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Italien: Nach dem Erdbeben ist das Dorf Amatrice nicht mehr zu retten

Italien

Nach dem Erdbeben ist das Dorf Amatrice nicht mehr zu retten

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    Kein einziges Haus ist mehr intakt: Das Dorf Amatrice ist am meisten vom Erdbeben betroffen.
    Kein einziges Haus ist mehr intakt: Das Dorf Amatrice ist am meisten vom Erdbeben betroffen. Foto: Filippo Monteforte, afp

    Eigentlich wollten sie feiern in diesen Tagen in Amatrice. Zum 50. Mal stand die „Sagra degli Spaghetti all’Amatriciana“ auf dem Programm, ein traditionelles Volksfest zu Ehren des weit über Italien hinaus berühmten Nudelrezepts, das in dem Dorf erfunden wurde. Nach dem verheerenden Erdbeben ist alles anders.

    Die Rettungsarbeiten gingen auch am dritten Tag nach der Naturkatastrophe in den Regionen Latium und Marken weiter. Der italienische Zivilschutz meldete am Freitag 278 Tote und 387 Verletzte. Unter den Opfern sollen auch mehrere ausländische Bürger aus Rumänien, Großbritannien und Kanada sein. Insgesamt konnten bislang 238 Verschüttete gerettet werden. 2100 Menschen wurden in Zeltlagern oder Turnhallen versorgt.

    Für die Helfer liegen Freude und Trauer dabei oft ganz nah beieinander: In dem verwüsteten Ort Pescara del Tronto wurde ein vierjähriges Mädchen nach 16 Stunden lebend unter den Trümmern seines Kinderzimmers gefunden. Für die ältere Schwester kam jede Hilfe zu spät. Die kleine Giorgia und die neunjährige Giulia seien in enger Umarmung unter zwei Metern Geröll entdeckt worden, zitierte die Zeitung La Repubblica am Freitag den Feuerwehrmann Massimo Caico. Das Kind habe den Mund voller Erde gehabt. „Aber wahrscheinlich ist irgendwie ein winziger Luftstrahl zu ihr durchgedrungen, der ausgereicht hat.“

    Erdbeben in Italien: Weitere Erdstöße erschweren Rettung

    Die Rettungsarbeiten waren am Freitag von weiteren Erdstößen erschwert worden. Seit dem schweren Beben am Mittwochmorgen um 3.36 Uhr meldeten Seismologen insgesamt über 1000 Erdstöße in der Region. Eine der beiden Zufahrtsstraßen in das beinahe vollständig zerstörte Amatrice musste am Freitagmorgen gesperrt werden. Dort hatte ein neuer Erdstoß mit der Stärke 4,8 eine Brücke beschädigt.

    Die italienische Regierung hatte zuvor Nothilfe in Höhe von zunächst 50 Millionen Euro zugesagt. Ministerpräsident Renzi versprach zudem einen raschen Wiederaufbau, die Steuerbefreiung der vom Erdbeben betroffenen Bevölkerung sowie ein landesweites Projekt zur Erdbeben-Prävention. Geologen hatten in den vergangenen Tagen angesichts der Häufigkeit von Erdbeben in Italien mehr Vorsorge angemahnt. Wie es hieß, sei auch die erdbebensichere Renovierung alter Gebäude technisch möglich, werde in Italien aber kaum genutzt.

    Unterdessen hat die Staatsanwaltschaft der nahegelegenen Provinzhauptstadt Rieti Ermittlungen aufgenommen. Oberstaatsanwalt Giuseppe Saieva sagte nach Angaben der Zeitung La Stampa: „Es geht zunächst darum, die Leichen zu identifizieren und die Todesursachen festzustellen.“ Insbesondere richtet sich das Augenmerk der Ermittler auf den Einsturz der Grundschule in Amatrice, die 2012 erdbebensicher renoviert werden sollte, beim Erdstoß von Mittwochnacht aber in sich zusammenstürzte. Ob es dabei Opfer oder Verletzte gab, ist bislang nicht klar. Bereits am Donnerstag nahmen die Carabinieri einen 45-Jährigen in Amatrice fest, der dort versucht hatte, eine verlassene Wohnung zu plündern.

    Doch es gibt auch tausende Privatleute, die mit ihrem Geld helfen wollen. Hier kommen wieder die Spaghetti all’Amatriciana ins Spiel. Liebhaber des Rezepts, das mit Schweinebacken-Speck, Pecorino-Käse, Peperoncino und Tomatensugo zubereitet wird, wollen mit einer Spendenaktion dem völlig zerstörten Städtchen helfen. Food-Blogger Paolo Campana hat auf Facebook Restaurants dazu aufgerufen, Spaghetti all’Amatriciana mit einem geringen Aufpreis in die Speisekarte aufzunehmen. Für jeden bestellten Teller Amatriciana gehen zwei Euro an die Bevölkerung von Amatrice und Umgebung. Bis Donnerstag hatten sich laut Campana allein in Italien 700 Restaurants an der Aktion beteiligt. Sogar italienische Lokale in Griechenland und in den USA sind dabei. (mit dpa)

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