Jahrhundertelang hatte kein Mensch das Taufbecken byzantinischer Kaiser gesehen, als der Museumsdirektor der Hagia Sophia es vor zehn Jahren stolz der Öffentlichkeit präsentierte. Einst mit Juwelen verziert, die später von den Kreuzrittern geraubt wurden, stand das gewaltige Marmorbecken seit dem sechsten Jahrhundert in der Taufkapelle der Hagia Sophia. Die Osmanen, die kein Taufbecken brauchten, funktionierten die Kapelle nach ihrer Eroberung von Konstantinopel im Jahr 1453 zunächst zu einem Lager für Lampenöl um und später zu einem Sultansgrab; das Becken zerrten sie in den Vorhof hinaus und schaufelten es mit der Erde aus den Gräbern zu. Dort wurde das größte Taufbecken der Byzantiner von der Welt vergessen – bis nach Jahrhunderten die Museumsverwaltung der Hagia Sophia dem Geheimnis auf die Spur kam.
Was wird aus der Kulturgeschichte der Hagia Sophia?
Akribisch hat die Museumsbehörde im letzten Jahrhundert das Kulturdenkmal Hagia Sophia geschützt und gepflegt; ein hochkarätiger Wissenschaftsrat von Kunst- und Architekturhistorikern und Konservatoren wachte über jeden Stein. Mit der Entscheidung der türkischen Regierung, die Hagia Sophia vom Museum in eine Moschee umzuwandeln, wechselt das Bauwerk jetzt in die Obhut des Religionsamtes und der staatlichen Stiftungsbehörde als Liegenschaftsverwalterin. Was wird nun aus der 1500-jährigen Kulturgeschichte der Hagia Sophia?
Nach der politischen Entscheidung vom Freitag berieten die türkischen Behörden am Wochenende über die praktische Umsetzung, die bis zur Eröffnung beim Freitagsgebet am 24. Juli vollendet werden soll. Einige Entscheidungen waren einfach: So sind die Posten der zwei Imame und vier Muezzins für die frischgebackene Sophien-Moschee schon vergeben, wie Religionsamtschef Ali Erbas sagte. Hunderte Quadratmeter Teppich, mit denen die Marmorböden der Kirche bedeckt werden sollen, sind in Arbeit. Auch Pläne für den Betrieb hat Erbas schon parat: Geistliche sollen in der Hagia Sophia künftig rund um die Uhr den Koran rezitieren; in der einstigen Kirche soll zudem eine Medrese eingerichtet werden, wo Korankurse gehalten werden.
Besuchern aus aller Welt stehe die Hagia Sophie weiterhin offen, versicherte Erbas - so wie ja auch die Blaue Moschee nebenan und alle anderen Moscheen für Touristen zugänglich seien. Allerdings müssten ihre Wege durch das Bauwerk so ausgelegt werden, dass sie die betenden Muslime nicht stören. Ob Touristinnen sich künftig verschleiern müssen, um die Hagia Sophia zu betreten, sagte der Religionsamtsleiter nicht.
Was geschieht mit christlichen Kunstwerken?
Abgedeckt werden sollen während der täglichen fünf Gebetszeiten jedenfalls die christlichen Kunstwerke in der Hagia Sophia - wie das Marien-Mosaik in der Apsis aus dem Jahr 867 oder die Seraphime unter der Kuppel, deren Gesichter von den Osmanen übertüncht und erst kürzlich von Restauratoren freigelegt worden waren. Ob das mit Vorhängen oder Schwarzlicht geschehen soll, ist nach Erbas‘ Worten noch nicht entschieden. Möglicherweise würden bewegliche Kulturgüter auch aus der Moschee entfernt und an einem „geeigneten Ort“ ausgestellt, sagte der Religionsamtschef.
Wie es der Hagia Sophia in diesem neuen Abschnitt ihrer Geschichte ergehen könnte, lässt sich am Schicksal einer anderen byzantinischen Kirche erahnen, die der „Heiligen Weisheit“ – Hagia Sophia – gewidmet ist. Die gleichnamige Konzilskirche im antiken Nicaea, dem heutigen Iznik, wurde von den türkischen Behörden schon vor neun Jahren zur Moschee erklärt. Die Fresken im Inneren der Kirche, in der das siebte Ökumenische Konzil im Jahr 787 den Ikonoklasmus bezwang, wurden zwar nicht angetastet und können weiterhin besichtigt werden. Das Bauwerk hat aber unter der „Renovierung“ durch Religionsamt und die jetzt zuständigen Behörden stark gelitten: Die byzantinische Kirche trägt heute ein Kuppeldach im Stil von Disneyland auf ihrem Türmchen, und ihre Bogenfenster sind mit Milchglas verschlossen wie eine Sparkassen-Filiale.
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