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Iran: Mehr als 25 Zentimeter pro Jahr: Wie Teheran im Boden versinkt

Iran

Mehr als 25 Zentimeter pro Jahr: Wie Teheran im Boden versinkt

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    Die iranische Hauptstadt Teheran ist in den vergangenen Jahrzehnten rasant gewachsen – sehr zum Nachteil der Umwelt.
    Die iranische Hauptstadt Teheran ist in den vergangenen Jahrzehnten rasant gewachsen – sehr zum Nachteil der Umwelt. Foto: Robert Harding, Imago Images

    Plötzliche Krater im Asphalt, Risse in den Mauern, zwangsevakuierte Häuser – unter Teheran tut sich die Erde auf. Die iranische Hauptstadt versinkt im Boden, stellenweise sackt sie mehr als 25 Zentimeter pro Jahr ab. Dahinter steckt ein geologisches Phänomen, das mittlerweile zehn Prozent der Stadtfläche betrifft.

    Hochauflösende Satellitenaufnahmen aus den Jahren 2003 bis 2017 belegen, dass sich die Absackflächen im westlichen und südöstlichen Umland immer tiefer in die Wohnviertel hineinfressen. Auch der Internationale Imam-Khomeini-Flughafen ist betroffen. Fast nirgendwo auf der Welt ist diese Sink-Rate, wie die Geologen das Geschehen nennen, so extrem wie in der 15-Millionen-Metropole, erläutert Roberto Tomas, Professor für Geotechnik an der Universität Alicante in Spanien.

    Ausbeutung der Grundwasserreservoirs lässt das Erdreich instabil werden

    Hauptursache für die schleichende Katastrophe ist die rücksichtslose Ausbeutung der fossilen Grundwasserreservoirs, die das Erdreich instabil werden und schließlich einbrechen lässt, wie Mahdi Motagh und Mahmud Haghshenas Haghighi vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam erläutern, deren Studie in der Fachzeitschrift „Remote Sensing of Environment“ erschienen ist. Innerhalb einer Generation sank der Grundwasserspiegel im Großraum Teheran um zwölf Meter ab, nicht zuletzt weil 30.000 illegale Brunnen die grundwasserführenden Schichten, Aquifer genannt, leersaugen.

    Aber nicht nur das Ballungszentrum der Hauptstadt, die gesamte Islamische Republik lebt seit drei Jahrzehnten weit über ihre ökologischen Verhältnisse. Zu dem Raubbau an dem natürlichen Wasserkreislauf trägt vieles bei – der Boom beim Staudammbau, der Klimawandel, veraltete Bewässerungsmethoden auf den Feldern, undichte Leitungen sowie Verschwendung in Privathaushalten, weil Wasser praktisch nichts kostet.

    Zudem wuchs die Bevölkerung seit der Islamischen Revolution 1979 von 37 auf 82 Millionen. Den Rest gaben der gestressten Umwelt die internationalen Sanktionen und die „Widerstandsökonomie“, die auf eine maximale Selbstversorgung bei Lebensmitteln setzt und die heimischen Agrarflächen vervierfachte.

    70 Prozent des fossilen Grundwassers im Iran sind nach Kalkulationen von Experten bereits unwiederbringlich verloren. Ist das kostbare Wasser aber dem porösen Untergrund erst einmal entzogen, sackt dieser zusammen und verdichtet sich. Das Erdreich wird kompakter und verliert seine Speicherkapazität – ein Prozess, der auch durch hohe Regenfälle wie im vergangenen Frühjahr nicht wieder rückgängig zu machen ist.

    Auch Städte wie Mexiko-City und San Francisco sind betroffen

    Teheran ist nicht der einzige Ort, dem der Boden unter den Häusern wegbricht. Weltweit sind etwa 150 Städte betroffen. Die indonesische Hauptstadt Jakarta geht jährlich 20 Zentimeter in die Tiefe, ähnlich Mexiko-City. In San Francisco ist ebenfalls der Flughafen gefährdet.

    Südwestlich von Teheran klaffen inzwischen kilometerlange Spalten. Er kenne einen Bauern, der stundenlang in einem sechs Meter tiefen Riss gefangen war, nachdem das Erdreich plötzlich unter ihm eingebrochen sei, berichtete der Seismologe Ali Beitollahi vom Forschungszentrum für Straßen,Wohnungsbau und Stadtentwicklung in Teheran.

    Nach seinen Berechnungen sind von derartigen Verwerfungen mittlerweile 120 Kilometer Eisenbahntrassen, 2300 Kilometer Straßen, 230 Kilometer Pipelines und 70 Kilometer Hochspannungsleitungen betroffen. Hinzu kommen 250000 Gebäude mit Rissen oder schiefen Wänden, die abgerissen oder aufwendig saniert werden müssen. Die Kosten gehen in die Abermillionen und ein Ende ist nicht in Sicht.

    „Solange es in Teheran kein effektives Management der Grundwasservorräte gibt“, sagt der Potsdamer Forscher Motagh, „werden die Schäden an der Infrastruktur immer weiter in die Stadt vordringen.“

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