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Kriminalität: Mordfall Freiburg: Wie alt ist der mutmaßliche Täter wirklich?

Kriminalität

Mordfall Freiburg: Wie alt ist der mutmaßliche Täter wirklich?

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    Blumen und Trauerschmuck hängen in Freiburg an einem Baum an der Dreisam. Ein  Flüchtling wird verdächtigt, dort eine 19 Jahre alte Studentin umgebracht zu haben.
    Blumen und Trauerschmuck hängen in Freiburg an einem Baum an der Dreisam. Ein Flüchtling wird verdächtigt, dort eine 19 Jahre alte Studentin umgebracht zu haben. Foto: Patrick Seeger, dpa

    Der junge Flüchtling aus Freiburg, der unter Verdacht steht, eine junge Studentin ermordet zu haben, war bereits im Mai 2013 in Griechenland wegen versuchten Totschlags zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, wurde jedoch im Oktober 2015 mit Meldeauflagen auf Bewährung entlassen. Dies hat nun die Freiburger Polizei bestätigt. Die Fingerabdrücke des Mannes, der dort verurteilt worden sein soll, seien identisch mit dem dringend Tatverdächtigen im Fall der 19-jährigen Studentin, teilten die Ermittler am Donnerstag mit. "Es handelt sich um ein und den selben Täter", sagte eine Polizeisprecherin.

    Doch ist der vermeintliche Täter wirklich erst 17? Oder vielleicht längst in einem Alter, in dem er auch nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden könnte? Es gibt viele Zweifel an der Altersangabe. Ein Gutachten zur Altersbestimmung ist in Auftrag gegeben. Mit welchen Methoden es erstellt wird - noch offen. Ein Überblick über die Möglichkeiten:

    Welche Methoden der Alterbestimmung gibt es?

    Man kann bestimmte Knochen röntgen, das Gebiss untersuchen, Geschlechtsmerkmale wie Scham- und Körperbehaarung sowie den Bartwuchs betrachten. In den Niederlanden laufen außerdem Studien, um das Alter mithilfe von Blut zu bestimmen - allerdings sind diese Forschungen noch in der Erprobungsphase. Neben rein auf den Körper bezogenen, biologischen Untersuchungen, sind entwicklungspsychologische Einschätzungen sehr wichtig, erklärt Anthropologin Ursula Wittwer-Backofen von der Universitätsklinik Freiburg. "Wir sagen immer: Eine Kombination ist sinnvoll." 

    Welche der biologischen Methoden sind die aussichtsreichsten?

    Dazu muss man sich die Merkmale am Menschen anschauen, die sehr eng mit dem kalendarischen Alter verknüpft sind, erklärt die Professorin: "Also verwenden wir radiologische Methoden, die uns etwas über die Skelettreife sagen." 

    Was heißt das und was wird gemacht?

    Bei diesem Verfahren werden bestimmte Knochen geröntgt. Zum einen ist das der Handwurzelknochen, der vor allem bei mutmaßlich unter 16 Jahre alten Jugendlichen gute Hinweise gibt. Sind die sogenannten Wachstumsfugen auf dem Röntgenbild bereits verschlossen, wäre ein Junge nach Angaben Wittwer-Backofens ungefähr zwischen 16 bis 18. Ein Mädchen wäre, da bei Frauen das Wachstum früher abgeschlossen ist, zwischen 15 bis 17. Außerdem aufschlussreich auf dem Röntgenbild sind die Wachstumsfugen auf dem Beckenkamm und dem Schlüsselbein. Sie schließen sich deutlich später, mit 20 bis 24 Jahren. Auch das Gebiss kann untersucht werden. Je nach Ernährungszustand und zahnmedizinischer Versorgung können die Ergebnisse aber sehr unterschiedlich ausfallen. Betrachtet werden etwa der Zustand von Zahnfüllungen oder der Abrieb der Zähne. Sind Weisheitszähne schon da, kann auch dies gewisse Aufschlüsse geben.

    Wo liegen die Probleme der Verfahren?

    Manche Methoden - etwa eine Altersschätzung über die Betrachtung der Geschlechtsmerkmale - sind ethisch umstritten. Andere, wie das Röntgen von Schlüsselbein oder Beckenkamm, sind wegen der hohen Strahlenbelastung nicht wünschenswert. Eine Knochenuntersuchung mithilfe eines sogenannten MRT wäre zu teuer. Jahresringe auf Zahnwurzeln zu betrachten ist nicht erlaubt: Dafür muss der Zahn gezogen werden. Hinzu kommt: "Vom Altersprozess in anderen Ethnien wissen wir wenig", gibt Wittwer-Backofen zu bedenken. "Viele Merkmale wurden nur an europäischen Menschen untersucht." Für viele anderen Länder etwa in Afrika, Asien oder im Mittleren Osten habe man keine Daten, auf deren Basis man vergleichen könnte.

    Sind die Methoden wenigstens einigermaßen genau?

    Eine genaue Altersbestimmung ist mit keiner Methode möglich. Alle weisen Bandbreiten von plus minus mindestens einem Jahr auf. Auch existiert in Deutschland "keine einheitliche Handhabung bei Vorgehensweise und Methodenwahl", schreibt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). "Am erfolgversprechendsten erscheint es, mehrere Methoden in einem Stufenverfahren zu kombinieren, um die Schätzgenauigkeit zu erhöhen."

    Anika von Greve-Dierfeld, dpa

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