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Konzert in München: The National im Zenith: Der manische Matt

Konzert in München

The National im Zenith: Der manische Matt

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    Frontmann Matt Berninger von National gibt auf der Bühne alles.
    Frontmann Matt Berninger von National gibt auf der Bühne alles. Foto:  Pedro Nunes (dpa)

    Vier Lehren aus diesem Konzert von The National vorab:

    1. Man hört die Musik der Amerikaner zu Hause ausnahmslos zu leise. Wenn die Lieder live ihre Wucht entfalten, bricht das melancholisch Schöne auf: differenzierter, manischer, besser.

    2. Man sollte diese Musik niemals in Hallen wie dem Münchner Zenith hören, wo immer die Gefahr besteht, zumal wenn sieben Musiker samt zwei Bläsern am Werk sind, dass deren differenziertes Schaffen aus jeder Balance kommt. Aus dem anfänglichen Brei tauchten hier auf: Gitarre perfekt angesteuert, Schlagzeug zunächst gar nicht, dann na ja, Bläser übersteuert… Wie schön das doch beim Dachauer Musiksommer war, Open-Air, mitten in der Barocken Altstadt mit The National…

    3. Lieber ein gutes als ein schöne Konzert.

    Schwereloser Moment bei The National im Zenith

    4. Einen Autisten als Frontmann zu haben, schadet dann nicht, wenn genug Weinvorhaben ist – und er sich bereitwillig Abend für Abend opfert, seine Wände zu durchbrechen. Dann gipfelt das Ganze in einem schwerelosen Moment: eine vom Jubel umtoste Bühne, das Verklingen der letzten Gitarrenakkorde – und drei Meter über Matt Berninger, einem zum Sir gereiften Jürgen Klopp, schwebt ein Weinglas im Farbenlichterspektrum, sein Blick empor, Stille, das Glas fällt, ein helles Klirren, als sei die Hülle zersprungen zwischen Welt und Ich…

    Es war also ein wirklich guter Abend mit The National im Zenith. Hinreichend Gelegenheit, die Band mit ihren Songs vor allem von den letzten beiden Alben zu feiern, „High Violett“ und „Trouble Will Find Me“, begonnen beim wunderbaren anwachsenden „Don’t Swallow the Cap“ bis zum 100 Minuten später im Publikumsgesang verebbenden „Vanderly Crybaby Geeks“.

    Berningers sechs Mitstreiter funktionieren dabei wie ein taktgebendes Uhrwerk für den Exzess des Sängers. Und der erinnert dabei an die höchste Schule des Method Acting. Über die Bühne tigernd, in Ausbrüchen ins Mirko brüllend, dieses auf den Boden schmetternd, samte seiner schließlichen Ausbrüche weit weit ins Publikum hinein, das er sonst kaum eines Blickes würdigt: Matt Berninger stellt die Manie, die aus seinen Texten spricht (wie „Afraid of everyone“, „This ist he last Time“, „Terrible Love“ und natürlich „Fake Empire) nicht einfach dar, er fördert sie aus sich heraus zutage.

    Dazu brauchte es reichlich Wein und alle Freiheit, gegen die Erwartungen anzugehen und also auch aus den hübschesten Balladen, bei denen sich all die Pärchen im Publikum dann nun doch endlich zusammenkuscheln wollen, durch punkartiges Aufschreien auszubrechen. Denn nein, hier geht es nicht bloß um den wundervollen Bariton Berningers und schönes, darauf basierendes  Liedgut. Es geht auch um („Graceless“, „Bloodbuzz Ohio“, „Sorrow“,…) Selbstverlorenheit, Welthass und Wut gegen alle Genügsamkeit, die hier unmöglich scheint und nur in der Einfachheit einer Sehnsucht zu herrschen vermag…

    Das wird glücklicherweise niemals ein Massenspektakel liefern, zum Glück – wie viele Helden des Weltschmerzes sind in den Pop-Arenen nicht schon zu Darstellern ihres Songbooks verkommen. Das reicht bei The National nach 15 Jahren aber immerhin für ein gut gefülltes, wenn auch verkleinertes Zenith. Und wenngleich ihre Alben an Sperrigkeit eingebüßt haben, gewinnen sie mit der größeren Bandbreite im Konzert an Wirkung – und weil Berninger nun nicht erst nach zwei ganzen, geleerten Flaschen Wein und also gegen Ende des Konzertes aus seinem Autismus herausfindet. Bereits beim dritten Song dieses Montagabends, „Mistaken for Strangers“, bricht ein erstes Mal der Urschrei aus dem Maniker. Und so geht hier keiner unerschüttert weg. Und sei es auch nur im Glauben, The National seien eine Band für schöne, melancholische Musik.

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