Im Missbrauchskomplex Münster hat das Landgericht einen 27-jährigen Mann wegen mehrfachem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern zu neun Jahren Haft verurteilt. Nach Angaben eines Gerichtssprechers vom Dienstag blieb die Große Strafkammer damit unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die hatte neben fast elf Jahren Haft auch die anschließende Sicherungsverwahrung gefordert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (Az.: 121 KLs 1/20).
Das Gericht begründete das Strafmaß mit dem ausführlichen Geständnis des 27-Jährigen. Der nicht vorbestrafte Student hatte im Prozess deutlich mehr Taten eingeräumt als ursprünglich angeklagt waren. Nach Überzeugung des Gerichts soll er mehrere Kinder über drei Jahre an verschiedenen Orten vergewaltigt haben. Darunter war auch der Ziehsohn des Hauptbeschuldigten IT-Technikers aus Münster.
Missbrauchsfall Münster: Anklage fordert Sicherungsverwahrung des Angeklagten
Die Staatsanwaltschaft hatte am vorletzten Prozesstag zehn Jahre und acht Monate Haft für den 27-Jährigen gefordert. Erstmals sprach sich die Anklage in dem Komplex auch für eine anschließende Sicherungsverwahrung aus. Die Verteidigung stellte in ihrem Plädoyer keinen Antrag zur Strafhöhe, lehnte aber die Sicherungsverwahrung ab. Sie dient dazu, die Allgemeinheit vor gefährlichen Tätern auch nach Verbüßung der eigentlichen Strafhaft zu schützen.
Aussagen des 27-Jährigen - auch als Zeuge in einem anderen Prozess - hatten zur Festnahme der Lebensgefährtin des Hauptangeklagten geführt. Der Mutter wirft die Staatsanwaltschaft vor, den Missbrauch an ihrem eigenen Kind nicht verhindert zu haben. Weitere Prozesse - wie gegen den IT-Techniker, der als Haupttäter gilt, und weitere Angeklagte - sind am Landgericht Münster anhängig. Hier werden Urteile erst im Frühjahr erwartet.
Missbrauchskomplex Münster: Bundesweit gibt es fast 30 Beschuldigte
Münster ist neben Lügde und Bergisch Gladbach einer von drei großen Tatkomplexen in Nordrhein-Westfalen, die seit dem Jahr 2019 aufgedeckt wurden. Es geht dabei um sexuelle Gewalt an einer Vielzahl von Kindern und um große Netzwerke von Tatverdächtigen.
Der Fall Münster kam im Juni 2020 nach Ermittlungen in einer Gartenlaube ans Licht. Im Zuge dessen hatte es in mehreren Bundesländern und im Ausland Festnahmen gegeben. In dem Komplex laufen bundesweit Verfahren gegen fast 30 Beschuldigte. Ein Mann aus Schleswig-Holstein ist bereits rechtskräftig verurteilt - zu drei Jahren und drei Monaten Haft. Er hatte ein Geständnis abgelegt und dem Opfer so eine Zeugenaussage vor Gericht erspart. Zwei Männer aus Hannover wurden zu Haftstrafen von fast acht und knapp über vier Jahren verurteilt. Diese Urteile sind aber noch nicht rechtskräftig. (dpa)
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