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Istanbul: Menschenrechtler Steudtner in Türkei freigesprochen

Istanbul

Menschenrechtler Steudtner in Türkei freigesprochen

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    Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner saß monatelang in der Türkei in U-Haft.
    Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner saß monatelang in der Türkei in U-Haft. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Fast genau drei Jahre nach seiner Festnahme in der Türkei ist der Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner am Freitag von einem Gericht in Istanbul freigesprochen worden. Vier weitere der insgesamt elf angeklagten Aktivisten wurden dagegen zu Haftstrafen verurteilt. Die Beschuldigten hatten an einem Menschenrechtsseminar teilgenommen, das von der türkischen Justiz als konspiratives Treffen von Staatsfeinden gewertet wurde. Der Anwalt und Ehrenvorsitzende der türkischen Sektion von Amnesty International, Taner Kilic, soll wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation für sechs Jahre und drei Monate in Haft.

    Steudtner sagte, mit dem Urteil werde die Menschenrechtsarbeit in der Türkei „massiv kriminalisiert“. Amnesty International forderte Deutschland und andere Staaten zu „konsequentem Druck“ auf die Türkei auf. Die Staatsanwaltschaft hatte bei Steudtner und vier anderen Angeklagten auf Freispruch plädiert und für die anderen sechs Beschuldigten bis zu 15 Jahre Gefängnis verlangt. Das Gericht blieb mit seinem Urteil hinter dieser Strafforderung zurück, folgte aber der Auffassung, dass Kilic als „Terrorist“ zu betrachten sei. Drei Aktivistinnen – Özlem Dalkiran, Idil Keser und Günal Kusun – erhielten Haftstrafen von jeweils zwei Jahren und einem Monat wegen Hilfe für eine Terrororganisation. Die sieben anderen Angeklagten, darunter Steudtner, wurden freigesprochen.

    Menschenrechtler Peter Steudtner wurde 2017 in der Türkei verhaftet

    „Die Folter geht weiter“, kommentierte Andrew Gardner, Türkei-Experte von Amnesty International, aus dem Gericht. „Wir werden nicht aufgeben, bis alle freigesprochen sind.“ Auch wenn die Strafen milder ausfielen als von der Anklage gefordert, macht das Urteil doch klar, dass die friedliche Arbeit von Menschenrechtlern in der Türkei als Terrorismus verfolgt werden kann. „Ein juristisch wie menschenrechtlich tragfähiges Urteil hätte nur auf Freispruch für uns alle lauten können“, sagte Steudtner laut Amnesty.

    Schon vor dem Urteil hatte Dalkiran verbittert festgestellt, dass die Regierung und die Justiz ihr Ziel erreicht hätten: Das Verfahren habe die gesamte Zivilgesellschaft der Türkei gelähmt, erklärte Dalkiran. Allen Menschenrechtlern im Land sei seit den Festnahmen im Jahr 2017 klar, dass sie einen Preis dafür zahlen müssten, wenn sie die Lage der Türkei thematisieren, Konferenzen veranstalten oder Verbindungen ins Ausland haben.

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    Steudtner und neun weitere Menschenrechtler waren am 5. Juli 2017 auf der Insel Büyükada bei Istanbul während eines Seminars festgenommen worden. Kilic befand sich zu dieser Zeit bereits in Haft; ihm wurde trotzdem vorgeworfen, das Treffen auf Büyükada geleitet zu haben. Steudtner wurde zu Prozessbeginn im Oktober 2017 freigelassen und durfte die Türkei verlassen, seitdem verfolgte er das Verfahren von Berlin aus. Seine Festnahme hatte die deutsch-türkischen Beziehungen erheblich belastet. Wie Steudtner waren auch die anderen Angeklagten in den fast drei Jahren des Prozesses nach und nach freigelassen worden. Ob die vier Verurteilten jetzt ins Gefängnis müssen oder frei bleiben, während sie die Entscheidung anfechten, blieb noch unklar.

    An der Urteilsverkündung nahmen Diplomaten aus Deutschland, der Schweiz, Schweden und Kanada teil. Die Staatsanwaltschaft hatte Steudtner und die anderen Beschuldigten als staatsfeindliche Verschwörer in Haft nehmen lassen. In der teils absurden Anklageschrift wurde ihnen vorgeworfen, bei dem Workshop auf Büyükada für das Netzwerk des islamischen Predigers Fethullah Gülen intrigiert zu haben; Gülen wird von der türkischen Regierung für den Putschversuch von 2016 verantwortlich gemacht.

    Marko Beeko, Generalsekretär von Amnesty International Deutschland, kritisierte die Verurteilungen als politisch motiviert. „Es braucht jetzt deutliche internationale Reaktionen, auch die Bundesregierung muss von der Türkei eine Revision des Verfahrens und den Freispruch der Menschenrechtler einfordern“, erklärte Beeko.

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