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Katholische Kirche: Missbrauchsstudie aus Frankreich entsetzt Vatikan

Katholische Kirche

Missbrauchsstudie aus Frankreich entsetzt Vatikan

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    Zwischen 2900 und 3200 französische Priester, Diakone oder Mönche haben sich in den letzten 70 Jahren sexuell an Minderjährigen vergangen.
    Zwischen 2900 und 3200 französische Priester, Diakone oder Mönche haben sich in den letzten 70 Jahren sexuell an Minderjährigen vergangen. Foto: L. Bruno/AP, dpa

    Es sind „Minimalschätzungen“ mit großer Sprengkraft. In der katholischen Kirche in Frankreich und in der Öffentlichkeit haben sie nun ein Erdbeben ausgelöst: Allein zwischen 2900 und 3200 französische Priester, Diakone oder Mönche haben sich in den letzten 70 Jahren sexuell an Minderjährigen vergangen – und in den seltensten Fällen hatte das Konsequenzen.

    Das sind die erschütternden Ergebnisse eines Berichts über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche Frankreichs, den eine unabhängige Kommission nach zweieinhalbjähriger Arbeit am Dienstag vorgestellt hat.

    Studie sagt: Das System katholische Kirche habe versagt

    Die Zahl der Betroffenen pro Täter geht schätzungsweise in die Dutzende. Insgesamt 216.000 Jungen und Mädchen wurden demnach Opfer von Geistlichen. Weitet man den Kreis der Täter auf Personen aus, die für kirchlich betriebene Einrichtungen wie Schulen tätig waren, erhöht sich die Opferzahl auf 330.000 Jungen und Mädchen. In fast einem Drittel der Fälle handelt es sich um Vergewaltigungen. Laut Bericht geht es um individuelle Vergehen wie um ein generelles Versagen des Systems.

    „Ganz eindeutig war die kirchliche Institution weder dazu in der Lage, diesen Gewalttaten vorzubeugen, noch sie zu erkennen und noch weniger, mit der erforderlichen Entschlossenheit dagegen vorzugehen“, schreibt die Kommission, die von der französischen Bischofskonferenz und der Konferenz der Mönche und Ordensfrauen damit beauftragt worden war, nach Jahrzehnten des Verschweigens und Vertuschens endlich Aufklärung zu schaffen.

    "Milieu mit der höchsten Ausbreitung sexueller Gewalt“

    Der Studie zufolge ist die katholische Kirche in Frankreich, abgesehen von familiären und freundschaftlichen Kreisen, seit Jahrzehnten „das Milieu mit der höchsten Ausbreitung sexueller Gewalt“ – weit vor Schulen oder Sportklubs. Ein Rückgang sei zwar erkennbar, das Phänomen aber immer noch präsent, hieß es.

    Mehr als die Hälfte der Fälle haben sich in den Jahren zwischen 1950 und 1960 zugetragen. Die Verantwortlichen brachten die Opfer zum Schweigen. Erst seit wenigen Jahren würde deren Leid auch anerkannt. Als Gründe für die skandalösen Vorgänge werden unter anderem die große Bedeutung des Zölibats, also der priesterlichen Ehelosigkeit, eine „exzessive Sakralisierung der Person des Priesters“ und die „Tabuisierung der Sexualität“ in der katholischen Kirche aufgeführt.

    Diese müsse nun endlich den „Deckel des Schweigens“ ablegen sowie die erfolgten Taten und ihr Ausmaß anerkennen und damit auch den „immensen Schaden“, der zigtausenden Menschen entstanden sei, sagte der Präsident der Kommission, Jean-Marc Sauvé. Auch in juristischer Hinsicht habe die Kirche Verantwortung zu übernehmen, was in Zukunft wohl „Entschädigungsmechanismen“ – beschlossen durch die staatliche Strafjustiz – zur Folge habe.

    Vatikan entsetzt über Studienergebnisse aus Frankreich

    Papst Franziskus reagierte betroffen auf die Ergebnisse. Seine Gedanken seien in erster Linie bei den Opfern. Er spüre große Trauer wegen ihrer Verletzungen und Dankbarkeit für ihren Mut, diese anzuprangern, sagte ein päpstlicher Sprecher. Der Vorsitzende der französischen Bischofskonferenz, Erzbischof Éric de Moulins-Beaufort, zeigte sich entsetzt über die Ergebnisse der Studie und bat die Opfer um Verzeihung. „Angesichts so vieler zerrütteter, oft zerstörter Leben schämen wir uns“, sagte er.

    Die unabhängige Kommission hatte mit mehreren Opfervereinigungen zusammengearbeitet. „Diese Verbrechen, die Minderjährige wie auch Volljährige trafen, können künftig weder bestritten noch verharmlost werden“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Für alle Betroffenen handele es sich nun um einen „Wendepunkt in unserer Geschichte“, sagte François Deveaux, Präsident der Vereinigung „Die befreite Rede“.

    Und weiter: Jahrelang seien massenweise fürchterliche Verbrechen begangen worden. „Sie müssen für alle diese Verbrechen bezahlen“, so Deveaux in Richtung der Kirchenvertreter. Dabei werde es um Milliardensummen gehen.

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