Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Kirche: Ein Kardinal vor Gericht

Kirche

Ein Kardinal vor Gericht

    • |
    Kardinal George Pell stellt sich den Vorwürfen und der Öffentlichkeit. Heute wird er wahrscheinlich vor Gericht in Melbourne erscheinen. Seine Botschaft: Ich bin unschuldig und laufe nicht davon.
    Kardinal George Pell stellt sich den Vorwürfen und der Öffentlichkeit. Heute wird er wahrscheinlich vor Gericht in Melbourne erscheinen. Seine Botschaft: Ich bin unschuldig und laufe nicht davon. Foto: Gregorio Borgia, dpa

    Am heutigen Mittwoch will Kardinal George Pell vor Gericht im australischen Melbourne erscheinen. Pell, bislang Chef des vatikanischen Sekretariats für Wirtschaft, ist der ranghöchste katholische Geistliche, der jemals von der staatlichen Justiz wegen der Vorwürfe sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen angeklagt worden ist.

    Es geht um mehrere, bislang nicht bekannt gegebene Vorwürfe aus den 70er und 80er Jahren. Der 76-jährige Pell müsste bei diesem ersten, formalen Gerichtstermin zwar nicht anwesend sein. Aber der Kardinal, der alle Vorwürfe strikt von sich weist, will sich der Öffentlichkeit dennoch zeigen. Seine Botschaft: Ich bin unschuldig und laufe nicht davon. Über die Verantwortung des ehemaligen Erzbischofs von Sydney wird das Melbourner Gericht entscheiden.

    Der Prozess wird weltweit mit großem Interesse verfolgt – nicht nur wegen der Vorwürfe, nicht nur wegen Pell. Indirekt geht es auch um Papst Franziskus. Der muss sich vorwerfen lassen, auf dem Gebiet der Missbrauchsaufklärung und -bekämpfung sowie bei den Wirtschaftsreformen im Vatikan, zwei der wichtigsten Themen seines Pontifikats, einen Misserfolg an den anderen zu reihen.

    Es läuft nicht rund für Franziskus. So war zum Beispiel im März die Irin Marie Collins aus der vom Papst 2014 eingesetzten Kommission für Kinderschutz zurückgetreten, weil sie den Mangel an Zusammenarbeit der Kurie, also des päpstlichen Verwaltungsapparats, mit der Kommission beklagte. Diese sollte das Prunkstück des Papstes beim Kampf gegen Missbrauch im Klerus sein. Collins, die als Mädchen von einem Kleriker missbraucht wurde, war als Vertreterin der Betroffenen in die Kommission berufen worden.

    Kardinal Pell jedenfalls, den Franziskus für den Prozess in Australien beurlaubt hat, ist eine Schlüsselfigur für den Papst und seine Reform-Agenda. Trotz aller Hinweise auf dunkle Flecken in Pells Vergangenheit vertraute er dem bulligen Australier 2014 die Leitung des neu geschaffenen Wirtschaftssekretariats und damit den für die Reformen wichtigsten Vatikanposten an.

    Seit Pell von seiner Vergangenheit Schritt für Schritt eingeholt wurde, etwa 2016 mit Aussagen vor einer australischen Untersuchungskommission, die seinen verantwortungslosen Umgang mit Opfern sexuellen Missbrauchs dokumentieren, rudert Franziskus hinterher. Er werde erst sprechen, wenn die Justiz gesprochen habe, sagte er.

    Dass seine Reformversuche bislang teilweise erfolglos blieben, darauf wies zuletzt sogar die Vatikanzeitung Osservatore Romano hin. Am Wochenende erschien dort ein Artikel, in dem die Widerstände im Klerus gegen die „Bekehrung“ der Kirche durch Franziskus kritisiert werden. „Ein Großteil der Gläubigen ist in Feierstimmung“, heißt es in dem Text des Bibelwissenschaftlers Giulio Cirignano. „Wenig erleuchtete Pastoren“ verharrten hingegen in „alten Ansichten“.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden