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Jahrbuch Sucht: Alkohol, Medikamente, Glücksspiel: So süchtig ist Deutschland

Jahrbuch Sucht

Alkohol, Medikamente, Glücksspiel: So süchtig ist Deutschland

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    Jeder sechste Erwachsene gilt als Risikotrinker.
    Jeder sechste Erwachsene gilt als Risikotrinker. Foto: Daniel Naupold, dpa (Symbol)

    Deutschland hat nach einer Analyse für das neue Jahrbuch Sucht ein Alkoholproblem. Nach den jüngsten Berechnungen für 2017 tranken die Bundesbürger pro Kopf rund 131 Liter Alkoholika, teilte die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen am Mittwoch in Berlin mit. Das entspreche rund einer Badewanne voller alkoholischer Getränke. Besonders beliebt waren Bier (rund 101 Liter pro Jahr) und Wein (20,9 Liter pro Jahr) und Spirituosen (5,4 Liter). Doch auch Tabak, illegale Drogen, Medikamente und Glücksspiel machen Suchtforschern weiter Sorgen. Eine Übersicht:

    Alkohol: Auch wenn der Konsum beim Vergleich zwischen 2016 und 2017 leicht um rund zwei Prozent sank, geben Suchtforscher keine Entwarnung. "Alkohol zu trinken gilt in Deutschland als total normal", sagte Christina Rummel, Vize-Geschäftsführerin der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen. Im europäischen Vergleich bleibe die Bundesrepublik damit ein Hochkonsumland. Das habe Folgen: 7,8 Millionen Bundesbürger zwischen 18 und 64 Jahren sind laut Rummel Risikotrinker. Rund 21 700 Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 20 Jahren kamen 2017 mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus. 2017 standen bei 231 300 Straftaten die mutmaßlichen Täter unter Alkoholeinfluss. Das waren fast 11 Prozent aller Tatverdächtigen. Suchtforscher fordern weniger Werbung für Alkohol, höhere Preise und einen Verkauf erst ab 18 Jahren.

    Ein Drittel der Bundesbürger raucht

    Tabak: Weiterhin raucht rund ein Drittel der Bundesbürger. Der Konsum von Zigaretten sei von 2017 auf 2018 lediglich um knapp zwei Prozent gesunken, heißt es im Jahrbuch. Dafür stieg der Verkauf von Zigarren und Zigarillos um 6,5 Prozent, beim Pfeifentabak und Feinschnitt waren es fast drei Prozent. Dabei gehe es sowohl um klassischen Pfeifentabak als auch um Tabak für Shisha-Pfeifen, erläuterte Rummel. Rauchen unterliege Moden. So könne der Anstieg bei Zigarren und Zigarillos ein "Hipster-Effekt" sein. Von den Mengen her sei das mit Zigaretten aber überhaupt nicht zu vergleichen. Fast 13,5 Prozent aller Todesfälle haben nach Angaben der Suchtforscher mit den Folgen des Rauchens zu tun.

    So hören Sie mit dem Rauchen auf

    Nikotinkaugummis und -pflaster: Diese Hilfsmittel sorgen dafür, dass man nicht von Hundert auf Null gehen muss. "Man kann sich erst einmal darauf konzentrieren, seine Gewohnheiten zu ändern, bekommt das Nikotin aber weiter", erklärt Gabriele Bartsch von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS).

    Aber: Auch Kaugummis und Pflaster muss man nach und nach herunterdosieren, mahnt sie. Wie lange die Einnahme höchstens empfohlen wird, steht auf der Packung.

    Weniger rauchen: "Dazu gehört sehr viel Disziplin und sehr viel Motivation", sagt Bartsch. Denn auch beim Reduzieren wird das Suchtgedächtnis immer weiter "gefüttert". "Für die meisten ist es weniger anstrengend, sich einen fixen Schlusspunkt zu setzen und das dann auch durchzuhalten."

    Nicht aufgeben: "Auch ein zeitweiliger Rauchstopp ist gut" betont Bartsch. Wer schon mal für ein halbes Jahr oder auch zwei Jahre aufgehört hat, hat zumindest die Erfahrung gemacht: "Ich kann das". "Dadurch wird die Chance, es wieder zu schaffen, nicht schlechter, sondern besser."

    Positiv denken: Wer gerade die ersten Tage oder auch Wochen nicht mehr raucht, sieht eigentlich nur, was ihm weggenommen wird. Deshalb ist es wichtig, sich immer wieder in Erinnerung zu rufen, was das Aufhören alles Positives bewirkt.

    "Es gibt auch Apps, die einen dabei unterstützen. Allerdings ist bislang keine wissenschaftlich evaluiert", sagt Bartsch. Die Apps senden Push-Mitteilungen, in denen etwa steht, wie sehr sich das Herz schon erholt hat. Oder die App rechnet das bereits eingesparte Geld zusammen.

    Stark bleiben: "Meistens ist es nur ein kurzer Moment, den man überbrücken muss, bis die Motivation wieder einen Push bekommt", sagt Bartsch. Aber in dem kleinen Zeitraum sollte man möglichst nicht das tun, was vorher mit dem Rauchen verbunden war, rät Bartsch.

    Sich ablenken: Was in kritischen Situation hilft, muss jeder für sich herausfinden, betont Bartsch. Manch einer dreht eine Runde um den Block oder den Wald, manche fangen an zu putzen und wieder andere machen zehn Kniebeugen, statt eine zu rauchen.

    Medikamente: 1,2 bis 1,5 Millionen Menschen sind laut Jahrbuch abhängig von Tranquilizern und Schlafmitteln, darunter vor allem Ältere und Frauen. Viele Mittel könnten abhängig machen. Weitere 300.000 bis 400.000 Menschen gelten als abhängig von anderen Arzneimitteln.

    Illegale Drogen: Die am häufigsten konsumierte verbotene Droge bleibt bei Jugendlichen und Erwachsenen Cannabis. 2017 wurden rund 7731 Kilogramm Marihuana sichergestellt, das waren laut dem Jahrbuch fast 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch härtere illegale Drogen wie Heroin hinterlassen ihr Spuren. Im Jahr 2018 wurden 1276 Rauschgifttote registriert - vier mehr als im Vorjahr.

    Glücksspiel: Die Gefahr aus dem Internet

    Glücksspiel: Es stand in diesem Jahr im Fokus von Suchtforschern. Auffällig sind für sie die steigenden Umsätze auf dem legalen deutschen Glücksspiel-Markt - trotz restriktiverer Gesetze. 2017 wurde laut Jahrbuch ein Umsatz von 46,3 Milliarden Euro erzielt. Das waren rund 10 Milliarden Euro mehr als 2012. Die größten Geldbringer waren dabei 2017 Spielautomaten mit einem Anteil von rund 58 Prozent am Gesamtmarkt. Rund 180.000 Menschen in Deutschland gelten als spielsüchtig, weitere 326.000 haben laut Jahrbuch ein Problem mit ihrem Spielverhalten. Casino- Rubbellos- und Pokerspiele im Internet seien in Deutschland noch verboten, sagte Ilona Füchtenschnieder, Vorsitzende des Fachverbands Glücksspielsucht. Geworben und gespielt werde trotzdem. Suchtforscher und Berater fordern Werbeverbote und mehr Glücksspielaufsicht. Denn deutlich mehr Menschen als früher suchten Hilfe bei Beratern. (dpa/AZ)

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