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KiKa: Umstrittene Flüchtlings-Doku: Das sagen KiKA und eine Medienexpertin

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Umstrittene Flüchtlings-Doku: Das sagen KiKA und eine Medienexpertin

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    Die Dokumentation über Malvina und ihren Freund Diaa war im November ausgestrahlt worden.
    Die Dokumentation über Malvina und ihren Freund Diaa war im November ausgestrahlt worden. Foto: hr

    Eine Dokumentation, die im öffentlich-rechtlichen Kinderkanal KiKA lief, sorgt für erhitzte Diskussionen: In dem 24-minütigen Film „Malvina, Diaa und die Liebe“ aus der Reihe „Schau in meine Welt!“ sprechen die 16-jährige Malvina aus dem hessischen Fulda, eine Deutsche, und ihr Freund Diaa, ein aus Aleppo geflüchteter Syrer, offen über ihre seit 17 Monaten andauernde Liebesbeziehung.

    In dem Film sagt Diaa, laut KiKA ein weiterer Vorname neben Mohamed, über Malvina: „Sie gehört mir und ich gehöre ihr“. Oder: „Ohne Religion hast du keine Regeln und hast kein Leben, glaub’ ich.“ Er würde seine 16-jährige Freundin „einfach so schnell wie möglich heiraten“ wollen. Diese sagt schon zu Beginn des Films: „Ich hab’ das Problem mit ihm, dass ich oft in eine Richtung gelenkt werde, in die ich gar nicht kommen möchte.“ Das bedeute etwa: „Ich darf keine kurzen Sachen anziehen“. Diaa erklärt dazu: „Ich kann so was nicht akzeptieren, dass meine Frau so aussieht (kurze Kleider trägt, die Red.); es ist total schwierig für mich oder für arabische Männer allgemein.“ Die Dokumentation besteht ausschließlich aus O-Tönen, auch von Malvinas Eltern und einem guten Freund von ihr.

    Das Alter des Syrers aus KiKA-Dokumentation sorgt für Diskussionen

    Die Produktion des Hessischen Rundfunks (hr) wurde am 26. November um 20.35 Uhr im KiKA, einem Gemeinschaftsprogramm von ARD und ZDF, ausgestrahlt. Zum Aufreger wurde sie erst mit zeitlicher Verzögerung in den sozialen Netzwerken, unter anderem weil der KiKA in einem Begleittext im Internet geschrieben hatte, der Vollbart tragende Syrer sei 17 Jahre alt – er Zuschauern aber deutlich älter vorkam. Aufgrund der teils heftigen, auch islamfeindlichen Kritik veröffentlichte der Sender am Montagnachmittag eine „Erläuterung“, in der er sich „für einen Fehler in Bildunterschriften“ entschuldigte und dafür, dass im Film zwar Malvinas Alter, nicht aber Diaas Alter genannt werde. Recherche und Drehbeginn „lagen am Beginn 2017. Diaa war zu der Zeit 19 Jahre alt“. Inzwischen ist er nach hr-Angaben 20.

    Nach Recherchen unserer Redaktion sind alleine beim MDR, der die Federführung über den KiKA hat, bislang „zehn Publikumsanfragen“ zu der Dokumentation eingegangen. Beim MDR-Rundfunkrat, dem Kontrollgremium des öffentlich-rechtlichen Senders, seien bislang ebenfalls „circa zehn Beschwerden“ eingegangen, hieß es. Arne Kapitza, Leitung Bereich Intendanz des Hessischen Rundfunks, sagte am Mittwoch auf Nachfrage, den Sender hätten bislang „einige wenige Anfragen“ erreicht. Er kündigte an: „Der Intendant wird auf Programmbeschwerden eingehen.“ Tanja Nadig, die für den hr den Film redaktionell betreute, erklärte: „Der hr hat sich an alle journalistischen und ethischen Regeln gehalten. Nichts wurde gescriptet, keine Szene wurde gestellt.“ Der hr habe vor den Dreharbeiten das Alter der beiden Protagonisten des Films überprüft. „Diaa und Malvina sind ohne unser Zutun zusammen gekommen und wir haben nur ihre Geschichte erzählt. Es ist Privatsache der beiden. Zum Alter der Protagonisten liegen mir geprüfte Unterlagen vor.“ Zum Alter der Zuschauer der Dokumentation sagte sie, dass es sich bei der KiKA-Seherschaft auf diesem Programmplatz vorrangig um Zehn- bis 13-Jährige handele.

    FDP-Politiker Kubicki übt Kritik an KiKA-Doku

    Harsche Kritik an dem Film wurde auf rechten und verschwörungstheoretischen Internetplattformen geäußert. Mit dem Tenor, dass der KiKA eine Islamisierung propagiere – und dies auch noch von „Zwangsgebühren“ bezahlt werde. Die Junge Freiheit schieb von einer „gemeingefährlichen Vielfalts-Propaganda“. Kritik kam aber auch unter anderem vom familienpolitischen Sprecher der Union, Marcus Weinberg. Die Bild-Zeitung zitierte den CDU-Politiker mit dem Satz: „Die Darstellung von Problemen in Beziehungsfragen aufgrund verschiedener kultureller Herkunft ist wichtig. Aber sie muss auch in einen Kontext einer bestehenden gesellschaftlichen Erwartung eingebettet werden, zum Beispiel, dass man darauf hinweist, dass bei uns uneingeschränkt die Gleichberechtigung gilt.“ Auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki kritisierte in der Bild-Zeitung, dass Kindern „ohne pädagogische Begleitung kulturelle Konflikte anhand einer Liebesbeziehung“ nahegebracht werden sollen.

    In einem – schriftlich geführten – Interview mit unserer Redaktion bewertet die Münchner Medienexpertin Maya Götz die KiKA-Dokumentation „Malvina, Diaa und die Liebe“. Götz ist Leiterin des Internationalen Zentralinstitutes für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) in München:

    Frau Götz, halten Sie die Doku handwerklich für problematisch, etwa weil dort keine Einordnung der O-Töne vorgenommen wird (O-Töne wie der des Mädchens über ihren Freund: „Ich hab’ das Problem mit ihm, dass ich oft in eine Richtung gelenkt werde, in die ich gar nicht kommen möchte.“)?

    Maya Götz: Das Format ist eine Dokumentation, die ihre Stärke genau aus den authentischen Aussagen der Protagonisten und Protagonistinnen gewinnt. Mit der zitierten Aussage, mit der Malvina vorgestellt wird, bildet sich für die Zuschauenden ein Rahmen, wie sie Malvinas Aussagen, die nun folgen, einordnen können. Die Aussage verortet die Protagonistin als selbstreflektierte junge Frau, die den „cultural clash“ als zentrales Problem ihrer Beziehung erkennt: „Wir führen eine Beziehung, die einige Hürden hatte und haben wird", sagt sie. Malvina muss sich mit ihrer Identität und ihrem Wertekanon immer wieder behaupten und ausloten, um nicht den eigenen Weg zu verlieren. Ein zusätzlich deutender Text im Sinne von: „Malvina merkt also, dass sie in der Beziehung mit fremden Forderungen und Werten konfrontiert ist, die sie in eine Richtung drängen, die sie eigentlich gar nicht möchte“ wäre für die Kinder oder besser Pre-Teens, die sich diese Doku ansehen – hier vor allem Mädchen im Alter von zehn bis zwölf Jahren –, kontraproduktiv. Insbesondere in der (Vor-)Pubertät wollen sich die Heranwachsenden eine eigene Meinung bilden. Die Dokumentation führt sie durch die verschiedenen Konfliktbereiche und stellt die Perspektive des Mädchens in den Mittelpunkt.

    Was sagen Sie zu der nun geäußerten Kritik, dass diese Doku in dieser Form nichts für ein junges Publikum sei – und in ihr ein fragwürdiges Bild vermittelt werde? Verharmlost die Doku Probleme, die in derartigen Liebesbeziehungen auftreten (können)?

    Götz: Ältere Kinder, vor allem Mädchen, beschäftigen sich in dieser Zeit mit der Frage, wie der zukünftige Partner bzw. die zukünftige Partnerin aussehen könnte und wie sie ihre Beziehung idealerweise gestalten wollen. Darauf setzt schon seit Jahrzehnten eine ganze Industrie (Boygroups, YouTuber etc.). Insofern ist es ein relevantes Thema. Das, was die Dokumentation dann bietet, ist ein Bild von Auseinandersetzungen um Werte und Verhalten und die Notwendigkeit von Malvina, sich abzugrenzen und an einigen Stellen Kompromisse einzugehen. Das ist eigentlich genau die Art von Beziehung, die Mädchen vermeiden möchten. Auch wenn eine Rezeptionsstudie hier fehlt, wird die Dokumentation vermutlich von Mädchen vor allem als Warnung gelesen werden, mit wie vielen Punkten der Auseinandersetzung eine solche Beziehung verbunden sein wird.

    Insbesondere seitens der AfD ist die Kritik ja massiv. Der AfD-Politiker Dirk Spaniel etwa stellte einen Zusammenhang zum Fall Kandel her – dort hat ein junger Flüchtling aus Afghanistan seine 15-jährige Freundin erstochen. Spaniel spricht von „unerträglicher und gefährlicher Propaganda der Staatsmedien“. Ist diese Kritik gerechtfertigt? Und trifft seine Kritik einer „Manipulation und Indoktrination von Minderjährigen“ zu?

    Götz: Medienanalytisch hat der Film eine sogenannte Vorzugslesart, die in diesem Fall ist: Eine Beziehung wie diese kann sehr konflikt- und problembehaftet sein. Das sind wichtige Informationen für Mädchen. Gerade weil es sich um O-Töne handelt, die vor allem die Problembereiche betonen und die Bilder eben auch Zuneigung und – begrenzte – körperliche Nähe zeigen, bleibt aber genügend Raum für eigene Interpretationen. Insofern ist der Vorwurf von Propaganda, Manipulation oder Indoktrination unangemessen.

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