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Kulikitaka-Challenge: Kühe-Erschrecken: Bauern kritisieren Aktion als "unverantwortlich"

Kulikitaka-Challenge

Kühe-Erschrecken: Bauern kritisieren Aktion als "unverantwortlich"

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    Bergwanderer sollten einige Regeln beachten, wenn sie einer Herde begegnen.
    Bergwanderer sollten einige Regeln beachten, wenn sie einer Herde begegnen. Foto: Groder/APA, dpa (Symbol)

    Tiere zu erschrecken, ist aktuell im Trend auf der bei Jugendlichen beliebten Videoplattform "TikTok". "Kulikitaka" heißt die Challenge, bei der seit Neuestem vornehmlich Kühe erschreckt werden. Das Prinzip dahinter: Jedes Video beginnt mit dem gleichnamigen Lied von Toño Rosario. Zu sehen ist eine Person, die sich vor Kühen, Pferden, Hunden oder Katzen aufstellt, erst den Kopf senkt, dann nacheinander den linken und rechten Arm hebt und schließlich mit beiden Armen fuchtelnd losrennt, um die Tiere in Panik zu versetzen. Unter Hashtags wie "scaringacow" und "kulikitaka" oder der Beschreibung "Funny Ghost Scare" (etwa "lustiges, gespensterhaftes Erschrecken") kursieren bereits zahlreiche Videos im Internet. Besonders oft werden neuerdings Kühe Opfer dieser Challenge. Landwirte sind entsetzt und appellieren an den gesunden Menschenverstand.

    "Der Bayerische Bauernverband hat keinerlei Verständnis für diese Selbstdarstellung"

    Obwohl sich die "Kulikitaka"-Challenge im Netz großer Beliebtheit erfreut, wurde das Weidevieh in der Region bislang verschont. Dem Bayerischen Bauernverband sind zumindest noch keine vergleichbaren Fälle von Nachahmern im Freistaat bekannt. Auf Anfrage heißt es, man hoffe, dass das so bleibt. Markus Drexler ist sichtlich erbost über den Trend in den Sozialen Medien: "Hier werden unnötig Risiken für Mensch und Tier in Kauf genommen, nur um Klicks und Aufmerksamkeit zu erzielen. Das ist falsch und unverantwortlich!"

    Der Pressesprecher des Bauernverbandes gibt zudem zu bedenken, dass gerade Rinder sehr neugierige Tiere sind und oftmals kaum Scheu haben, auf Menschen zuzugehen. "Gleichzeitig handelt es sich um Tiere, die mehrere Hundert Kilo schwer sind. Wenn diese Tiere aufgrund dieser unverantwortlichen Aktionen in Panik geraten, können sie Unfälle verursachen oder Menschen, andere Tiere oder auch sich selbst verletzen", warnt Drexler.

    Besonders trächtigen Kühen und Mutterkühen mit ihren Kälbern sollten Menschen nicht zu nahe kommen. Was passieren kann, wenn Weidevieh in Panik gerät, bekamen erst vor zwei Wochen deutsche Urlauber in Tirol zu spüren. Am Vilsalpsee im Tannheimer Tal hat eine Herde mit 44 Rindern in Mutterkuhhaltung auf einem umzäunten Weidegebiet innerhalb kurzer Zeit drei deutsche Wanderer verletzt. Die neue "TikTok"-Challenge könnte das Risiko für derartige Kuh-Attacken in Zukunft erhöhen. Markus Drexler signalisiert deutlich: "Der Bayerische Bauernverband hat keinerlei Verständnis für diese Selbstdarstellung ohne Rücksicht auf die Tiere und Sicherheitsaspekte."

    Landwirt aus Österreich kritisiert Challenge: "Schaltet wieder mal euer Hirn ein"

    Landwirt Georg Doppler hat vor wenigen Tagen seinem Ärger über die "Kulikitaka"-Challenge Luft gemacht und mit einem Video in den Sozialen Medien an Hausverstand und Eigenverantwortung appelliert. Mit einer solchen Aktion gefährde man nicht nur die Gesundheit anderer Wanderer, sondern auch das Leben der Tiere, so Doppler. "Was kommt als nächstes? Gibt es überhaupt noch Grenzen? Darf denn jeder alles tun? Ohne Konsequenzen? Einfach weil's grad cool ist und viele Likes bringt?", echauffierte sich der Landwirt. Georg Doppler betreibt einen Biohof mit Rinderzucht in der oberösterreichischen Marktgemeinde Waizenkirchen.

    Und er ist nicht der einzige, der seine Stimme erhebt. Auch die Naturfreundejugend Österreich hat dazu aufgerufen, nicht an der Challenge teilzunehmen.

    Verhaltensregeln und Richtlinien sollen Kuh-Attacken vermeiden

    Zu Kuh-Attacken kommt es immer wieder. Für Aufsehen sorgte besonders ein Vorfall im Sommer 2014. Damals wurde eine 45-jährige Hundehalterin aus Rheinland-Pfalz im Tiroler Stubaital von einer Kuhherde, die offenbar ihre Kälber vor dem Hund schützen wollte, zu Tode getrampelt. Der Landwirt wurde im Februar vergangenen Jahres zu 180.000 Euro Schadensersatz verurteilt, woraufhin das österreichische Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus eine Richtlinie mit „10 Verhaltensregeln für den Umgang mit Weidevieh“ herausgegeben hat, um Landwirte rechtlich besser abzusichern.

    Auch in Bayern gibt es vergleichbare Richtlinien. Der Bayerische Bauernverband hat für seine Mitglieder einen Infoflyer herausgegeben. Darin wird beispielsweise darauf verwiesen, dass von Mutterkühen größere Gefahren ausgehen als von Milchkühen. Landwirte werden auch dazu angehalten, keine Mutterkuhherden auf stark frequentierte Weideflächen zu bringen. Darunter versteht man beim Bauernverband das Zusammenlaufen mehrerer Wanderwege, die Nähe zu Seilbahnen oder zu einer Gastwirtschaft und sonstige durch Wanderer und Radfahrer viel genutzte Wege.

    Zudem gilt: "Im Zweifel sollte die Weide zusätzlich zum Schutz der Erholungssuchenden abschnittsweise eingezäunt werden." Die Richtlinie schlägt je nach Gefahrensituation und Zumutbarkeit einen Elektrozaun oder physische Hindernisse vor. Nutztierhalter haften dem Bauernverband zufolge allgemein nur dann für Schäden Dritter, wenn sie bei der Beaufsichtigung der Tiere nicht die erforderliche Sorgfalt beachtet haben und etwa keine ausreichende Sicherung der Weidefläche gegeben ist.

    Neben der Richtlinie für Landwirte gibt es auch konkrete Verhaltensregeln für Wanderer, Radfahrer und Urlaubsgäste auf Alm- und Alpenflächen in Bayern.

    Verhaltensregeln auf Alm- und Alpflächen in Bayern

    Der Bayerische Bauernverband hat 12 Regeln für die Begegnung mit Weidetieren. Das sollten Wanderer, Radfahrer und Besucher beachten:

    1. Eine Alpe / Alm ist kein Streichelzoo! Meiden Sie direkten Kontakt mit den Tieren.

    2. Machen Sie keine Selfies mit Weidetieren.

    3. Halten Sie Abstand!

    4. Machen Sie einen Bogen um Herden mit Kälbern. Kühe schützen ihre Kälber!

    5. Gehen Sie langsam durch die Weide.

    6. Machen Sie keine hektischen Bewegungen. Tiere sind schreckhaft.

    7. Machen Sie keinen Lärm.

    8. Trennen Sie nicht einzelne Tiere von der Herde.

    9. Leinen Sie Hunde an! Kühe reagieren instinktbedingt nervös auf Hunde. Bei Gefahr: Hunde von der Leine loslassen.

    10. Achten Sie auf Warnsignale der Kühe! Zum Beispiel Senken des Kopfes, Scharren, Brummen und Schnauben.

    11. Nähern Sie sich Kühen nicht von vorne. Kühe haben ein ausgeprägtes seitliches Sichtfeld.

    12. Kehren Sie den Kühen nicht unbeobachtet den Rücken zu. (Quelle: Bayerischer Bauernverband, Stand: April 2019)

    Immenstädter Horn: 13 Rinder stürzen nach nächtlicher Ruhestörung ab

    Dass nicht nur Menschen beim Zusammentreffen mit Kühen verletzt werden können, zeigt ein Fall aus dem Allgäu. Vergangene Woche sind auf der Alpe Alp unterhalb des Immenstädter Horns 13 Rinder abgestürzt, nachdem sie nachts durch plötzlich auftauchende Menschen erschreckt wurden und losstürmten. Wie die Stadt Immenstadt am Montag mitteilte, haben zwei der Jungrinder den bis zu 300 Meter tiefen Absturz nicht überlebt, ein drittes werde noch mit unsicherem Ausgang behandelt. Die übrigen Tiere seien mit einem Schock davongekommen. Die Hirtenfamilie Hengge, die die Alpe Alp bewirtschaftet, erfuhr nur durch Zufall von dem Vorfall. Neben dem Verlust der Tiere ist der wirtschaftliche Schaden nicht versichert, wie aus der Pressemitteilung hervorgeht.

    Auf Nachfrage hieß es bei der Stadt, dass in der Region bislang keine Fälle im Zusammenhang mit der "Kulikitaka"-Challenge bekannt sind. Die nächtliche Ruhe der Tiere werde jedoch regelmäßig durch Wildcamper oder Feste in der Schutzhütte auf dem Immenstädter Horngipfel gestört. Oft reiche bereits das grelle Licht von Stirnlampen aus, um die Kühe während der nächtlichen Ruhe zu erschrecken, so eine Sprecherin. Zudem genüge es, wenn ein einziges Tier zum Rennen anfängt, um die restliche Herde in Panik zu versetzen.

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