Ein Alptraum kehrt zurück: Nicht lange nach der "Costa Concordia" hat ein weiteres Kreuzfahrtschiff der Genueser Reederei Probleme. Diesmal sind zwar keine Unterwasserfelsen im Weg, das Kreuzfahrtschiff kommt auch nicht gefährlich nahe an eine Insel heran.
Feuer zerstört Maschinenraum der "Costa Allegra"
Doch der Alptraum der mit mehr als 4200 Menschen an Bord vor Giglio gekenterten "Costa Concordia" drängt sich sofort wieder auf: Weitab im Indischen Ozean bleibt das Kreuzfahrtschiff der Genueser Reederei Costa Crociere nach einem Feuer im Maschinenraum liegen. Abrupt endet so die Kreuzfahrt, auf der Etappe von Madagaskar zu den Seychellen.
Der Strom fällt aus - Passagiere und Crew erleben eine heiße tropische Nacht im Dunkeln und ohne Klimaanlage. Der entscheidende Unterschied zu dem spektakulären Schiffbruch der "Costa Concordia" vom 13. Januar: Alle scheinen wohlauf, niemand ist verletzt. Die "Costa Allegra" fordert rasch Hilfe an. Küstenwache und Reederei informieren permanent über das, was nun getan werden muss, wer dem Schiff zur Seite stehen soll.
Lob für die rasche Reaktion des Kapitäns
Schifffahrt: Wie ein Ozeanriese gesteuert wird
Für die Führung eines Ozeanriesen in der Größe der «Costa Concordia» sind in der Regel mindestens fünf Nautiker verantwortlich.
Zu diesen erfahrenen Seemännern gehören: Kapitän, Staffkapitän (auch für die Verwaltung der Besatzung zuständig) und drei Wachoffiziere.
Nach Angaben des Präsidenten des Verbandes Deutscher Kapitäne und Schiffsoffiziere, Christoph Wand, muss rund um die Uhr mindestens einer von ihnen die Fahrt überwachen.
Das letzte Wort hat stets der Kapitän.
Das Schiff kann auf dem offenen Meer per Autopilot gesteuert werden.
Dazu stellt der Schiffsführer einen bestimmten Kurs ein, der Ozeanriese fährt dann automatisch in die vorgegebene Himmelsrichtung.
Soll das Schiff selbstständig eine vorgegebene Route fahren, kommt Wand zufolge der sogenannte Trackpilot zum Einsatz.
Hilfe bei der Überwachung der Position gibt das Satelliten-Navigationssystem GPS. Das Radar zeigt aus dem Wasser ragende Felsen und bewegliche Hindernisse wie Schiffe oder Eisberge an.
Daneben sind elektronische Seekarten sowie Geräte zur Messung der Wassertiefe, Geschwindigkeit und des Windes wichtig.
Die Messinstrumente müssen ständig beobachtet werden. Auch der Blick in die Umgebung ist immer wieder notwendig.
Die Technik hilft lediglich zu erkennen, ob sich etwa ein anderes Fahrzeug nähert.
Um die Route zu ändern, sind Menschen nötig. Im Hafen werden Schiffe in der Regel manuell gesteuert.
Klar, dass nach den Schreckensbildern der nächtlichen Havarie vor Giglio dieser neue Zwischenfall auf einem "Costa"-Kreuzfahrtschiff in Windeseile um die Welt geht. Das so bizarr anmutende Verhalten des Kapitäns Francesco Schettino, der sein Schiff während der Evakuierung verlassen haben soll, und Berichte über eine blonde Moldawierin auf der Kommandobrücke der "Costa Concordia" machten damals die Runde. Jetzt heißt es dagegen nüchtern, nach dem Brand sei sofort gehandelt worden.
Lob für die rasche Reaktion des Kapitäns der "Costa Allegra", für den Hilferuf und die intensive Kommunikation mit den Schifffahrtbehörden kommt vom Chef des Hafenamtes in Genua: "Das war ein Beispiel dafür, wie wirksam das Sicherheitssystem ist. Das Feuer wurde rasch gelöscht, das Schiff gesichert", sagte Admiral Felicio Angrisano. Den Namen Schettino erwähnte er nicht. Dieser soll zu lange gewartet haben und von dem Hafenamt in Livorno gedrängt worden sein, als Kapitän auf sein Schiff zurückzukehren.
Passagiere bekommen kaltes Frühstück
Fakten und Zahlen zur Kreuzfahrt-Branche
Seit Jahren ist die Kreuzfahrtbranche der große Boom-Sektor im Tourismus. Galten Kreuzfahrten angesichts hoher Preise lange Zeit als Nische, ist die Branche längst auf dem Weg zum Massenmarkt.
1,2 Millionen Deutsche haben 2010 eine Hochseereise gebucht. Seit 1998 hat sich ihre Zahl mehr als vervierfacht.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben Kreuzfahrtschiffe nach Angaben des Branchenverbandes European Cruise Council (EEC) weltweit mehr als 90 Millionen Passagiere befördert.
Nur 1,5 Prozent der Bundesbürger leisten sich eine Seereise. Zum Vergleich: 3 Prozent sind es in Großbritannien, 5 Prozent in den USA.
Umsatz und Zahl der Passagiere haben nach Angaben des Deutschen Reiseverbandes in den vergangenen Jahren um 18 bis 20 Prozent zugelegt.
Hochsee-Kreuzfahrten brachten deutschen Veranstaltern wie Aida oder Hapag-Lloyd 2010 mehr als 2 Milliarden Euro Umsatz.
Für den Urlaub auf hoher See musste der deutsche Gast 2010 durchschnittlich 1696 Euro hinlegen - 185 Euro weniger als 2009.
Mit Abstand wichtigste Region ist das Mittelmeer, auf dem gut jeder dritte deutsche Bord-Urlauber kreuzt.
Der Kampf um den deutschen Markt wird härter: Angesichts lahmenden Wachstums auf dem Heimatmarkt sind führende US-Reedereien in Europa auf Expansionskurs.
2010 gab es nach EEC-Angaben weltweit 198 Kreuzfahrtschiffe. 99 Prozent davon wurden in europäischen Werften gebaut.
Die Branche sichert in Europa rund 300 000 Arbeitsplätze, ein Zuwachs von 55 Prozent seit 2005.
Bis 2014 sollen 10,3 Milliarden Euro in den Bau neuer Schiffe investiert werden.
"Nachts wird es für die Passagiere am besten sein, draußen auf dem Deck zu bleiben", riet Giorgio Moretti von der Reederei den Passagieren der "Costa Allegra". Denn vor den Seychellen herrschen andere Temperaturen als in der recht kalten Januar-Nacht, als die "Costa Concordia" vor Giglio kenterte.
Als am Dienstag der französische Hochseetrawler "Trevignon" begann, das 188 Meter lange Schiff abzuschleppen, bekamen die Passagiere ein kaltes Frühstück, teilte die Reederei mit. Ein Helikopter brachte bei gutem Wetter vor allem Satelliten-Telefone. Immerhin mussten sich die Kreuzfahrtgäste aus insgesamt 25 Ländern, darunter 38 Deutsche, auf Tage einer erzwungenermaßen gemächlichen Fahrt und weitere Nächte ohne Strom und Airconditioning vorbereiten.
"Costa Concordia": Es wird immer noch nach sieben Leichen gesucht
Denn während Helikopter Essen, Taschenlampen und andere im Notfall nützliche Dinge zu dem Schiff ohne Strom flogen, änderte dieses das Ziel - zwei Schlepper sollen helfen, die "Costa Allegra" nun rascher voranzubringen und direkt Kurs auf die Seychellen-Hauptinsel Mahé mit ihrem Hafen Victoria nehmen zu lassen. Dort sollte es am Donnerstag anlegen. Und dort gibt es zwischen Kokospalmen und Teeplantagen auch einen Flughafen für jene, die ihre Reise nun nicht fortsetzen wollen.
Die zum zweiten Mal in kurzer Zeit von einem Unfall samt Imageschaden heimgesuchte Reederei kommuniziert derweil offen mit den Medien. Nach der Havarie vor Giglio herrschte eher Durcheinander.
Eineinhalb Monate nach dem Schiffbruch vor Giglio wird immer noch nach sieben Leichen gesucht. Das gefährliche Öl des weitaus größeren Kreuzfahrtschiffes ist weitgehend abgepumpt. Das Wrack der "Costa Concordia" wird noch viele Monate an den Alptraum erinnern - lange nachdem die Passagiere der "Costa Allegra" in ihre Heimatländer zurückgekehrt sein dürften. dpa