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Krebs: Ulrich Mühe nahm ganz leise Abschied

Krebs

Ulrich Mühe nahm ganz leise Abschied

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    Ulrich Mühe nahm ganz leise Abschied
    Ulrich Mühe nahm ganz leise Abschied

    Ulrich Mühe ist tot. Diese Nachricht kam für viele seiner Kollegen und Fans überraschend. Doch offenbar war es Mühes letzter Wunsch, dass um sein Ableben kein großes Aufsehen gemacht wird. Wie die Bildzeitung berichtet, war der Oscar-Preisträger ("Das Leben der Anderen") zum Sterben von Berlin nach Waldbeck gekommen, um im Kreis seiner Familie Abschied zu nehmen.

    Die Beerdigung legte er in die Hände seines Bruders, der Bestatter Herbert Demuth um eine kleine und stille Beisetzung bat. "Er sagte mir, sein Bruder wolle keine öffentliche Beerdigung wie bei Wussow. Es sollte alles ganz einfach sein", zitiert ihn die Bild.

    So wurde Mühes letzter Wunsch umgesetzt und der Leichnahm am Mittwoch ganz heimlich im engsten Kreis der Familie und Freunde in Waldbeck beigesetzt.

    Im ZDF avancierte der vielseitige Mime als Rechtsmediziner in der Krimiserie "Der letzte Zeuge" zum Publikumsliebling. Aber eigentlich war Ulrich Mühe ein Theatermann. Mit Heiner Müller feierte der gebürtige Sachse große Erfolge. Nach dem Mauerfall 1989 blieb er seinem Fach treu und erhielt als Charakterdarsteller viele Preise. Höhepunkt seiner Karriere war der Gewinn des Oscars im Februar für den Kinofilm "Das Leben der Anderen". Im März unterzog sich Mühe dann bereits einer Krebs-Operation.

    Als die Todesnachricht bekannt wurde, hatte die Familie bereits in aller Stille Abschied genommen - wie Mühe es sich wünschte. Für die deutsche Film- und Theaterwelt ist sein Tod ein schwerer Verlust. Seine Schauspielkunst war nuanciert, nie auf Rollen festgelegt. Herausragend sein intensives, mit kargen Gesten auskommendes Spiel als zunächst überzeugter, dann zunehmend am Spitzelstaat DDR zweifelnder Stasi-Offizier in "Das Leben der Anderen". Der Film öffnete vielen die Augen, wie überwacht das Leben in der

    Sein Theaterhandwerk lernte der Sohn eines Kürschnermeisters in Leipzig und in Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, wo er 1979 sein erstes Engagement erhielt und in einem Ibsen-Stück debütierte. In den 80er Jahren entdeckte ihn Müller für die Ost-Berliner Volksbühne. Er wurde Ensemblemitglied am traditionsreichen Deutschen Theater und erntete viel Beifall für seine Rollen in Goethes "Egmont" oder Lessings "Nathan der Weise". Seine Theaterkarriere führte ihn bis ans Burgtheater Wien.

    Aus seinen frühen Filmen ragt besonders sein Part als skrupelloser Karrierist in Bernhard Wickis Alterswerk, der Literaturverfilmung "Das Spinnennetz" (1989) nach Joseph Roths Roman, hervor - Seite an Seite mit Klaus Maria Brandauer. Danach reichte Mühes Spanne von Komödien wie "Rennschwein Rudi Rüssel" bis zu dem grausamen Drama "Funny Games". Herausragende Rollen hatte er in der Verfilmung des Hochhuth-Dramas "Der Stellvertreter" und in der Verwechslungskomödie "Goebbels und Geduldig".

    Mit seiner Frau Susanne Lothar war er unter anderem im Kinofilm "Schneeland" von Hans W. Geißendörfer zu sehen, einem Familiendrama, in dem er einen sadistischen Vater spielt, eine archaische Geschichte, "die leider ein bisschen zu sentimental" geworden ist, wie Mühe ganz offen sagte. In Dani Levys Komödie "Mein Führer" zeigte er zuletzt wieder sein komisches Talent als Hitlers jüdischer Schauspiel-Lehrer an der Seite von Helge Schneider als Diktator.

    Millionen TV-Zuschauer schalteten freitagabends ein, wenn Mühe als Gerichtsmediziner Robert Kolmaar seit 1998 in der ZDF-Serie "Der letzte Zeuge" Verbrechen aufklärte - "Hamlet ermittelt", nannte ein Kritiker diese Mischung aus Bühnenkönnen und Fernsehkrimi einmal. Aus TV-Produktionen hat sich Mühe aber nicht viel gemacht. "Mit Fernsehen vertut man doch 'ne Menge Zeit, wenn man sich drauf einlässt", meinte er. Ihn ärgerte es, wenn von "DDR-Schauspielern" die Rede war. "Ich fand das ziemlich diskriminierend in den 90er Jahren, als immer in Klammern stand "DDR-Schauspieler" - so etwas hat man bei Uschi Glas nicht gemacht."

    Im November 1989 demonstrierte Mühe mit anderen Künstlern gegen den SED-Staat. In seinem Privatleben blieb die DDR-Vergangenheit ein großes Thema. Mit seiner mittlerweile verstorbenen Exfrau Jenny Gröllmann stritt Mühe erbittert vor Gericht, ob er sie als IM bezeichnen durfte, wie im Buch zu "Das Leben der Anderen" geschehen. Er durfte nicht, eine bittere Erfahrung für Mühe und Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck, der ihm stets den Rücken stärkte.

    Als Künstler kannte Mühe die Repressalien des SED-Staates. Auf die Frage, wie er sich auf "Das Leben der Anderen" vorbereitet hat, sagte der DDR-Theaterstar schlicht: "Ich habe mich erinnert." Unvergessen ist Kinozuschauern die Szene, in der Mühe alias Offizier Gerd Wiesler mit seinen dunklen Augen zusammengesunken über Kopfhörer der Melodie lauscht, die aus der von ihm überwachten Wohnung kommt.

    Über seine Krankheit hatte Mühe vor wenigen Tagen erstmals öffentlich in einem Zeitungsinterview gesprochen. "Ja, ich habe Krebs, ich unterziehe mich den entsprechenden Therapien und hoffe, dass es mir bald wieder besser geht", zitierte ihn seine Agentur auf der Internetseite. Der Schauspieler, der in Berlin lebte, hinterlässt fünf Kinder aus drei Ehen.

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