Erleichterung, aber noch viele offene Fragen: Die seit über zwei Wochen vermisste Isabella aus Celle ist allem Anschein nach in Frankreich aufgetaucht. Der Vater der 16-Jährigen und Vertreter der Polizei reisten am Mittwoch in das Nachbarland, um ein dort gefundenes Mädchen zu identifizieren. Das sagte eine Polizeisprecherin in Celle. Das genaue Ziel in Frankreich nannte sie nicht.
Vermisste Isabella aus Celle lebt - Polizei schließt Straftat nicht aus
"Sie lebt, und das ist eine gute Nachricht", sagte Sprecherin Birgit Insinger. Schon in einer ersten Mitteilung vom Dienstagabend war die niedersächsische Polizei davon ausgegangen, dass Isabella "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" gefunden sei.
Dabei hatten die Ermittler nach mehr als zwei Wochen vergeblicher Suche das Schlimmste befürchtet. Die Gymnasiastin sei mutmaßlich Opfer eines Gewaltverbrechens geworden, teilte die Polizei am Ostermontag mit. Chefermittler Daniel Dahlke bat in einem aufrüttelnden Facebook-Video um Hilfe. Allen Menschen, die diesen Post geteilt hätten, sei es zu verdanken, dass der Hinweis auf Frankreich gekommen sei, sagte Insinger. Das Video auf Facebook wurde bis Mittwoch 270.000 Mal angeschaut und 7500 Mal geteilt.
Also Ende gut, alles gut? Die Polizei schließt weiter nicht aus, dass eine Straftat hinter Isabellas Verschwinden am 22. März stehen könnte. Denn warum die Schülerin mit Spitznamen Isi an jenem Vormittag unbemerkt ihr Elternhaus verließ, ist ungeklärt. Sie und ihr jüngerer Bruder saßen im Homeschooling zuhause. Dem Jungen fiel erst mittags auf, dass seine Schwester fehlte. Die Eltern riefen noch am gleichen Tag die Polizei.
Unklar ist weiterhin, wie Isabella aus Celle nach Frankreich kam
Isabella nahm weder Schlüssel noch Geldbörse oder Handy mit. Deshalb vermutete die Polizei, dass sie nur kurz das Haus verlassen wollte, vielleicht wegen einer Verabredung oder eines vorherigen Kontaktes. Die Umgebung des Wohnhauses wurde abgesucht, auch ein Personenspürhund kam zum Einsatz - aber ohne Erfolg. Wie kam die Schülerin nach Frankreich?
Immerhin entging Isabella dem Schicksal anderer vermisster Teenager. In Berlin suchen Ermittler seit Februar 2019 nach der vermissten Rebecca Reusch. Die damals 15-Jährige verschwand aus dem Haus ihrer Schwester. Die Polizei vermutet, dass sie getötet worden ist. In Niedersachsen fehlt seit 2001 jede Spur von der damals 15 Jahre alten Katrin Konert aus dem Kreis Lüchow-Dannenberg.
Vermisste Erwachsene, vermisste Minderjährige
Erwachsene, die im Vollbesitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte sind, haben das Recht, ihren Aufenthaltsort frei zu wählen, auch ohne ihn Angehörigen oder Freunden mitzuteilen. Es ist daher nicht Aufgabe der Polizei, Aufenthaltsermittlungen einzuleiten, wenn keine Gefahr für Leib oder Leben vorliegt.
Sofern eine ernste Gefahrenlage für einen vermissten Erwachsenen besteht, beginnt die Polizei mit der "Aufenthaltsermittlung". Wird der Aufenthaltsort des Vermissten festgestellt, wird die Person befragt, ob sie mit der Nennung ihres Aufenthaltsorts gegenüber Angehörigen einverstanden ist. Die Angehörigen werden entsprechend dem Wunsch des Vermissten informiert.
Sofern die Person wohlauf ist, sie nicht Opfer einer Straftat wurde und sie sellbst keine strafbaren Handlungen begangen hat, hat sich der Fall für die Polizei mit der Aufenthaltsermittlung erledigt.
Personen im Alter von bis zu 18 Jahren dürfen ihren Aufenthaltsort nicht selbst bestimmen. Bei ihnen wird grundsätzlich von einer Gefahr für Leib oder Leben ausgegangen, wenn sie vermisst werden. Sie gelten für die Polizei bereits als vermisst, wenn sie ihren gewohnten Lebenskreis verlassen haben und ihr Aufenthaltsort nicht bekannt ist.
Vermisste Minderjährige werden, wenn die Polizei sie findet, so lange in staatliche Obhut (zum Beispiel in eine Jugendeinrichtung) genommen, bis sie in ihr gewohntes Umfeld gebracht werden können. Diese polizeiliche Maßnahme ist dabei keine Festnahme, sie dient dem Schutz des Minderjährigen.
Aus Frankreich erwartete die Celler Polizei noch am Mittwochabend die Nachricht, dass das Mädchen identifiziert ist. Danach könne auch die offizielle Fahndung zurückgenommen werden. Am Donnerstag oder Freitag wollten die Behörden abschließend über den Fall berichten.
Rechtlich macht es einen Unterschied, ob es eine minderjährige oder eine erwachsene Person vermisst wird, wie die Polizei in Bremen erläuterte. Erwachsene dürfen ihren Aufenthalt frei wählen, sie sind auch Verwandten keine Rechenschaft schuldig. Die Polizei versucht, den Aufenthaltsort zu ermitteln. Sie greift aber nur bei einer Straftat ein. Kinder und Jugendliche dürfen ihren Aufenthalt nicht frei bestimmen. Deshalb geht die Polizei immer von einer Gefahr für Leib und Leben aus, wenn Minderjährige aus ihrem Umfeld verschwinden. (Von Friedemann Kohler, dpa)
Das könnte Sie auch interessieren: 2007 verschwunden, 2020 eine neue Spur: Der Fall Maddie McCann