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Konzert in München: Helene Fischer: Eine Show der Superlative

Konzert in München

Helene Fischer: Eine Show der Superlative

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    Ja, sie ist wieder da. Und wieder fit. Und wie man sieht, ist Helene Fischer noch muskulöser geworden. Muss sie wohl auch - bei dieser Akrobatik.
    Ja, sie ist wieder da. Und wieder fit. Und wie man sieht, ist Helene Fischer noch muskulöser geworden. Muss sie wohl auch - bei dieser Akrobatik. Foto: Stephan Rumpf

    Wo sind die Grenzen für Helene Fischer? Es ist Dienstagabend in der Münchner Olympiahalle: Auftakt zu fünf Konzertabenden hier vor jeweils rund 11.000 Zuschauern; Station einer Tournee, wie es sie in Deutschland bislang nicht gegeben hat; mit Konzerten, wie sie auch noch kein deutscher Musiker geboten hat. Und die Show-Königin, sie schwebt zum Auftakt mal wieder aus dem Bühnenhimmel herab zu ihren Fans.

    Und wahrscheinlich muss man bereits an dieser Stelle betonen, dass sie es bei vollster Gesundheit tut; dass während ihres zweidreiviertel Stunden währenden Auftritts kein Hüsteln ihre ebenmäßigen Züge verzerrt, keine Rauheit ihre kraftstrotzende Stimme bricht. Denn es geht hier um: Helene Fischer! Und als die 33-Jährige kürzlich sechs der insgesamt 70 Tourtermine wegen einer Erkältung verschieben musste, erzitterte die Volksseele. Deren Medium jedenfalls, die Bild, bangte auf der Titelseite: Wird sie jemals wieder singen können?

    Die Boulevard-Zeitungen hören nie auf zu tuscheln

    Und freilich bebte der Boulevard noch lange nach. Freizeit-Spaß: "Die geheime Diagnose – Schlimm, was die Ärzte fürchten! – Ihr Freund verrät Details." Woche der Frau: "Tage der Angst – Nur die Liebe gibt ihr Hoffnung." Echo der Frau: "Schock! Mutet sie sich zu viel zu?" In: "Schock-Diagnose – Muss sie ihr Leben jetzt ändern?" Woche heute: "Rätselhafte Krankheitsserie – Was wirklich dahintersteckt." Tatsächlich weiß der Fischer-Fan ja, dass sie 2012 schon mal bei einer Tournee wegen eines Infekts an den Stimmbändern pausieren musste.

    In diese Sorge mischt sich auch wieder das ewig gleiche Getuschel, mit dem die bunten Blättchen seit Jahren ihre Titelseiten füllen. die aktuelle: "Oh ja! Die Erkältung und ihre süßen Folgen!" Neue Welt für die Frau: "Schicksalswende – Helene & Florian – Ihr süßer Treue-Schwur." Neue Woche: "Helene & Flori – In dieser Land-Idylle wartet das Glück auf sie!" Aber auch Viel Spaß: "Florian Silbereisen – Liebesschuft! Kann Helene ihm diesen Verrat je verzeihen?" Oder halt einfach wie die Schöne Freizeit: "Oh wie pikant! Haben Sie das schon gewusst? Ganz private Geständnisse."

    Wohlgemerkt alles mit Bild auf Seite eins, alles Zeitschriften aus der vergangenen Woche – und nur eine Auswahl, längst nicht vollständig. Dazu kommen immer wieder Schwangerschaftgerüchte, aufflackernde Zweifel, ob die Beziehung mit dem Schlagerstar Florian Silbereisen wirklich echt ist, Fragen, ob Helene langsam nicht doch zu wenig anhat, zu viel Wert darauf legt, sexy zu sein …

    Helene Fischer ist das deutsche Königshaus in einer Person

    Die Neugier auf Helene Fischer, sie kennt offenbar keine Grenzen. Sie ist das deutsche Königshaus in einer Person. Aber sie ist eben auch die unumschränkte Regentin der deutschen Musikbranche. Da war natürlich "Atemlos durch die Nacht", der größte hiesige Hit seit sehr langer Zeit. Und da ist neben vielen anderen Rekorden auch jener: dass in vier von fünf Jahren das meistverkaufte Album des Jahres von dieser Helene Fischer stammte. Danach kommt Grönemeyer, der das in seiner Karriere zwei Mal schaffte. Und da ist nun die schier unglaubliche Zahl von Menschen, die im vergangenen Jahr Karten für Fischers Konzerte gekauft haben, für eine Tour, die in den Hallen im vergangenen September begonnen hat und im kommenden Sommer noch zu mindestens 14 Terminen in die größten Stadien führen wird: über eine Million!

    Völlig grenzenlos ist die Nachfrage dann aber doch nicht – mal abgesehen von den Fußballfans, die Helene Fischer im vergangenen Jahr in der Halbzeit des DFB-Pokalfinales ausgepfiffen haben.

    Es sind zwar tatsächlich, wie sie in München glücklich verkündet, vom Kind bis zum Rentner alle Altersgruppen in ihren Konzerten vereint – sie biete ja auch "Pizza mit allem", für jeden etwas. Dennoch gab und gibt es für alle Auftritte noch vereinzelte Restkarten. Und vor allem beschränkt sich das Interesse an Helene Fischer bislang auf Deutschland, Österreich und die Schweiz. Der Verantwortliche fürs aktuelle Showprogramm, der Brite Omar Sharif Mukhtar, aber sagt: "Sie hat Deutschland erobert. Wir wollen ihr helfen, noch einen Schritt weiterzugehen. Sie kann noch mehr erobern, nicht nur in Europa." Mit Schlager?

    Die Show jedenfalls kennt schon länger keine Grenzen mehr

    "Farbenspiel" war der Titel von Helene Fischers Tournee 2015 und in diesem Fall Programm. Wie eine griechische Göttin präsentierte sich die Künstlerin in Gelb und Gold ihren Fans.
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    Mal sportlich, mal elegant, immer sexy: Helene Fischer verwandelt die Bühne in einen Laufsteg. Das sind ihre Bühnen-Looks - von Hot Pants bis zu opulenten Abendkleidern.

    Vor Jahren bereits ist Helene Fischer auf der Suche nach Tänzern, die ihren Ansprüchen genügen, in die USA gereist. Bei der aktuellen Tour ist sie nun mit 20 Artisten des für seine Bühnenspektakel weltberühmten kanadischen Cirque du Soleil unterwegs. Und so bekommen auch die 11.000 am Dienstagabend in München tatsächlich Unterhaltung von internationalem Spitzenformat geboten. An Seilen wirbelnd oder am Boden turnend, wirkungsvolle Szenenbilder formend oder in Gruppen- und Solotanz beeindruckend – die Zuschauer sind von der Show so gebannt, dass über weite Strecken im Publikum praktisch keine Party- und Tanzstimmung aufkommt.

    Und wie kein anderer Musikstar wirkt ja auch Helene Fischer, schließlich ausgebildete Musical-Darstellerin, selbst eindrucksvoll darin mit. Hängt im Spagat zehn Meter über dem Boden an einem Seil, hüpft an einem anderen in Zwanzig-Meter-Sprüngen über die Bühne und schwebt direkt über die Köpfe der Fans. Dabei steht ihr auch die aufwendigste Technik zur Verfügung. Nur zum Beispiel: Ein langer Steg ins Publikum hebt sich plötzlich, beginnt weit auszuschwenken, um nach einer kompletten Drehung Helene Fischer auf einer von der Decke hängenden Zusatzbühne in der Hallenmitte abzuliefern. Und ja, sie tritt zu "Wenn Du lachst" auch mit der spektakulärsten ihrer sieben Garderoben des Abends auf, jenem "Kleid aus Wasser" (das der Bild sogar eine Erklärung auf der Titelseite wert war; ein Rock aus Fontänen). Ein mächtiges Revuetheater! Aber noch mal: Zu Schlager? Ist das nicht grotesk, als würde man die Ballerinas des Moskauer Bolschoi zu "Ein Bett im Kornfeld" tanzen lassen?

    An Genregrenzen hat Helene Fischer ja längst gekratzt

    Im ARD-Dokumentarfilm "Allein im Licht" hatte sie 2013 bekannt, dass sie erst mal Verzweiflungstränen weinte, als ihr von einem Manager eine mögliche Karriere im Schlager in Aussicht gestellt wurde. Sie liebte doch die großen Pop-Songs, die großen Pop-Gefühle – das sollte ihr Beruf werden! Tatsächlich aber hatte die Blondine vor genau zwölf Jahren ihren ersten Hit: "Und morgen früh küsst du mich wach." Und tatsächlich wirkt die daraufhin auch in der Olympiahalle kurz ausbrechende Schlagerparty ein bisschen grotesk inmitten des sonstigen Bühnenspektakels.

    Vor Jahren noch glättete Helene Fischer solche Genrebruchstellen durch eine Ausweitung des Programms, die damals pragmatisch wirkte, aus heutiger Sicht aber geradezu strategisch erscheint. Neben ihren eigenen (bzw. den für sie geschriebenen) Liedern flocht sie einerseits deutsche Schlager-, andererseits internationale Pop-Klassiker mit ein: Marianne Rosenbergs "Er gehört zu mir" neben Robbie Williams’ "Let Me Entertain You", Udo Jürgens neben Tina Turner. Die Stimmungsbringer fürs Publikum neben dem Stoff der eigenen Leidenschaft. Dadurch und mit den Konzerten, immer mehr an Showelemente internationaler Pop-Interpreten angelehnt, bewegte sie sich aber doch stetig in eine Richtung.

    Jetzt überschreitet Helene Fischer ihre alten Grenzen endgültig

    Denn was die Fans in München an diesem Dienstagabend erleben, ist ein Bekenntnis. Es gibt keinen einzigen Coversong mehr in dieser perfekt laufenden Show-Maschine. Freilich muss die kleine Helene-Fischer-Hitparade sein mit Liedern wie "Die Hölle morgen früh", "Ich will immer wieder … dieses Fieber spüren" und zum Schluss "Atemlos", da ist es übrigens bereits kurz nach halb zwölf. Herz des Abends aber ist mit 18 gespielten Songs das aktuelle Album. Darauf verlässt Helene Fischer deutlicher denn je die Schlagermuster. Das heißt auch, dass sie mit "Lieb mich dann" ein ziemlich brüchiges Liebeslied servieren kann, übrigens ihrem Flori gewidmet, der an diesem Abend in München da ist, wie sie sagt.

    Die Tour in Zahlen

    26 Meter ist die Bühne bei den Konzerten breit.

    35 Trucks sind nötig, um das Bühnenmaterial zu transportieren.

    70 Hallenkonzerte werden es am Schluss gewesen sein. Die fünf in Berlin und die zwei in Wien wegen ihrer Erkältung ausgefallenen holt Helene Fischer im September nach (nach 14 Stadionkonzerten zwischen Ende Juni und Ende Juli – das in München findet am 29. Juni statt).

    114 Tonnen Effektmaterial werden allein an der Hallendecke für die Show angebracht.

    150 Personen und mehr reisen mit Helene Fischer von Ort zu Ort.

    200 Menschen sind zusätzlich für den Auf- und Abbau vor Ort.

    350.000 Tickets wurden für die Hallentour allein in den ersten 24 Stunden nach Verkaufsstart abgesetzt.

    700.000 Menschen werden Fischer auf der Hallentour gesehen haben.

    Das ist Helene Fischer

    Helene Fischer wird am 5. August 1984 als zweites Kind des russlanddeutschen Ehepaars Maria und Peter Fischer in Krasnojarsk in Sibirien geboren. Der Vater ist Sportlehrer, die Mutter Ingenieurin.

    1988 wandert sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester nach Wöllstein (Rheinland-Pfalz) aus.

    In Wörrstadt besucht sie die Realschule und nimmt an Theater-AGs und Musicalkursen teil.

    Nach dem Schulabschluss absolviert sie an der Stage & Musical School in Frankfurt am Main eine dreijährige Ausbildung.

    Sie tritt am Staatstheater Darmstadt in der Rocky Horror Show auf sowie im Volkstheater Frankfurt in der Schlagerrevue Fifty-Fifty und dem Musical Anatevka.

    Ihre Fernsehpremiere feiert die Sängerin am 14. Mai 2005 im Ersten im "Hochzeitsfest der Volksmusik".

    Am 3. Februar 2006 erscheint ihr erstes Album "Von hier bis unendlich".

    Weitere Alben von Helene Fischer sind: "So nah wie du" (2007), "Zaubermond" (2008), "So wie ich bin" (2009), "Für einen Tag" (2011), Farbenspiel (2013) und Weihnachten (2015)

    Die Künstlerin hat bereits zahlreiche Preise gewonnen, zum Beispiel den Bambi, die Goldene Kamera und den Romy-Award. Schon mehrmals bekommen hat sie den Echo Pop, die Goldene Henne und und die Krone der Volksmusik.

    Seit Mai 2008 ist Helene Fischer mit dem Schlager-Star Florian Silbereisen liiert.

    Seit 2011 hat sie ihre eigene Fernseh-Show, die "Helene Fischer Show", bei der sie tanzt, singt und moderiert. Die Sendung wird einmal im Jahr an Weihnachten ausgestrahlt.

    2011 steht sie mit ihrem fünften Album "Für einen Tag" erstmals auf Platz 1 der Hitparaden.

    "Atemlos" ist das meistverkaufte Lied des Jahres 2014 in Deutschland.

    Das heißt aber vor allem, dass sie mit Songs wie "Herzbeben" und "Achterbahn" die Bässe so Richtung Dance aufreißt, dass man meinte, ein Schlagerfan würde andere bei solcher Musik eher anherrschen, dieses stumpf stampfende Zeugs endlich auszumachen. "Dein Blick" ist gut gelaunter Country-Pop, "Mit jedem Herzschlag" blanker Pop. Es wird zwar alles von Helenes operettenhaftem Protzgesang und weitestgehend sorglosen Textchen zwischen Leidenschaft und Party, Liebe und Lebensfreude zusammengehalten. Aber immerhin spricht Frau Fischer nun erstmals annähernd Politisches, als sie mit dem Song "Wir brechen das Schweigen" zu einem engagierten, friedlichen Miteinander aller Menschen aufruft, "egal woher sie kommen oder wie sie aussehen".

    Es ist ein Grenzgang auf dem Weg in eine Zukunft, von der sie in der Vergangenheit geträumt hat. "That’s Me" heißt das Parfüm der Helene Fischer. Ihr beispielloser Erfolg gibt ihr die Macht und die Möglichkeit, das nun offenbar auch im Bezug auf ihre Karriere zu wagen: sie selbst sein. Ihr Leben ist für den Boulevard längst eine Show geworden. Ihre Show setzt nun Zeichen für ihr Leben. Und sie macht sich ziemlich nackt dafür.

    Das ganze Jahr 2016 hat Helene Fischer sich für die Auswahl der neuen Songs Zeit genommen. Vor Beginn der Tour sagte sie: "Ich bin jetzt 33 Jahre alt. Ich weiß nicht, ob ich diese Art von Show in zehn Jahren auch noch machen möchte. Daher ist das jetzt genau der richtige Zeitpunkt." Wirkt pragmatisch, könnte aber eben strategisch gedacht sein. Bislang ist das Millionenpublikum, das ihr folgt, beileibe nicht kleiner geworden; aber in Grenzen geblieben.

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