Selbst in einer durch und durch digitalen Welt gibt es analoge Sätze, die alle Zeiten überdauert haben. „Hast Du mal was zum Schreiben?“ zum Beispiel. Ein Satz, der eine gewisse Dringlichkeit beinhaltet und häufig ein reflexhaftes Abklopfen der Jackentaschen auslöst, das der Sicherheitskontrolle am Flughafen alle Ehre macht. Irgendwo muss doch noch ein Kuli sein. Die Situationen, in denen das ebenso schlichte wie unverzichtbare Schreibgerät zum Einsatz kommt, sind mannigfaltig. Die Telefonnummer der Urlaubsbekanntschaft, das Autokennzeichen des Fahrerflüchtlingen, der Einkaufszettel, das Datum für den nächsten Zahnarzttermin.
Beschaffungskriminalität im Büro
Und zu den letzten ungelösten Rätseln unserer Zeit gehört die Frage, warum ausgerechnet in solch entscheidenden Momenten so oft eben kein Kugelschreiber zu Hand ist. In vielen Büros entsteht dadurch eine massive Beschaffungskriminalität – sprich: Man „leiht“ sich mal schnell den Stift vom Nebenmann, um ihn dann nie wieder zurückzugeben. Blöd nur, wenn der Schreibmaterialdieb ausgerechnet das angeknabberte Exemplar des notorischen Kuli-Kau-Kollegen erwischt. Oder wenn der entwendete Stift ein Geschenk war, am besten mit eingravierter Lebensweisheit („Reden ist Silber, Schreiben ist Gold“). In solchen Fällen ist der Fahndungsdruck und damit auch die Aufklärungsrate naturgemäß höher als beim optisch fragwürdigen Werbegeschenk des ortsansässigen Lottoladens.
Unklar bleibt, wie wir überhaupt durchs Leben kamen, bevor der Ungar Lászlo Bíró vor 80 Jahren den Kugelschreiber erfand und damit eine endlose Erfolgsgeschichte schrieb: Allein im vergangenen Jahr gaben die Deutschen sage und schreibe 439 Millionen Euro für Kulis aus.