Wann immer auf der Welt ein Einbruch in ein Museum passiert sei, habe man intern einen Abgleich vorgenommen. Ackermann ist die Ratlosigkeit anzumerken. 

    Während drinnen im Schloss der Ermittlungsstand rekapituliert wird, wächst draußen vor dem Schloss die Menge der Schaulustigen. Die Polizei hat anders als noch am Vormittag größere Teile der Sophienstraße abgesperrt. Auch Gäste des Hotels, das dem Residenzschloss gegenüberliegt, sollen als mögliche Augenzeugen befragt werden. Denn bisher hat die Polizei nur zwei Zeugen - die Wachleute in der Sicherheitszentrale. (dpa)

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