Trotz seiner 84 Jahre hat der Dalai Lama keine Berührungsängste mit den sozialen Netzwerken. Vor wenigen Tagen etwa ließ er seine 19,3 Millionen Follower auf Twitter wissen: "Der Sinn des Lebens ist es, glücklich zu sein. Das ist es, was alle Menschen gemein haben." Für derartige Weisheiten ist er bekannt und beliebt. Letztlich, so twitterte er, komme das wahre Glück von innen: "Von der Barmherzigkeit und der Sorge um Mitmenschen".
Von Glück und Unglück versteht der Dalai Lama, der an diesem Samstag ein besonderes Jubiläum begeht, etwas. Am 22. Februar 1940 wurde er, Tenzin Gyatso, als 14. Dalai Lama inthronisiert. Heute ist die spirituelle Führungsfigur Tibets das populärste Gesicht des Buddhismus und eine Art religiöser Superstar. Spätestens der Friedensnobelpreis 1989 machte ihn weltberühmt.
80.000 Tibeter folgten dem Dalai Lama auf seiner Flucht
Geboren wurde Tenzin Gyatso 1935 in eine Bauernfamilie hinein in einem kleinen Bergdorf im Nordosten Tibets. Bereits mit zwei Jahren wurde er als Reinkarnation des 13. Dalai Lama auserkoren, mit vier Jahren wurde er in sein Amt gehoben. Dann, als der Dalai Lama 15 wurde, marschierte die chinesische Armee unter Mao Tse-tung nach Tibet ein und beanspruchte das Gebiet für die Volksrepublik. In den folgenden neun Jahren führte er Gespräche mit Mao über die Zukunft Tibets. Die Verhandlungen kamen jedoch zu einem jähen Ende, als die chinesische Volksbefreiungsarmee im März 1959 einen Aufstand der Tibeter niederschlug. Der Dalai Lama floh vor einer möglichen Verhaftung zu Fuß nach Indien.
Dort, in Dharamsala am Fuße des Himalaya-Gebirges, ließ er sich nieder – 80.000 Tibeter waren ihm gefolgt. Noch heute lebt er in der Stadt und führt ein vergleichsweise bescheidenes Leben. Und noch heute segnet er täglich Pilger. Von Weggefährten wird der Dalai Lama als radikal uneitel, herzlich und bescheiden beschrieben.
"Ich habe Vertrauen in euch", lauten die ersten Worte seines kürzlich erschienenen neuen Buches. Der Appell richtet sich vor allem an Jugendliche: "Ich trage die tiefe Überzeugung in mir, dass eure Generation in der Lage ist, das neue Jahrhundert in ein Jahrhundert des Friedens und des Dialogs zu überführen. Dass ihr in der Lage seid, die Menschheit wieder zu einen, mit sich selbst und mit ihrer Umwelt." Man könnte sagen, der Dalai Lama ist auf der Höhe der Zeit geblieben. In den vergangenen Jahren ist es dennoch etwas stiller um ihn geworden, auch die Aufmerksamkeit zum Beispiel deutscher Medien gegenüber der Tibet-Frage ist gesunken. Was damit zu tun hat, dass sich der Dalai Lama 2011 aus dem politischen Geschäft als Exilpräsident der Tibeter zurückgezogen hat.
Dalai Lama will Anweisungen für Nachfolge geben
Seither führt der 51-jährige Lobsang Sangay die Exilregierung an, die allerdings von keinem Staat der Welt anerkannt wird. Seine politische Linie ist die eines Kompromisses: Man bestehe zwar darauf, dass Tibet niemals Teil Chinas war, strebe aber keine Unabhängigkeit an, sondern "echte Autonomie" innerhalb der Volksrepublik.
Mit Spannung blicken die Tibeter bereits auf die Nachfolge des Dalai Lama. Bislang war es üblich, dass dessen Wiedergeburt mithilfe einer Delegation gefunden wird. Der Dalai Lama selbst kündigte an, mit 90 Jahren einen Brief zu verfassen, der genaue Anweisungen enthalten werde. Dabei hat er Ende Januar Rückendeckung aus den USA bekommen: Die Abgeordneten des Repräsentantenhauses sprachen sich in einem Gesetz für Sanktionen gegen chinesische Regierungsvertreter aus, die sich in die Nachfolge des Dalai Lama einmischen. Laut der Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, wolle man die chinesische Regierung dazu bewegen, den vor einem Jahrzehnt abgebrochenen Dialog mit dem Dalai Lama wiederaufzunehmen. Man unterstütze zudem "das Recht des tibetischen Volkes auf Religionsfreiheit und echte Autonomie".
Im großen Rahmen feiern wird der 84-Jährige sein Thronjubiläum nicht. Aufgrund der Coronavirus-Epidemie befolgt er den Rat seiner Ärzte – und sagte alle öffentlichen Auftritte vorerst ab.
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