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Kirche: Der Noch-Papst: Dahoam in Rom

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Der Noch-Papst: Dahoam in Rom

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    Die Bayern verabschiedeten am Mittwoch ihren berühmtesten Landesbruder: Papst Benedikt XVI.
    Die Bayern verabschiedeten am Mittwoch ihren berühmtesten Landesbruder: Papst Benedikt XVI. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Papst Johannes Paul II. führt. Aber nur knapp. An 56 Audienzen des polnischen Pontifex hat Gottfried Haslböck teilgenommen. Bei der letzten Generalaudienz von Benedikt XVI. erlebt er den bayerischen

    Um 20 Uhr ist Stunde Null im Vatikan

    Zwölf Tage lang waren die Niederbayern mit ihren Fendts und Hanomags, den Eicher-, Deutz- und Lanz-Modellen unterwegs. Mit 15 Stundenkilometern und einer Erntekrone im Gepäck sind sie durch Deutschland, Österreich und Italien getuckert, ohne eine einzige Panne. „Alles für unseren bayerischen Papst“, sagt Andreas Bauer. Deshalb sind sie auch heute noch einmal da, um sich von Benedikt zu verabschieden. Es ist seine letzte Generalaudienz auf dem Petersplatz, sein letztes großes Zusammentreffen mit Pilgern – bevor am Tag darauf ab 20 Uhr die Stunde null anbricht im Vatikan. Und es ist ein großes Abschiedsfest voller Emotionen, voller Dankbarkeit, Wehmut und Tränen.

    Morgens um sieben, als es langsam hell wird in Rom an Benedikts vorletztem Arbeitstag, schimpft Taxifahrerin Maria über die vielen Kleinlaster, die die Via Condotti zuparken. Und dann schimpft sie über die Polizisten, die den Vatikan, einer Viehweide gleich, mit metallenen Absperrgittern eingezäunt haben. 100 000 Pilger werden erwartet – es kommen einige mehr. Damit hat Papst Benedikt XVI. in den acht Jahren seiner Amtszeit die gewaltige Zahl von 5,8 Millionen Menschen zu 348 Audienzen gelockt.

    150 Gebirgsschützen machen Papst ihre Aufwartung

    Die 150 Gebirgsschützen – sie sind zusammengewürfelt aus den 47 bayerischen Kompanien – fallen auf. Optisch und akustisch. Zu den Blasmusikklängen der Traunsteiner Stadtkapelle marschieren sie in ihren beeindruckenden Monturen im Gleichschritt auf dem Petersplatz ein, vorbei an den Schweizer Gardisten, die freundlich grüßen. Dabei spitzeln sie immer wieder hinauf zum obersten Stockwerk des Apostolischen Palastes. Die Fensterläden stehen längst offen, auch im Schlafzimmer des Papstes. Das Arbeitszimmer wird schon gelüftet.

    „Das gehört sich so, dass wir noch mal da sind“, sagt Günter Reichelt aus Rosenheim, der Schatzmeister vom Bund der Bayerischen Gebirgsschützen-Kompanien: „Wir sagen durch unsere Anwesenheit Pfüat Gott.“ Das gebiete der Anstand, und dieser Papst sei es auch wert. Verstehen aber kann er dessen Entscheidung schon. Er wollte einfach nicht enden wie Johannes Paul II., der am Ende nur noch eine Marionette war, die von Helfern ans Fenster gelehnt worden sei.

    Sieben Mal hat er Papst Benedikt ganz nah erlebt, erzählt der 70-Jährige. Als Bub schon hat er den Primiz-Segen des jungen Priesters Joseph Ratzinger bekommen – und das dem Kardinal Ratzinger bei einer späteren Begegnung in Rom auch erzählt. „Des is aber scho lang her“, hat der darauf erwidert und gelacht. Da habe man gespürt, sagt Reichelt, dass er allein durch die Sprache „dahoam war“. Der Tag wird dem

    25 Prozent mehr Buchungen in Rom seit Bekanntgabe des Papstrücktritts

    Immer wieder branden „Benedetto“-Sprechchöre auf, schon zwei Stunden vor Beginn der Audienz. „Viva Papa“, „Alles Gute Papst Benedikt“ und oft auch nur ein schlichtes „Danke“ steht auf den Transparenten, die zwischen all den weiß-blauen Fahnen in den Himmel gehalten werden. Die 400 Gläubigen, die mit dem Bayerischen Pilgerbüro in Bussen und Flugzeugen nach Rom reisten, sind mit kleinen Papierfähnchen ausgerüstet. „Bayern grüßt Papst Benedikt“ flattert es hundertfach über den Petersplatz.

    Um 25 Prozent haben die Buchungen für Rom zugelegt in den Tagen seit Bekanntgabe des Papst-Rücktritts. Denn der Februar ist nicht unbedingt eine beliebte Reisezeit. Trotzdem strahlt an diesem Morgen der blaue Himmel, die Frühlingssonne ist stark und warm. Auch 30 Bayern tragen weiß-blau – die Farben der Münchner Löwen. Ein Fanklub des Fußballvereins reist jedes Jahr einmal nach Rom. Schließlich ist Benedikt seit sieben Jahren Ehrenmitglied der 60er. Sie alle haben ihre Fanschals um den Hals – und sind stolz darauf, dass Uli Hoeneß zu spät gekommen ist mit seinem Angebot, Benedikt die Ehrenmitgliedschaft beim FC Bayern anzutragen. Wally und Josef Braun sowie Peter Vogl von den „Lechspitz-Löwen“ aus Waltershofen/Meitingen im Kreis Augsburg jedenfalls werden ihn vermissen, den bayerischen Papst. „Dabei waren wir erst ziemlich erschrocken, als er es wurde“, sagt

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    Benedikt XVI. ist im Alter von 95 Jahren gestorben. Von 2005 wird er der zum Papst ernannt und Deutschland jubelt. 2013 tritt er zurück. Das gab es zuvor erst einmal.

    Margot Walter und Brigitte Junghans aus Kissing bei Augsburg stehen in der ersten Reihe, direkt hinter der Absperrung, an der Benedikt wenig später zum letzten Mal in seiner Amtszeit im Papamobil vorbeirollen wird. „Er ist der beste Papst, den es je gab“, sagen die beiden, die schon bei seiner Amtseinführung dabei waren. Keiner, wirklich keiner könne ihm in puncto Herzlichkeit, Ausstrahlung und Bescheidenheit das Wasser reichen. „Er ist unser bester Exportschlager“, betont Lara Celoria. Die Münchnerin war im Januar in Rom – „aber jetzt mussten wir einfach wiederkommen.“ Zweieinhalb Stunden hatte der Flug Verspätung, dann standen sie zweieinhalb Stunden in der Schlange, um die Karten für die Generalaudienz abzuholen. Macht nichts, „das ist den weitesten Weg wert“, sagt Christian Naumann. Er trägt eine Trachtenjacke und einen König-Ludwig-Anstecker: „Der Papst und der Kini – das sind unsere größten Bayern.“

    Benedikt XVI.: "Ich wusste, ich bin nicht allein im Boot"

    Der Erzbischof von München-Freising, Kardinal Reinhard Marx, vertreibt sich die Wartezeit mit einem Besuch bei den Gebirgsschützen auf dem Platz. Die Marketenderin der Traunsteiner Gebirgsschützen, Elfi Graß, hat statt einer Handtasche ein kleines Schnapsfass umgehängt. „Zwetschgenwasser“, sagt sie. Dem Kardinal schmeckt’s.

    Ab zehn Uhr füllt sich auch langsam die Terrasse vor dem Petersdom, der Platz für die Ehrengäste. Ministerpräsident Horst Seehofer und seine Frau Karin sitzen dort, die deutschen Kardinäle und Bischöfe, die schon in Rom sind, auch. Die Stadtkapelle Traunstein spielt Blasmusik, der Papst verspätet sich. Um 10.40 Uhr rollt er im Papamobil über den Petersplatz – bei strahlendem Sonnenschein, wie sollte es anders sein. Er grüßt und winkt und winkt und grüßt. Die Gläubigen jubeln, klatschen, weinen. „Das ist ein würdiger Abschied“, sagt Busfahrer Gottfried Haslböck. Und schießt noch einmal ein Handy-Foto vom Papst – Foto Nummer 106.

    Viel kräftiger ist die Stimme Benedikts an diesem Morgen, als er zum letzten Mal zu den Pilgern spricht. Kein Vergleich zu dem hastig dahin gemurmelten Amtsverzicht. Er bedankt sich dafür, dass seine Entscheidung für den Rücktritt mit Respekt und Verständnis aufgenommen worden ist. Er tut es auf Italienisch und Spanisch, Englisch, Französisch, auf Arabisch und natürlich auf Deutsch. Immer wieder minutenlanger Beifall, und dazwischen spielt die Traunsteiner Stadtkapelle die Bayernhymne.

    Der Herr, sagt Benedikt, sei ihm immer nah gewesen: in Zeiten des Lichts und auch jetzt, in diesen schweren Stunden. „Ich wusste, ich bin nicht allein im Boot“, sagt er, „denn Gottes Arm hält uns gerade auch in schweren Zeiten.“ Alle sollten spüren, wie schön es sei, ein Christ zu sein, ruft er den Pilgern zu. Und verspricht, „alle und die ganze Welt“ ins Gebet mit einzuschließen. Ein Segen noch – und die Ära Benedikt XVI. ist zu Ende.

    Sonderbriefmarke zur Sedisvakanz

    150 000 Menschen ziehen davon, glücklich und ein bisschen traurig. Der Papst nimmt sich noch fünf Minuten Zeit für Horst Seehofer, für ein kurzes, privates Gespräch. Der Regierungschef bedankt sich im Namen des Freistaats bei ihm, dem bayerischen Papst. Denn die Menschen, sagt er, werden lange darauf warten müssen, bis ein Papst wieder sagt: Mein Herz schlägt bayerisch.

    Er lädt Benedikt erneut ein in seine Heimat. Die Antwort? „Ein sehr nettes Schmunzeln“, sagt Seehofer. Deshalb hat er ihm – gewissermaßen vorsorglich – ein großes Ölgemälde des Chiemgauer Malers Märtens mitgebracht. Es zeigt den Chiemsee, die Fraueninsel und die Chiemgauer Berge. Georg Ratzinger hatte Seehofer verraten, dass diese Gegend für seinen Bruder Heimat bedeutet.

    Seehofer eilt zurück nach Bayern, er hat den italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano zu Gast. Später muss er zum Nockherberg-Anstich und dann zum Pokalspiel des FC Bayern München gegen Borussia Dortmund.

    Stichwort Sedisvakanz

    Mit dem Ende des Pontifikats von Papst Benedikt XVI. beginnt am 28. Februar um 20 Uhr die Zeit der Sedisvakanz.

    Das ist die Zeit, in der das Amt des Papstes nicht besetzt ist - normalerweise vom Tod des Kirchenoberhaupts bis zur Wahl seines Nachfolgers.

    Der Begriff kommt aus dem Lateinischen und heißt wörtlich übersetzt «leerer Stuhl». Nach kirchlichem Verständnis sitzt der Papst auf dem Stuhle Petri.

    Der Glaubenslehre zufolge ist der Papst der Nachfolger des Apostels Petrus, den Jesus von Nazareth nach dem Matthäus-Evangelium als ersten Kirchenführer eingesetzt hatte.

    Während der Sedisvakanz leitet das Kardinalskollegium die Kirche. Seine Befugnisse sind aber auf Aufgaben und Entscheidungen beschränkt, die nicht aufgeschoben werden können.

    Von Päpsten erlassene Gesetze dürfen in dieser Zeit nicht korrigiert oder abgeändert werden. Die zwischenzeitliche Verwaltung der Kirche übernimmt der Kardinalkämmerer (Camerlengo) mit drei Kardinal-Assistenten.

    Das Kardinalskollegium bereitet vor allem die Wahl des neuen Papstes vor. Während der Sedisvakanz werden spezielle Münzen und Medaillen geprägt.

    Auf dem Petersplatz werden die Stühle wieder gestapelt und die Absperrungen abgebaut; die Arbeiter, die gerade die Kolonnaden renovieren, können mit ihrem Tagwerk beginnen. Gebirgsschütze Günther Reichelt holt sich im vatikanischen Postamt eine Sonderbriefmarke und den Ersttagsstempel zur Sedisvakanz. 28. Februar 2013 steht darauf.

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