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Kommentar: Missbrauchsskandal: Benedikt hätte besser geschwiegen

Kommentar

Missbrauchsskandal: Benedikt hätte besser geschwiegen

Daniel Wirsching
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    Papst Benedikt XVI. im Jahr 2010: Damals erfuhr die Öffentlichkeit durch immer neue Berichte, dass es innerhalb der katholischen Kirche zahlreiche Missbrauchsfälle gegeben hat.
    Papst Benedikt XVI. im Jahr 2010: Damals erfuhr die Öffentlichkeit durch immer neue Berichte, dass es innerhalb der katholischen Kirche zahlreiche Missbrauchsfälle gegeben hat. Foto: Claudio Onorati, dpa (Symbolbild)

    Im Februar 2010 war nicht abzusehen, welches Ausmaß der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche annehmen würde. Der damalige Augsburger Bischof Walter Mixa aber wusste genau, was und wer eine Mitschuld an dem Übel trage, wie er es in einem Interview mit unserer Redaktion formulierte: „Die sogenannte sexuelle Revolution, in deren Verlauf von besonders progressiven Moralkritikern auch die Legalisierung von sexuellen Kontakten zwischen Erwachsenen und Minderjährigen gefordert wurde, ist daran sicher nicht unschuldig.“ Sowie die „zunehmende Sexualisierung der Öffentlichkeit“.

    Mehr als neun Jahre später findet dieses Denken ein schauriges Echo in dem, was der zurückgetretene Papst Benedikt XVI. in einem Aufsatz veröffentlichte. Dessen Inhalt ist in mehrfacher Hinsicht fatal. Gerade weil Benedikt zu einem „neuen Aufbruch“ der Kirche beitragen will, sich stattdessen allerdings in alten Kämpfen verliert.

    Missbrauchsskandal: Benedikt sucht die Schuld bei anderen

    Die Kirche jedenfalls befindet sich in ihrer größten Krise in jüngerer Zeit. Und zwar in hohem Maße, weil sich Kleriker an Kindern vergangen haben. Man muss Benedikt zugutehalten, dass er gegen Täter in den eigenen Reihen vorging. Dieses Schreiben jedoch ist ein Offenbarungseid. Es zeugt von einer sprachlos machenden Realitätsverweigerung und Vergangenheitsverklärung. Es schließt von seiner teils bizarren Argumentationsweise her an jene jahrzehntelang in der katholischen Kirche geübte Praxis des Verschweigens, Vertuschens, Ablenkens und Attackierens – von Opfern oder Journalisten, die Missbrauchsfälle öffentlich machten – an.

    So sucht Benedikt die Schuld bei anderen: beim Staat, Bahnhofskinos (die Pornos zeigten), den 68ern oder „homosexuellen Klubs“ in Priesterseminaren. Mit Letztgenannten bedient er die in traditionalistischen Kreisen beliebte Verschwörungstheorie von der Schuld der Schwulen am Zustand der Kirche. Zugleich bejammert er regelrecht eine „Auflösung der moralischen Lehrautorität der Kirche“.

    Benedikt stellt die Kirche als Opfer dar

    Vor allem aber stellt er die Kirche als „wehrlos gegenüber den Vorgängen in der Gesellschaft“ dar und somit selbst als Opfer – über das, konsequent weiter gedacht, der Missbrauchsskandal ja hereinbrechen musste. Wer so denkt, hat wenig bis nichts verstanden von den Risikofaktoren, die Missbrauch begünstigen. Auch in der Kirche geht es dabei vor allem um das Thema Machtmissbrauch. Das Wort „Opfer“ übrigens kommt zwei Mal in seinem langen Text vor, Selbstkritik findet man darin nicht.

    Benedikt konterkariert mit seinem Aufsatz die ernsthaften Bemühungen und Debatten in der Kirche um Aufarbeitung und Prävention. Sie ist vielerorts sehr viel weiter als er. „Die Idee einer von uns selbst besser gemachten Kirche ist in Wirklichkeit ein Vorschlag des Teufels“, schreibt er. Es wäre besser gewesen, er hätte geschwiegen.

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