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Italien: Geistliche kämpfen gegen das Coronavirus - und werden selbst zum Opfer

Italien

Geistliche kämpfen gegen das Coronavirus - und werden selbst zum Opfer

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    Eines von vielen erschütternden Bildern aus Norditalien, dem Zentrum der Corona-Pandemie in dem Land. Auf diesem Foto aus Brescia segnet Bischof Pierantonio Tremolada die Särge von Opfern des Virus. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
    Eines von vielen erschütternden Bildern aus Norditalien, dem Zentrum der Corona-Pandemie in dem Land. Auf diesem Foto aus Brescia segnet Bischof Pierantonio Tremolada die Särge von Opfern des Virus. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Foto: Francesca Volpi, kna

    Don Giulio Dellavite ist außer Atem. Der Generalsekretär der katholischen Diözese Bergamo ist seit einem Monat auf dem Sprung. Die Corona-Pandemie hat die Kleinstadt in Norditalien immer noch fest im Griff: mehr als 8000 Menschen, die das Virus derzeit in sich tragen; fast 2000 Todesopfer. Ein Albtraum. „Wir bekommen keine Luft“, sagt Dellavite am Telefon. Dellavite, früher fast zehn Jahre lang persönlicher Sekretär des mächtigen Kardinals Giovanni Battista Re im Vatikan, hat so etwas noch nicht erlebt. Im Hintergrund ist nun die Sirene eines Krankenwagens zu hören.

    Bergamo ist das Epizentrum der Corona-Pandemie in Italien. Und die katholische Kirche ist mittendrin. Die Bilder der Militärlastwagen, die Särge abtransportieren, haben sich – davon ist auszugehen – bereits ins kollektive Gedächtnis des Landes eingeprägt. Bevor die Särge aber abgeholt werden, lagern sie oft noch in den Kirchen. „Dass die Särge mit den Leichnamen in den Kirchen zur Ruhe kommen, ist ein Zeichen des Respekts“, sagt Bergamos Bischof Francesco Beschi im Gespräch mit unserer Redaktion.

    Mediziner kämpfen gegen Corona - Priester auch

    Ärzte und Pfleger versuchen seit Wochen, gegen die schweren Folgen von Covid-19 anzukämpfen. Aber auch Priester und Ordensschwestern sind im Einsatz – und Betroffene. Vor ein paar Tagen habe ihn ein Priester angerufen, dessen Vater gestorben sei, berichtet der Bischof. Der Priester und die ganze Familie seien in Quarantäne gewesen. „Es gibt kein Begräbnis. Der Leichnam kommt auf den Friedhof und wird begraben, ohne dass irgendjemand teilnehmen kann“, erzählt Beschi weiter. Die Pandemie hat den Menschen in Bergamo sogar die Trauerfeier genommen.

    Etwa 70 Geistliche sollen bislang in Italien am Coronavirus gestorben sein; die Zahl dürfte stark untertrieben sein. Denn Ordensmänner und -frauen wurden nicht gezählt. Allein auf der Homepage der Diözese von Bergamo sind 25 Namen von verstorbenen Priestern aufgelistet.

    Corona-Krise in Italien: Tote Ordensschwestern werden vergessen

    Es sind die Ordensangehörigen, die öffentlich in den Hintergrund gerückt zu sein scheinen. Kaum einer sprach zum Beispiel von den 15 verstorbenen Ordensschwestern des Istituto Palazzolo bei Bergamo. Schwester Costantina Ranioli arbeitete als Krankenpflegerin in dem Krankenhaus. „Sie war immer fröhlich und voller Leidenschaft“, erinnert sich die Ordensobere Carla Fiori. Einen Monat habe Costantina gegen die Krankheit gekämpft, dann sei sie gestorben.

    Oder Don Fausto Remini, den sie in Bergamo „Armenpriester“ nannten. 67 Jahre alt, kümmerte er sich aufopferungsvoll um die Inhaftierten im Gefängnis und um Obdachlose. Bevor er am 23. März starb, soll er gesagt haben, er sei müde, aber glücklich, den Letzten gedient zu haben. Es gibt unzählige solcher Geschichten. Pfarrer Giuseppe Berardelli, der am 16. März im Alter von 72 Jahren starb, erlangte vorübergehend internationale Berühmtheit, weil er trotz Krankheit sein Beatmungsgerät einem jungen Patienten gegeben haben soll. Später dementierten Bekannte von ihm diese Version der Geschichte. Berardelli habe die Beatmung abgelehnt, weil er sie nicht habe ertragen können. Dennoch sei der Geistliche ein Vorbild. Der Priester Luigi Manenti beschrieb Berardelli als jemanden, der anderen stets Zuversicht und Hoffnung vermittelt habe.

    Beerdigung von Corona-Toten: Abschied mit dem Handy auf dem Sarg

    Berührend ist auch das Zeugnis eines Kapuzinermönchs aus Bergamo, Bruder Aquilino, der bei Beerdigungen dabei sein durfte. Er rief die Angehörigen an und legte sein Handy auf den Sarg, damit sich die Familie verabschieden konnte. Die Not macht erfinderisch.

    Bischof Beschi hat Angehörige und Ärzte aufgefordert, Todkranke zu segnen, wenn sie das wollen. Denn auch die Priester haben Ausgangsverbot. „Es besteht die Sorge, dass ein Priester bei einem Hausbesuch nicht nur Jesus Christus, sondern auch das Virus bringt“, sagt der Bischof. Seelsorge findet fast nur noch telefonisch oder online statt. Und einige Priester liegen selbst auf der Intensivstation und kämpfen ums Überleben. „Man kann nicht behaupten, sie hätten den Einsatz gescheut“, sagt Beschi. Das ist auch über die unzähligen Kirchenleute und Laien zu sagen, die Armen oder Behinderten in Italien helfen.

    Und die Pandemie ist längst noch nicht ausgestanden. Mehr als 100.000 Menschen haben sich nach Behördenangaben bis Montag in Italien mit dem Virus infiziert, insgesamt rund 12.000 Menschen starben. Allein in zwei Frauenklöstern vor den Toren Roms wurden 59 Schwestern positiv auf das Virus getestet. Noch schlimmer sieht es in Parma aus: Im Haus der Missionari Saveriani wurden unter den Ordensleuten 15 Todesopfer gemeldet.

    Über alle Entwicklungen rund um das Coronavirus informieren wir Sie in unserem Live-Blog.

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