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Klimapolitik: Die "Fridays for Hubraum"-Forderungen im Check

Klimapolitik

Die "Fridays for Hubraum"-Forderungen im Check

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    Debatte um den Klimawandel: Was ist von den Forderungen von "Fridays for Hubraum" zu halten?
    Debatte um den Klimawandel: Was ist von den Forderungen von "Fridays for Hubraum" zu halten? Foto: Julian Stratenschulte, dpa (Symbolbild)

    Die Facebook-Bewegung „Fridays for Hubraum“ wehrt sich gegen das Klimapaket der Bundesregierung. Als Gegenvorschlag formuliert sie eine eigene Agenda, wie der Klimawandel zu bewältigen sei – ohne auf das Auto zu verzichten. Über kurz oder lang will die Gruppe ihre Präsenz auch in politischen Einfluss ummünzen. Aber wie sind die Forderungen von „Fridays for Hubraum“ einzuschätzen? Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie erforscht Transformationsprozesse zu einer nachhaltigen Entwicklung. Thorsten Koska ist der dortige Co-Leiter des Bereichs Mobilität und Verkehrspolitik. Mit ihm haben wir die Forderungen von „Fridays for Hubraum“ in einzelnen Bereichen auf den Prüfstand gestellt.

    1. Der Klimawandel – wer ist verantwortlich?

    Die „Hubraumer“ wollen nicht als Klimawandelleugner verstanden werden. Gründer Chris Grau bezweifelt auch nicht, dass es diesen gibt. Nach Ansicht von „Fridays for Hubraum“ bleibe aber unklar, inwieweit der Mensch auf den Klimawandel Einfluss hat. So steht es zumindest in der politischen Agenda der „Hubraumer“. Experte Thorsten Koska vom Wuppertal Institut sieht es anders: „Es gibt einen überwältigenden wissenschaftlichen Konsens, dass der Klimawandel maßgeblich vom Menschen mitbeeinflusst wird“, erklärt er. Der Mensch habe durch den Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 entscheidenden Anteil am Klimawandel. Das Gas entsteht bei jedem Verbrennungsprozess. Ideen, wie man CO2 aus der Atmosphäre filtern könnte, gebe es zwar. Dafür sei jedoch ein riesiger Aufwand nötig, erläutert Koska.

    2. Welche Rolle spielt das Auto?

    Es geht also darum, den Ausstoß von Treibhausgasen drastisch zu reduzieren. Zu etwa 17 Prozent trug nach Angaben des Bundesumweltamts 2017 der Straßenverkehr zu Deutschlands CO2-Emissionen bei. Anders als in anderen Bereichen ist der CO2-Ausstoß in den vergangenen Jahren kaum gesunken: „Im Grunde sind wir im Verkehr, was die Emissionen anbelangt, fast auf dem gleichen Stand wie 1990“, kritisiert Koska. Woran das liegt? Zum einen seien die Fahrzeuge immer größer geworden. Andererseits seien die PS-Zahlen der Neuzulassungen massiv in die Höhe gegangen. Das belegt auch eine Studie der Universität Duisburg-Essen: Demnach wurden 1995 neue Autos durchschnittlich mit 95 PS zugelassen. 2018 betrug diese Zahl hingegen 153 PS. Die Effizienzgewinne durch sparsamere Motoren und Antriebe wurden im Verkehrsbereich bislang also einfach aufgefressen.

    3. CO2-Steuer – wird dadurch alles teurer?

    Einen Ansatz, wie der Verkehrssektor in Zukunft sauberer gestaltet werden kann, hat die Bundesregierung in Form der CO2-Steuer präsentiert. Ab 2021 könnten Diesel und Benzin zunächst etwa drei Cent je Liter teurer werden. Der Preis könnte sich dann schrittweise bis 2026 um 15 Cent pro Liter erhöhen. Durch diese Verteuerung sollen Autofahrer langfristig auf klimafreundlichere Alternativen umsteigen. Die „Hubraumer“ lehnen die Maßnahme ab. Sie befürchten, Autofahren könne so für viele unbezahlbar werden. Thorsten Koska weist das zurück. „Die Steuer ist überhaupt nicht bemerkbar, weil sie viel zu niedrig ist. Gleichzeitig müsste durch strengere Regeln ein Wandel zu sparsameren Fahrzeugen stattfinden.“

    Thorsten Koska ist Co-Leiter des Bereichs Mobilität und Verkehrspolitik am Wuppertal Institut.
    Thorsten Koska ist Co-Leiter des Bereichs Mobilität und Verkehrspolitik am Wuppertal Institut. Foto: Koska

    4. Gibt es überhaupt Alternativen zum Verbrennungsmotor?

    Elektroautos sind aus Sicht von „Fridays for Hubraum“ nicht die Lösung. Zu hoch sei die CO2-Belastung bei der Herstellung der Batterien, zu dreckig die Umweltbilanz von Rohstoffen wie beispielsweise Kobalt. Mit Blick auf die schwierigen Produktionsbedingungen der Rohstoffe stimmt Koska den „Hubraumern“ zu. Dies lasse sich jedoch durch gesetzliche Standards und Selbstverpflichtungen regulieren. „Und wenn die Flotte dann mal komplett elektrifiziert ist, lassen sich die Batterien zu einem extrem hohen Anteil recyceln“, erklärt der Experte. „E-Fahrzeuge sind momentan die beste Lösung, die CO-Emissionen von Autos zu senken – auch wenn man deren Herstellung in der Bilanz berücksichtigt“. Wichtig sei aber, auch Elektroautos effizient und dementsprechend klein zu bauen. Wenn dann noch der Strom größtenteils aus erneuerbaren Energien gewonnen werde, sähe die Umweltbilanz der Elektroautos noch besser aus, erklärt Koska. 2018 kamen laut Umweltbundesamt rund 38 Prozent des Bruttostromverbrauchs in Deutschland aus erneuerbaren Energien.

    5. Was wird aus den Pendlern?

    Die „Hubraumer“ argumentieren: Wer auf dem Land wohnt, wo der Bus nur dreimal am Tag fährt, kann auf sein Auto nicht verzichten. Das müssen Betroffene nach Ansicht von Thorsten Koska auch nicht – jedenfalls nicht sofort: „Es wird selbstverständlich auch in der näheren Zukunft noch private Autos geben, gerade auch auf dem Land“. Das Netz im öffentlichen Verkehr müsse aber dichter und zuverlässiger werden. Alte Bahnstrecken könnten reaktiviert, neue Buslinien eingeführt werden. Angesichts der vielerorts klammen Kommunen sieht er dabei vor allem den Bund in der Pflicht. Eine Alternative zum eigenen Auto könne auch in Ridesharing-Angeboten liegen: Die Mischung aus Taxi und Bus kann nach Bedarf über eine App gebucht werden und bringt dann mehrere Leute ans Ziel. Der Fahrdienstleister Moia bietet solche Sammeltaxis schon in Hamburg an. 

    6. „Wir Deutschen können das Klima nicht im Alleingang retten“

    Deutschland trägt etwa zwei Prozent zu den weltweiten Emissionen bei. Was hilft es da, wenn wir umsteigen, fragt „Fridays for Hubraum“. „Das ist ein ziemlich schwaches Argument“, findet Koska. „Denn die deutsche Industrie ist im Bereich der Mobilität eine Leitindustrie“. Sie hat also Einfluss darauf, wie Mobilitätssysteme weltweit funktionieren. So sei beispielsweise das Erneuerbare-Energien-Gesetz von vielen Ländern kopiert worden. Zumindest in Teilen angestoßen von der deutschen Energiewende sind Koska zufolge auch Schwellenländer auf erneuerbare Energien umgestiegen. „Weil es einfach billiger geworden ist“, sagt er.

    7. Bäume pflanzen und Energie aus Fitnessstudios

    Mit Baumpflanzaktionen wollen die Autofans von „Fridays for Hubraum“ das Klima retten. Einer ihrer weiteren Vorschläge sieht vor, Energie aus Fitnessstudios zu gewinnen. Experte Koska hat dazu eine eindeutige Meinung: „Prinzipiell ist es richtig, dass Aufforstung dazu beitragen kann, CO2 zu binden.“ Allerdings wäre es seiner Ansicht nach hinsichtlich der Waldfläche klüger, den Rindfleisch-Konsum einzuschränken. Denn dafür werde etwa im Amazonas eine riesige Fläche Wald verbraucht. Alternativ würden auch kleine Maßnahmen ein wenig helfen - was ebenso für die Idee mit den Fitnessstudios gelte. „Mit dem Strom, den sie erzeugen, können die Studios vielleicht ihren Eigenbedarf decken“, sagt Koska. Die Studios machten aber nur einen marginalen Teil des deutschen Energieverbrauches aus. Die beiden Vorschläge der „Hubraumer“ werden also nicht wesentlich zur Rettung des Klimas beitragen, meint Koska.

    Lesen Sie dazu auch das Interview mit "Fridays for Hubraum"-Gründer Chris Grau: "Fridays for Hubraum"-Gründer: "Man wird gleich als Klimaleugner abgestempelt"

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