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Jugendliche statt Neugeborene: "Babyklappe" in Nebraska läuft aus dem Ruder

Jugendliche statt Neugeborene

"Babyklappe" in Nebraska läuft aus dem Ruder

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    Die gestellte Aufnahme zeigt eine "Babyklappe" in Stuttgart.
    Die gestellte Aufnahme zeigt eine "Babyklappe" in Stuttgart.

    Washington (dpa) - "Mommy, bitte verlass mich nicht", schluchzt ein zwölfjähriger Junge in der Notaufnahme eines Krankenhauses in der US-Stadt Omaha. Aber es hilft nichts.

    "Es tut mir wirklich leid", sagt die Mutter, und dann eilt sie aus dem Raum. Zurück bleibt ein Häufchen Elend. Eine Sozialarbeiterin beschreibt diese Szene in US-Medien, ein herzzerreißendes Drama, das sich so oder ähnlich in den vergangenen Monaten wiederholt abgespielt hat.

    Das war es nicht, was der Kongress im US-Bundesstaat Nebraska wollte. An eine Art Babyklappe dachte er, als er im Juli ein Gesetz verabschiedete, dem zufolge Eltern ungewollte Sprösslinge in Krankenhäusern abgeben dürfen - ohne Erklärungen, ohne Strafen. Tatsächlich landeten bis zum Mittwoch 35 Kinder auf diese Weise in staatlicher Obhut.

    Nur: Es waren keine jungen, verzweifelten und überforderten Mütter, die da ein Neugeborenes ablieferten. Die meisten der bisher abgeladenen Kinder sind Teenager, nach Angaben ihrer Eltern schwer erziehbar oder psychisch krank, nur wenige sind jünger als sechs, kein einziges ist ein Baby.

    Nun, nach rund fünfmonatigen Erfahrungen und negativen Schlagzeilen über die USA hinaus, wollen die staatlichen Gesetzgeber die Regelung ändern. Ausschließlich für Babys soll sie künftig gelten, wahrscheinlich für bis zu 30 Tage alte Säuglinge. Der Gouverneur hat angekündigt, dass er das neue Gesetz nach der für Freitag erwarteten Verabschiedung rasch unterzeichnen wird.

    Nebraska war neben Alaska der letzte US-Bundesstaat, der ein Babyklappen-Gesetz verabschiedete. Aber auf dem Weg dahin, bei den Beratungen, gab es Meinungsverschiedenheiten über die Altersgrenze. So einigte man sich denn auf einen Kompromiss und schrieb in den Entwurf schlicht das Wort "Kind" hinein, was - daran ist rechtlich nichts zu deuteln - alle Sprösslinge bis 18 einschließt.

    Und so ging es denn los. Söhne und Töchter wurden in Krankenhäusern abgeliefert, in Polizeistationen und in Kirchen. Manche Eltern reisten gar aus anderen Staaten an, fuhren mehr als 15 Stunden lang über die Highways, um ihre "Fracht" in Nebraska abzuladen, in einem Fall kamen die Eltern sogar aus dem fernen Florida. Insgesamt 24 Erziehungsberechtigte trennten sich nach Medienberichten von je einem Kind im Alter zwischen fünf und 17 Jahren. Eine Frau brachte ihre zwei Mädchen. Und dann tauchte ein Witwer auf mit neun seiner zehn Kinder. Er sagte, dass seine Frau im vergangenen Jahr gestorben sei und er die Schar nicht allein aufziehen könne.

    Sind diese Mütter und Väter Monster? Sind sie zumeist schlicht zu bequem, sich mit rebellischen und rüpelhaften Teenager-Sprösslingen abzugeben? Darüber wird in den USA heftig gestritten. Der "Washington Post" zufolge gaben die meisten Erziehungsberechtigten bei der Abgabe ihrer Kinder an, dass sie einfach nicht mehr weiter wüssten - entweder wegen persönlichen Stresses oder weil ihr Kind psychisch krank oder nicht mehr zu kontrollieren sei. "Ich konnte nicht mehr weiterkämpfen. Es gab keine Hoffnung mehr. Aber das heißt nicht, dass ich mein Kind nicht liebe," zitierte die "Los Angeles Times" eine Mutter.

    Tatsächlich hat sich nach Medienberichten herausgestellt, dass 27 der ersten 30 abgegebenen Kinder zuvor wegen psychischer Probleme in Behandlung waren, 28 hatten alleinerziehende Mütter oder Väter und in 22 einen Elternteil oder Vormund, der schon einmal im Gefängnis saß.

    Im Kongress in Nebraska setzt sich vor diesem Hintergrund nun zunehmend die Auffassung durch, dass die für Freitag erwartete Einschränkung des Gesetzes vom Juli das eigentliche Problem nicht löst: die Tatsache, dass sich viele überforderte Eltern von Teenagern anscheinend alleingelassen fühlen und nicht wissen, an wen sie sich wenden können. So soll im Januar über konkrete Verbesserungen debattiert werden, etwa über verstärkte psychologische und psychiatrische Beratungsprogramme.

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