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Kino-Start: "Spotlight": Wie Reporter einen ungeheuren Skandal aufdecken

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"Spotlight": Wie Reporter einen ungeheuren Skandal aufdecken

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    Als Spotlight-Rechercheure (von links) spielen: Rachel McAdams, Michael Keaton, Mark Ruffalo und Brian d’Arcy James.
    Als Spotlight-Rechercheure (von links) spielen: Rachel McAdams, Michael Keaton, Mark Ruffalo und Brian d’Arcy James. Foto: Paramount

    „Die Stadt erblüht, wenn ihre großen Institutionen eng zusammenarbeiten“, sagt der Erzbischof zu dem neuen Chefredakteur des Boston Globe, der gerade seinen Antrittsbesuch bei dem Oberhirten absolviert. Aber Martin Baron (Liev Schreiber) schüttelt die freundschaftliche Umarmung höflich ab und verweist darauf, dass eine Zeitung für sich alleine stehen sollte. Baron ist neu in Boston und als „unverheirateter Jude, der Baseball hasst“ ein Außenseiter in der vom Katholizismus geprägten Stadt.

    Aber genau diese Außenperspektive ist es, die seine Aufmerksamkeit auf etwas lenkt, was alle anderen nicht sehen oder nicht sehen wollen: In der ersten Redaktionssitzung setzt er ein Recherche-Team auf einen Fall von sexuellem Missbrauch durch einen katholischen Priester an, der in der örtlichen Presse nur als Randnotiz verhandelt wurde. Drei Männer und eine Frau arbeiten in der sogenannten „Spotlight“-Redaktion, die sich als investigative Journalisten oft über mehrere Monate in eine Story vergraben.

    "Spotlight": Hervorragender Journalisten-Thriller

    Ihr Leiter Walter Robinson (Michael Keaton) gehört zum katholischen Establishment der Stadt und ist wenig angetan von dem Auftrag. Dennoch machen sich die Reporter an die Arbeit und fördern in journalistischer Detailarbeit einen Skandal hervor, der nicht nur die Stadt erschüttern wird. Im Jahre 2002 veröffentlichte der Boston Globe eine Artikelserie, die stichhaltig bewies, dass fast achtzig Priester in der Diözese Boston über Jahrzehnte hinweg ihre Schutzbefohlenen sexuell missbraucht hatten – und dass diese Fälle von der katholischen Kirche systematisch vertuscht wurden.

    Regisseur Tom McCarthy rekonstruiert nun in seinem hervorragenden Journalisten-Thriller „Spotlight“ die Recherchen zu diesem Fall, der die Diskussion über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche überall in den Vereinigten Staaten und darüber hinaus in Gang setzte. Dabei entwickelt McCarthy genau den richtigen Erzählton, der den notwendigen Respekt vor den Opfern findet, aber auch die minutiöse Recherchearbeit der Reporter akkurat und mit subtiler Spannung in Szene setzt. In „Spotlight“ sind die Journalisten keine Helden der Wahrheit, sondern selbst involviert in das Machtgeflecht der Stadt, aus dem sie sich befreien müssen.

    Monstrosität des Verbrechens

    Der Film erzählt nicht nur von der systematischen Monstrosität des Verbrechens, sondern blickt auch auf die Mechanismen des Wegschauens. Nicht sehen, was man nicht sehen will – davon sind auch Journalisten nicht frei. McCarthy hat ein hervorragendes Ensemble zusammengestellt, das seine differenzierte Sichtweise mit schauspielerischer Präzision umsetzt. Michael Keaton arbeitet die Gewissenskonflikte des Leiters genau heraus. Mark Ruffalo als leidenschaftlicher Reporter, der sich in den Fall verbeißt, verdient sich seine Oscar-Nominierung. Liev Schreiber überzeugt in der Rolle des Chefredakteurs mit subtilem Understatement.

    „Spotlight“ ist nicht nur ein Film über den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche, sondern auch über eine Form von investigativem Journalismus, der heute vom Aussterben bedroht ist. Fast ein Jahr haben vier Globe-Reporter an der Story gearbeitet (und wurden dafür mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet). Welche Zeitung wird sich in der Krise der Print-Medien noch einen solchen Recherche-Aufwand leisten? Auch das zeigt dieser Film: Ihre gesellschaftsverändernde Wirkung konnten die Spotlight-Artikel nur deshalb entfalten, weil der Chefredakteur eine vorschnelle Veröffentlichung verhinderte und nicht ein paar Einzelfälle, sondern das System dahinter aufdecken wollte. Bewertung: 4 von 5 Sterne

    Filmstart in Augsburg, Kaufbeuren, Kempten, Ingolstadt, Neu-Ulm, Ulm.

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