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Istanbul: Besuch in der Hagia Sophia: Im Bademantel in die byzantinische Kirche

Istanbul

Besuch in der Hagia Sophia: Im Bademantel in die byzantinische Kirche

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    Die Hagia Sophia - einst Kirche, dann unter den Osmanen eine Moschee und von Republikgründer Atatürk 1934 säkularisiert und zum Museum gemacht - wird nun wieder als Moschee genutzt.
    Die Hagia Sophia - einst Kirche, dann unter den Osmanen eine Moschee und von Republikgründer Atatürk 1934 säkularisiert und zum Museum gemacht - wird nun wieder als Moschee genutzt. Foto: Marius Becker, dpa

    Zwei Monate her ist es, dass die Hagia Sophia von der Türkei zur Moschee erklärt wurde. Der 1500-jährige Kirchenbau bleibe Besuchern aus aller Welt geöffnet, versprach die türkische Regierung damals, und die berühmten Mosaike würden nur zu den islamischen Gebetszeiten mit Vorhängen verhüllt. Kein einziger Nagel werde in das Kulturdenkmal eingeschlagen, beteuerte Religionsamtsdirektor Ali Erbas. „Die Mosaike bleiben Besuchern zugänglich“, versicherte Präsidialamtssprecher Ibrahim Kalin. „Jeder wird hingehen und die Mosaike sehen können.“ Wie sieht es heute in der Hagia Sophia aus? Ein Ortstermin.

    Schwerbewaffnete Polizisten kontrollieren Besucher und Passanten

    An der Pforte zur Hagia Sophia warten die Sittenwächter. „Lady!“, sprechen Männer in roten Westen alle unverschleierten Frauen an und schicken sie an einen Verkaufsstand hinter einem Sultansgrab. 20 Lira kostet der Einweg-Bademantel aus Zellstoff, den man sich dort holen muss, das sind derzeit etwa 2,25 Euro – eine Art Krankenhaus-Kittel mit Kapuze. Masken sind natürlich auch Pflicht, die Schuhe müssen ausgezogen werden, und im Ergebnis laufen nicht-muslimische Besucherinnen in der Hagia Sophia herum wie Patientinnen auf dem Krankenhausflur.

    Neuer Look für die Hagia Sophia: Diesen Kittel müssen unverhüllte Frauen am Eingang kaufen.
    Neuer Look für die Hagia Sophia: Diesen Kittel müssen unverhüllte Frauen am Eingang kaufen. Foto: Susanne Güsten

    Die Taschenkontrollen und Metalldetektoren am Eingang der Hagia Sophia sind mit den Eintrittskarten abgeschafft worden, als das Gebäude vom Museum zur Moschee umfunktioniert wurde. Die Sicherheitskontrollen wurden daher vorverlagert auf den Platz vor der Hagia Sophia, der nun weiträumig mit Polizeigittern abgeriegelt ist. Besucher und Passanten werden von schwerbewaffneten Polizisten kontrolliert, bevor sie eingelassen werden. Im Inneren der Moschee patrouillieren noch mehr Polizisten mit Pistolen.

    Betreten wird die Hagia Sophia nunmehr durch das Tor, das zu Museumszeiten als Ausgang diente. Ein neues Schild prangt neben dem Tor: „Konstantinopel wird erobert werden“, zitiert es den Propheten Mohammed, „und gesegnet wird sein Eroberer sein, gesegnet seine Armee.“ Nichts mehr zu sehen ist dagegen von dem prächtigen Mosaik über dem Tor, das aus dem 11. Jahrhundert stammt und die Jungfrau Maria mit Jesuskind und den römischen Kaisern Konstantin und Justinian zeigt: Über das Mosaik ist eine weiße Platte montiert.

    Das Marien-Mosaik in der Apsis der Hagia Sophia bleibt verhängt

    Die erste Begeisterung der türkischen Öffentlichkeit für die neue Moschee scheint abgeflaut zu sein, denn im Inneren der Hagia Sophia beten zur Mittagszeit nur ein Dutzend alte Männer auf einer Plattform vor der Gebetsnische, eine Handvoll weitere im Raum unter der Kuppel verstreut. Hunderte weitere Menschen wuseln in dem Kirchenbau herum, lauschen ihren Reiseführern oder machen Selfies – die allermeisten sind offensichtlich zu touristischen Zwecken hier.

    Das Mosaik von Maria und Jesus mit den byzantinischen Kaisern ist abgedeckt.
    Das Mosaik von Maria und Jesus mit den byzantinischen Kaisern ist abgedeckt. Foto: Susanne Güsten

    Was die Touristen nicht fotografieren können, ist das berühmteste Kunstwerk der Hagia Sophia: das Marien-Mosaik in der Apsis, das der Patriarch von Konstantinopel zu Ostern im Jahre 867 enthüllte. Weil es in Blickrichtung der muslimischen Gläubigen beim Gebet liege, müsse es verhüllt werden, hatte die türkische Regierung verkündet – doch nur zu den fünf Gebetszeiten pro Tag. Mit weißen Stoffbahnen ist das Kunstwerk nun abgehängt; sie sind an einem Rahmen befestigt, der in der Apsis verankert ist. Nägel sind dazu vielleicht nicht eingeschlagen worden, aber ohne Bohrer dürfte das nicht zu machen gewesen sein.

    Auch das Mosaik von Kaiser Leon VI und Jesus Christus ist verdeckt

    Vor der Gebetsnische wacht ein Beamter des Religionsamtes darüber, dass nur muslimische und männliche Besucher die Plattform erklimmen. „Verzeihung, wann werden die Vorhänge vor dem Mosaik denn geöffnet?“, fragt eine Besucherin. Der Beamte guckt verdutzt. „Die werden nicht mehr aufgemacht“, entgegnet er. „Das bleibt jetzt so.“ Damit bestätigt er, was Besucher seit Wochen beobachten: Das Mosaik in der Apsis der Hagia Sophia bleibt – entgegen dem Versprechen der türkischen Regierung - dauerhaft verhängt.

    Das Mosaik über dem Kaisertor der Hagia Sophia ist mit einer Platte abgedeckt (Vordergrund), das Mosaik in der Apsis mit Stoffbahnen verhängt (Hintergrund).
    Das Mosaik über dem Kaisertor der Hagia Sophia ist mit einer Platte abgedeckt (Vordergrund), das Mosaik in der Apsis mit Stoffbahnen verhängt (Hintergrund). Foto: Susanne Güsten

    Nicht weiter verwunderlich ist es daher, dass auch das Mosaik über dem Kaisertor der Kirche mit einer weißen Tafel abgedeckt ist. Wie ausradiert wirkt die leere Fläche, wo der byzantinische Kaiser Leon VI bisher vor Jesus Christus kniete – ein Mosaik aus dem 10. Jahrhundert. Beim Gebet hätte Christus hier eigentlich nicht stören können, befindet sich das Kunstwerk doch außerhalb vom Kirchenschiff im Narthex - einer marmornen Vorhalle zu der byzantinischen Kirche, die jetzt mit Regalen möbliert ist und zum Aus- und Anziehen von Schuhen dient.

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