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Japan: Nach dem Erdbeben von Fukushima rückt der Taifun an

Japan

Nach dem Erdbeben von Fukushima rückt der Taifun an

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    Der Screenshot vom Bildschirm zeigt ein Bild aus der Live-Übertragung einer Webcam der Firma Tepco am AKW in Fukushima, Japan, aufgenommen am 25.10.2013, kurz nach einem Erdbeben in der Region. Ein stärkeres Erdbeben hat die Region Fukushima erneut erschüttert.
    Der Screenshot vom Bildschirm zeigt ein Bild aus der Live-Übertragung einer Webcam der Firma Tepco am AKW in Fukushima, Japan, aufgenommen am 25.10.2013, kurz nach einem Erdbeben in der Region. Ein stärkeres Erdbeben hat die Region Fukushima erneut erschüttert. Foto: dpa

    Der Schreck kam in der Nacht. Ein Erdbeben der Stärke 7,1 hat die katastrophengebeutelte japanische Region Fukushima am Samstag erschüttert. Danach gaben die Behörden eine Warnung vor einem Tsunami heraus. Dieser entpuppte sich dann zum Glück als mehrere kleinere Flutwellen.

    Keine neuen Auffälligkeiten an AKW Fukushima

    Gefahrenquellen für Atomkraftwerke

    In Japan stand ein Erdbeben mit anschließendem Tsunami am Anfang der Ereignisse, die zur Atomkatastrophe in Fukushima führten. Auch in Europa gibt es Meiler in seismisch aktiven Zonen, etwa im französischen Fessenheim direkt an der deutschen Grenze.

    Ein Tsunami wie in Japan ist in Europa eher unwahrscheinlich. Allerdings sind auch hierzulande Überflutungen denkbar. Wasser ist für Atomanlagen gefährlich, weil es die aus Dieselgeneratoren und Batterien bestehende Notstromversorgung lahmlegen kann. Deiche gehörten zum wichtigsten Schutz gegen diese Gefahr, heißt es in einem aktuellen Arbeitspapier der Vereinigung der Westeuropäischen Atomaufsichtsbehörden (WENRA).

    Das WENRA-Papier zählt als Risiken auch Sturm und starke Regenfälle sowie die Kombination mehrerer Extremwetterlagen auf. Atomexperte Heinz Smital von Greenpeace sieht auch in Waldbränden eine Gefahr, die sich beispielsweise im vergangenen Sommer bei den Großfeuern in Russland gezeigt habe. Denn der dichte Rauch könne dazu führen, dass Notstromdiesel-Generatoren wegen Sauerstoffmangels nicht ansprängen.

    Terrorangriffe sind deshalb so brisant, weil sich Täter gezielt den Kern einer Atomanlage, den Reaktordruckbehälter, vornehmen könnten. Dadurch ist nach den Worten von Atomexperten Smital «eine Zerstörung möglich, die sonst nicht erreicht werden kann». Bei einem Angriff könnten in kürzester Zeit riesige Mengen Strahlung frei werden, während sich die Freisetzungen in Tschernobyl und Fukushima vergleichsweise begrenzt und langsam abgespielt hätten.

    Das Risiko von Cyberattacken auf Atomkraftwerke geriet 2010 durch den Computerwurm Stuxnet ins Rampenlicht. Stuxnet wurde laut «New York Times» von den USA und Israel entwickelt, um das iranische Atomprogramm zu sabotieren. Dass private Hacker einen atomaren GAU auslösen können, hält Frank Rieger vom deutschen Chaos Computer Club für «ziemlich unwahrscheinlich». Bislang seien solche Risiken aber offenbar noch nicht detailliert erforscht, meint Rieger.

    Die Wahrscheinlichkeit eines Flugzeugabsturzes auf ein Atomkraftwerk lässt sich zumindest annähernd vorhersagen, indem Flugrouten, allgemeine Unfall-Zahlen sowie die potentielle Trefferfläche ins Kalkül gezogen werden. Die kuppelartige Form des Betonmantels vieler Reaktorgebäude sorgt dafür, dass die Trefferfläche für einen möglichen Frontalaufprall gering ausfällt.

    Die Höhe eines Risiko bemisst sich nach zwei Dingen: der Wahrscheinlichkeit, dass das befürchtete Ereignis eintritt, und dessen Schwere. Das Risiko kann also auch dann hoch sein, wenn das Ereignis sehr unwahrscheinlich ist, aber die Folgen immens wären. Ob allerdings auch extrem unwahrscheinliche Ereignisse - wie beispielsweise ein Satellitenabsturz - bei den europäischen Akw-Tests eine Rolle spielen sollten, sei letztlich keine wissenschaftliche, sondern eine gesellschaftspolitische Frage, hieß es aus deutschen Fachkreisen.

    Berichte über Verletzte oder größere Schäden durch das Erdbeben in Japan um 02.10 Uhr (Freitag, 19.10 Uhr deutscher Zeit) gab es nicht. Nach Auskunft des Betreibers Tepco gab es auch an der Atomruine Fukushima Daiichi keine neuen Auffälligkeiten. Eine zunächst ausgegebene Warnung vor einem bis zu einem Meter hohen Tsunami hob die Meteorologische Behörde rund zwei Stunden nach dem Beben wieder auf. Zuvor waren an der Pazifikküste bis zu 40 Zentimeter hohe Flutwellen beobachtet worden. Unterdessen bedroht ein neuer Taifun Japan mit starken Regenfällen.

    Fukushima: Auffangbecken für verstrahltes Wasser abgepumpt

    Erdbeben, Tsunami und GAU: die japanische Katastrophe in Zahlen

    Ein verheerendes Erdbeben und eine gewaltige Flutwelle führten am 11. März 2011 in Japan zum Atomunfall von Fukushima. Zahlen und Fakten zur Dreifach-Katastrophe, die die drittgrößte Industrienation der Welt überzog:

    - Das Erdbeben mit der Stärke 9,0 ist das bisher schwerste in der Geschichte Japans. Es löst auch einen Tsunami aus. Mehr als 260 Küstenstädte wurden zum großen Teil zerstört.

    - Die Naturkatastrophe fordert rund 15.800 Tote und mehr als 3700 Vermisste.

    - Die zivilen Schäden der Dreifach-Katastrophe belaufen sich insgesamt auf etwa 160 Milliarden Euro.

    - Die Katastrophenregion um Fukushima ist auf Jahrzehnte oder noch länger unbewohnbar. Mehr als 100 000 Menschen müssen ihre Heimat verlassen, Tausende leben noch immer in Notunterkünften.

    - Über 10.000 Tonnen radioaktiv verseuchtes Wasser fließen in den Ozean. Es gerät 168-mal mehr Cäsium 137 in die Umwelt als bei der Explosion der Hiroshima-Bombe.

    - Nach Angaben des Fukushima-Betreibers Tepco wird es noch bis zu 40 Jahren dauern, bis das Kraftwerk vollständig gesichert ist. Rund 20 000 Arbeiter halfen bislang, die Reaktoren unter Kontrolle zu bringen.

    - Alle zwei Millionen Bewohner der Katastrophenprovinz Fukushima sollen langfristig Gesundheitschecks unterzogen werden. dpa

    Als Vorsichtsmaßnahme pumpten die Reparaturtrupps in der Atomruine Fukushima Auffangbecken für Tanks mit hochgradig strahlendem Wasser in unterirdische Zwischenlager ab. Der vorherige Taifun "Wipha" hatte die Auffangbecken in der vergangenen Woche zum Überlaufen gebracht. Nach dem Erdbeben in der Nacht zum Samstag hatte der Betreiberkonzern Tepco die an der Küste vor dem AKW beschäftigten Reparaturtrupps aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. Da der Erdstoß jedoch mitten in der Nacht erfolgte, waren nur wenige Arbeiter betroffen.

    Erdbeben: Bewohner sollten sich in Sicherheit bringen

    Die Behörden riefen die Bewohner mehrerer Ortschaften an der Pazifikküste auf, sich wegen des erneuten Bebens in Sicherheit zu bringen. Heftige Regenfälle haben den Boden in der Region stark aufgeweicht. Es könnte in Folge von Erschütterungen zu Erdrutschen kommen. Auch die Bewohner in anderen Orten entlang der Pazifikküste wurden zur Wachsamkeit aufgefordert. Unterdessen näherte sich der Taifun "Francisco", der 27. Wirbelsturm der Saison, über das Meer.

    Der Taifun rückt an

    Mehr als 1300 Bewohner auf der Insel Izu Oshima, 120 Kilometer südlich der Hauptstadt Tokio, verbrachten die Nacht über in Schulen und anderen Notunterkünften. Die Behörden hatten alle rund 8300 Bewohner der Insel aufgefordert, sich vor dem Taifun in Sicherheit zu bringen. Ein vorheriger Taifun hatte erst in der vergangenen Woche 31 Menschen auf der Insel in den Tod gerissen und Schäden verursacht.

    Warnung vor Nachbeben in Japan

    Chronologie der Katastrophe von Fukushima

    Die Havarie nach dem verheerenden Erdbeben und Tsunami im japanischen Atomkraftwerk Fukushima Daiichi war die schwerste Atomkatastrophe seit dem Tschernobyl-Unglück 1986. Ein Überblick:

    11. März 2011: Ein Erdbeben der Stärke 9,0 erschüttert den Nordosten Japans und löst einen verheerenden Tsunami aus.

    11. März 2011: Auch die Stromversorgung und das Kühlungssystem des an der Küste gelegenen Atomkraftwerks Fukushima Daiichi werden beschädigt. Die Brennstäbe im Inneren der Reaktoren überhitzen und beginnen zu schmelzen.

    12. März: Im Reaktorgebäude Nummer eins kommt es zu einer Wasserstoffexplosion, doch der Reaktor selbst bleibt intakt. Das Kühlwassersystem funktioniert nicht mehr, das Team auf dem Gelände beginnt daraufhin, die Reaktoren mit Meerwasser zu kühlen. Die Regierung erweitert die Evakuierung auf einen Umkreis von 20 Kilometern.

    14./15. März: In den Gebäuden der Reaktoren drei und vier kommt es zu weiteren Explosionen. Die Reaktoren bleiben laut Behörden intakt.

    25. März - 4. April: In vier beschädigten Reaktorgebäuden wird eine große Menge radioaktiv verseuchten Wassers entdeckt. Es behindert die Arbeit zur Kühlung der überhitzten Brennstäbe. Die Behörden beschließen, 11.500 Tonnen radioaktiven Wassers in den Pazifik zu leiten.

    12. April: Japan stuft die Schwere des Atomunglücks hinauf. Es hat nun Höchststufe 7 und wird damit als genauso verheerend eingestuft wie die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl.

    6. Juni: Die Regierung bestätigt, dass es bereits kurz nach Beginn der Katastrophe in drei Reaktoren zu Kernschmelzen gekommen war. Die in den ersten Tagen freigesetzte Radioaktivität sei zudem doppelt so hoch gewesen wie zunächst geschätzt.

    30. August: Ministerpräsident Naoto Kan und sein Kabinett treten zurück. Finanzminister Yoshihiko Noda wird Japans sechster Regierungschef innerhalb von fünf Jahren.

    3. Oktober: Eine Regierungskommission schätzt die Kosten für Stilllegung und Abbau der Atomreaktoren auf umgerechnet 10,6 Milliarden Euro.

    17. und 29. November: Aufgrund radioaktiv verseuchter Stichproben verbietet Japan den Verkauf von Reis aus der Region Fukushima.

    16. Dezember: Die japanische Regierung verkündet, Fukushima Daiichi sei wieder unter Kontrolle, die Reaktoren seien im Zustand der «Kaltabschaltung».

    21. Dezember: Die Betreibergesellschaft Tepco schätzt, dass die Stilllegung der Reaktoren bis zu 40 Jahre dauern wird.

    22. Februar 2012: Um die Kontaminierung des Ozeans vor dem havarierten Atomkraftwerk einzudämmen, kündigt Tepco an, den Meeresboden mit einer 73.000 Quadratmeter großen Betondecke zu versiegeln.

    4. April 2013: Bis zu 120 Tonnen radioaktiv verseuchtes Wasser treten aus einem Tank aus und dringen in den Boden ein.

    19. Juni 2013: Im Grundwasser nahe dem havarierten Atomkraftwerk werden hohe radioaktive Werte gemessen. Werte der radioaktiven Substanz Strontium-90 lagen dreißigmal höher als zulässig.

    21. August 2013: Weitere 300 Tonnen radioaktiv verseuchtes Wasser treten in Fukushima aus.

    10. März 2015: An den Folgen der Flucht vor der Strahlung sind mehr als 1200 Menschen gestorben. Das Leben in Behelfsunterkünften hat viele krank gemacht. Andere begingen Selbstmord.

    Die Meteorologische Behörde warnte vor weiteren Nachbeben. Der Erdstoß war auch in Tokio zu spüren gewesen. Die ungewöhnliche lange andauernde Erschütterung brachte auch hier Häuser zum Schwanken. Das schwere Erdbeben im März 2011 hatte mehr als 260 Küstenstädte des Landes zum großen Teil zerstört. Zehntausende Menschen mussten die radioaktiv verseuchte Region verlassen und leben noch heute in Notunterkünften. Der Rückversicherer Munich Re sprach von der teuersten Naturkatastrophe aller Zeiten. Das Unternehmen schätzte den volkswirtschaftlichen Schaden auf 210 Milliarden US-Dollar (155 Milliarden Euro) - ohne die Folgen des Atomunglücks.

    Das Epizentrum lag 2011 aber wesentlich näher an Japans Ostküste und zwar 130 Kilometer östlich der Stadt Sendai. Das Epizentrum des neuen Bebens von Samstag lag in zehn Kilometern Tiefe vor der Ostküste, rund 475 Kilometer von der Hauptstadt Tokio entfernt. Bei Japan treffen vier tektonische Platten zusammen, die Pazifische, die Nordamerikanische, die Eurasische und die Philippinische Platte. Diese Zone verursacht immer wieder Beben. Japan ist eines der am stärksten von Erdbeben gefährdeten Länder.

    Am 11. März 2011 hatte ein noch stärkeres Erdbeben in Fukushima die weltweit schwerste Atomkatastrophe seit Tschernobyl ausgelöst: Der Stoß mit der Stärke 9,0 und eine Flutwelle beschädigten das dortige AKW schwer. Knapp 16 000 Menschen kamen damals durch das Erdbeben und die Flutwelle ums Leben, etwa 2650 gelten noch heute als vermisst. Bei dem Beben vom Samstag handelt es sich nach Angaben der Meteorologischen Behörde um ein Nachbeben des Erdstoßes von 2011. dpa/AZ

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