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Konzert: Coldplay in München: Die kunterbunte Show-Maschine

Konzert

Coldplay in München: Die kunterbunte Show-Maschine

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    Coldplay starteten in München den europäischen Teil ihrer Welttournee.
    Coldplay starteten in München den europäischen Teil ihrer Welttournee. Foto: Ralf Lienert

    10 Grad sind es irgendwo da draußen, ein nasskalter, klammer Dienstagabend in der normalen Welt in München. Drinnen aber, im ausverkauften Oval des Olympiastadions, erleben 65.000 Menschen, wie es sich anfühlt, wenn man mitten im Regenbogen steht - was ja wissenschaftlich eigentlich gar nicht möglich ist, darum im Märchen aber gerade das Finden eines Schatzes verheißt. Und das bedeutet hier eben: Nicht bloß Zuschauer, sondern Teil des idyllischsten Pop-Spektakels des Planeten zu sein. Coldplay starten hier an diesem inneren Sommerabend den europäischen Teil ihrer Welttournee - und all die Menschen blinken dank ausgegebener Armbänder und Funksteuerung in kunterbunten Mustern mit ihnen. Ein Deja-Vu.

    Eben mit diesem Effekt hatten die britischen Weltstarts nämlich bereits auf ihrer letzten großen Tour, vor Chris Martins Gwyneth-Paltrow-Beziehungstraueralbum "Ghost Stories", zu einem Teil ihrer Show verzaubert. Aber hey, wenn dann sich selbst kopieren, und das siebte Werk der Band, "A Head Full Of Stars", hat die Band ja nicht nur auf insgesamt rund 70 Millionen Albumverkäufe hochgeschraubt (auch wenn es damit mal nicht für die Spitze der Charts in den USA und Deutschland reichte) - es ist ja auch wirklich wieder voller typisch bunt blinkender und eben ansteckender Coldplay-Melodien. Und diesmal wird ja alles andere im Konzert dann noch ein bisschen größer.

    Coldplay in München: Nun wird Europa beglückt

    Ungewöhnlich früh, schon um 20 nach acht, kommen Chris Martin, Jonny Buckland, Will Champion und Guy Berryman auf die üppige, auch mit langem Steg weit ins Publikum ausgreifende Bühne, jene vier, die es doch tatsächlich in den 2000er Jahren noch mit klassischen Band-Pop zum ganz großen Durchbruch gebracht haben. Und schon zu diesem Auftritt dröhnt es mit "O mio babbino caro" von der Opernlegende Maria Callas mächtig pathetisch ins weite Oval. Und dann auch die Weltvereinigungsrede Charlie Chaplins aus "Der große Diktator" - würde das hier nur wenige Tage nach dem Auftritt der Gruppe beim Benefiz-Konzert für die Opfer des Terroranschlags in Manchester nun zum großen Weltumarmungskonzert?

    Später, vor "Everglow" wird auch Muhammad Alis Rede über den Frieden eingespielt, vor dem Auftritt mit "Kaleidoscope" auf der zusätzlichen kleine Bühne im Publikum auch Barack Obama erklingen, wie er beim Gedenken Terroropfer "Amazing Grace" anstimmte. Aber nein, es ist keine spezielle, sondern die ganz allgemeine Weltumarmungsshow, mit der Coldplay schon im vergangenen Jahr über 80 Arenen bespielt, eben Asien bereist haben und nun eben Europa beglücken. Lediglich der Hinweis Martins, als er einen jungen Mann aus dem Publikum dann als Begleitung zu "Everglow" ans Piano holt, wirkt extra: Hier nämlich solle die deutsch-britische Freundschaft als Teil des gemeinsamen Europa wirken. Der Rest ist eine so präzise wie prächtig schnurrende Show-Maschine.

    "A Head Full Of Dreams" und "Yellow", "Every Teardrop Is a Waterfall" und "The Scientist", schließlich "Birds" versetzen das Publikum, von Anfang an gleich zusätzlich überwältigt mit Feuerwerk und Farbkonfettikanonaden, dann auch Laser und Ballons, in Schwelgestimmung. Auf dem Steg vorne gibt's dann mit "Always in My Head" und "Magic" auch Paltrow-Schmerz, später folgen freilich "Clocks" und "Charlie Brown" und "Hymn for the Weekend" und "Fix You" und "Viva la Vida" und "Adventures of a Lifetime". Und Martin singt das alles wie immer ausgezeichnet, vor allem in den Höhen, der Sound ist gut, die Stimmung sowieso, ein Pop-Konzert, wie es sein soll.

    Die Maschine "Coldplay" läuft

    Außer vielleicht mit drei kleinen Makeln. Beim Erfüllen des eingespielten Publikumswunsches "Green Ice" wackelt Martin solo mit Gesang zur Klampfe doch gehörig, aber lächelt das mit seinen jetzt 40 Jahren und noch immer reichlich Buben-Charme eben charmant weg. Das Ende kommt dann nach einem weiteren Hit der neueren, weil erkennbar elektronischeren Coldplay-Ära, "A Sky Full of Stars", nicht nur sehr plötzlich, sondern als "Up&Up" mit einem nicht gerade überzeugenden Schlusspunkt, weil statt Zugaben auf Bühne, nun, nach knapp zwei Stunden, nur noch die Besetzungsliste über deren Hauptmonitor läuft.

    Und dazu passend ist eben, drittens, dass Coldplay mittendrin im Konzert auch noch Teile des in zwei Wochen kommenden Videos zu "Something Just Like This" live mit Publikum drehen. Kann man ja machen, klar, gibt sicher schöne Bilder und Effekte. Aber es fügt sich eben damit zu einem Eindruck, der sich auch sonst so oft beim großen Pop-Theater auf Weltreise einstellt: Die Maschine läuft, ob in Tokio oder München, unverändert, eine Show-Produktion hat gastiert und zieht nun weiter. Es war eine Pause von der kalten Welt da draußen, filmreif inszeniert, in der Gewissheit, unter den Guten zu sein, sich wärmen zu können. Danach aber, draußen, müssen viele Zuschauer erst wieder lange anstehen, um die Taschen (auch kleinste, sofern sie keine Gürteltaschen waren) abzuholen, die sie nicht mit reinnehmen durften. Die neuen Sicherheitsauflagen. Geht nicht anders klar. Aber so viel schöner Regenbogen, das ist dann irgendwie doch wie Schlager.

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